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Ausgabe 05 | 2021
Schwerpunkt
Stefan Magdalinski from Jakarta, Indonesia, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons
Überschwemmte Gebiete in Lagos, Nigera 2011
Der Klimawandel kennt keine Ländergrenzen

Katastrophenschutz: Teil der Welt werden

Legen Sie die Bilder aus den Fluten dieses Jahres in Lagos in Nigeria, Zhengzhou, China oder in Rheinland-Pfalz einmal nebeneinander. Sie werden sehen: Es ist schwierig zu sagen, welches Bild welchen Teil des Globus abbildet.

Die Flutbilder aus Ahrweiler fühlen sich für viele Menschen fremd und zugleich vertraut an. Solche Bilder der Zerstörung kennt man. Nicht selten werden sie in der Tagesschau eingeblendet, oft verbunden mit einem Spendenaufruf für diejenigen, die betroffen sind. In der Regel stammen die Bilder von weit entfernten Orten.

Doch die Klimakrise ist global. Sie unterscheidet nicht zwischen Orten, Staaten und Ländern, sondern sie bedroht unseren gemeinsamen Planeten. Wenn man allerdings den „Green New Deal“ der Europäischen Union betrachtet, der die Möglichkeit suggeriert, zusammen zu (über)leben, entsteht ein anderer Eindruck. Er verspricht angeblich Klimaneutralität zusammen mit Wirtschaftswachstum und sozialer Gerechtigkeit, um eine sozial ausgeglichene Transformation der Volkswirtschaften für die zu gewährleisten, die es sich leisten können. Aber nur für die  Länder, die „systemrelevant“ erachtet werden. Nicht eingerechnet werden die menschlichen und ökologischen Kosten an „anderen“ Orten, auf denen diese ökologische und soziale Transformation aufbaut und ohne die sie nicht möglich wäre. Denn die Rohstoffe für die sogenannte grüne industrielle Revolution werden anderswo extrahiert, zum Beispiel aus der Demokratischen Republik Kongo, aus Bolivien oder von den Philippinen. Die damit einhergehenden Zerstörungen  werden als gegeben hingenommen in der Formel der Transformation, die die Widersprüche des globalen kapitalistischen Systems grün anmalt.

Alternativen sind denkbar: Europa muss sich als Teil der Welt verstehen. Das heißt zuerst, Europa muss sich erinnern. Sich ins Labyrinth der eigenen Geschichte wagen, sie noch einmal anders erzählen, lernend und mit Demut. Da der Reichtum und die europäische Dominanz aus der langen blutigen Geschichte der Kolonisation entstanden ist, sollte ein Gefühl der Verantwortlichkeit entstehen. Nicht in schlecht kaschierter, fortgesetzter imperialer Form einer von Europa ausgehenden Rettung der Welt, sondern als Mitglied der Welt. Wieder Mitglied der Welt zu werden, würde bedeuten, sich auf eine Art in die Welt zu fügen, die für alle und alles ein gutes Leben ermöglichen kann. Es würde heißen, die Klimakatastrophe nicht zu einer neuen „wirtschaftlichen und industriellen Gelegenheit für Europa“ zu machen, wie der European Council for Foreign Relations vorschlägt. Mitglied der Welt zu werden würde stattdessen bedeuten, die Geschichten der Menschen fortzuschreiben, die sich gegenseitig in der Not unterstützen, die Essen verteilen, die gemeinsam ihre Keller auspumpen, die helfen, Schutt beiseite zu räumen. Ob in Ahrweiler, in Lagos oder in Zhengzhou.

Schon heute gibt es diese Verbundenheit der Welt, verkörpert in indigenen Widerstandsbewegungen gegen Öl-Pipelines oder Bergbauprojekte, in den weltweit demonstrierenden Schüler*innen von Fridays for Future, bei transnationalen Öko-Feminist*innen und den Besetzer*innen des Dannenröder Forsts oder den Wächter*innen des Lake Poso, um nur einige zu nennen. Sie verkörpern die Möglichkeit einer nicht allzu dystopischen Zukunft.

Radwa Khaled-Ibrahim

Philip Eichler / Philip Eichler
Radwa Khaled-Ibrahim ist Referentin für kritische (Not-)Hilfe bei medico international
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