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Veranstaltung

Paritätischer Gesundheits- und Pflegekongress 2023

Grafik mit unterschiedlichen Menschen, die in einer Reihe stehen: Ein tanzendes Mädchen an der Hand seiner Mutter; ein Vater mit einem Baby auf dem Arm neben einer Frau; zwei Männer, die sich die Hände halten; eine Person im Rollstuhl; zwei Erwachsene; zwei Senior*innen
Wie kann ein zukunftsfestes und am Gemeinwohl orientiertes Gesundheits- und Pflegewesen aussehen? Das diskutierte der Paritätische Gesamtverband mit Expert*innen am 8. November 2023 auf dem Paritätischen Gesundheits- und Pflegekongress in Berlin.

#EchtGut – für alle! Perspektiven für ein zukunftsfestes und inklusives Gesundheits- und Pflegewesen

Forderungen nach Krisenfestigkeit und Nachhaltigkeit prägen das Gesundheits- und Pflegewesen wie nie zuvor: Personalmangel, (Post-)Corona, der demographische Wandel, Klimafolgen, Zugangsbarrieren und soziale Ungleichheit stellen – ausschnitthaft – Patient*innen, Pflegebedürftige und ihre An- und Zugehörigen sowie Einrichtungen und Dienste des Gesundheits- und Pflegewesens unter Dauerstress. Demgegenüber steht die enge Finanzlage bei Kommunen und Sozialversicherungen, wodurch sich Überlastung und Unterfinanzierung in diesen Bereichen weiter zuspitzen werden und die Sicherheit von Versorgungsstrukturen auf dem Spiel steht.

Der Paritätische Gesundheits- und Pflegekongress im Jahr 2023 bildete nach einer coronabedingten Pause eine Fortführung und Erweiterung der Paritätischen Pflegekongresse, mit dem das Paritätische Kongressformat zu relevanten Gesundheits- und Pflegethemen als Tradition weitergeführt wurde. Bestehende Netzwerke konnten gepflegt und neue Kontakte geknüpft werden, auch und insbesondere zwischen Mitgliedsorganisationen und Politik, Verwaltung und Kostenträgern.

Anhand von Keynotes, Diskussionsrunden und Fachgesprächen wurden unter Einbezug von Praxis, Wissenschaft und Politik der Stand der Umsetzung der jüngsten und avisierten Gesetzgebungen und Reformen sowie weitere Handlungsbedarfe im Gesundheits- und Pflegewesen thematisiert: Es ging u.a. um die Frage, wie ein inklusives und nachhaltiges Gesundheits- und Pflegewesen für alle geschaffen werden kann und welche Rolle die gemeinnützigen Angebote der Freien Wohlfahrtspflege dabei spielen. Zudem standen personal- und fachpolitische Perspektiven im Bereich der stationären und ambulanten Langzeitpflege sowie die Zukunftsfestigkeit von Selbst- und Suchthilfe im Fokus der Fachgespräche.

Programm und Ablauf

Moderiert und eröffnet wurde der Kongress von Susanne Kluge, einer bekannten TV-Moderatorin und Medizinjournalistin. In seinem Grußwort lobte der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach die Fachlichkeit und Expertise des Paritätischen und bedankte sich für sein Engagement in der Gesundheits- und Pflegepolitik.

Anschließend betonte Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands, in seiner Keynote die Bedeutung der Chancengerechtigkeit im Gesundheitswesen und der erfahrbaren Selbstwirksamkeit der Patient*innen und Pflegebedürftigen. Er erläuterte, inwiefern der New Public Health-Ansatz dazu beitragen kann, ein gerechtes Gesundheitssystem aufzubauen, welches die Gesundheit der Bevölkerung, und nicht Krankheit, im Fokus hat.

Anschließend referierte Prof. Dr. Thomas Klie zu den Herausforderungen der künftigen Situation in der Pflege, und appellierte an alle Entscheidungsträger, schnellstmöglich zukunftsfähige Lösungen zu finden. Auch bekräftigte er die Bedeutung der Gesundheits- und Pflegepolitik und verwies auf Studienergebnisse, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der Gesundheits- und Pflegepolitik und dem Wahlverhalten zeigten. Hiernach werden insbesondere dort antidemokratische Parteien gewählt, wo eine große Unzufriedenheit mit der erlebten Situation als Patient*in oder Pflegebedürftige*r besteht.

Präsentation von Prof. Dr. Thomas Klie - Zukunft des Gesundheits- und Pflegewesens

Im Anschluss an die beiden Keynotes diskutierten Prof. Dr. Thomas Klie, Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes,  Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Dr. Martin Schölkopf, Leiter der Abteilung 4 – Pflegeversicherung und -stärkung im Bundesministerium für Gesundheit, Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, Verena Bentele, VdK-Präsidentin sowie Sepp Müller, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion auf dem Podium über die wichtigsten Herausforderungen in der Gesundheits- und Pflegepolitik. Hierbei wurde deutlich, dass bei künftigen politischen Anstrengungen neben dem Fachkräftemangel und den Eigenanteilen unbedingt auch die Betreuung und Pflege von Menschen in der Häuslichkeit in den Blick genommen werden muss sowie die Situation pflegender Angehöriger. Auch wurde betont, dass die Kommunen und Quartiere vor Ort eine sehr wichtige Rolle spielen für die individuelle Versorgungs- und Lebensqualität von Menschen. Hier schlummert eine Menge Potenzial, das es bei allen Herausforderungen zu nutzen gilt.

Teilhabe und Zukunftsfähigkeit Thema bei Fachgesprächen

Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in Fachgesprächen zu verschiedenen spezifischen Fachthemen zu informieren und einzubringen. Hier wurden unter Einbezug von Praxis, Wissenschaft und Politik der Stand der Umsetzung der jüngsten und avisierten Gesetzgebungen und Reformen sowie weitere Handlungsbedarfe im Gesundheits- und Pflegewesen thematisiert:

In dem Fachgespräch mit dem Fokus auf Altenhilfe und Pflege wurden unter anderem folgende Fragen diskutiert:

Die Situation zur Finanzierbarkeit von Pflege hat sich zunehmend verschärft und die Eigenanteile sind rasant gestiegen. Sind die bisherigen politischen Maßnahmen ausreichend, oder benötigen wir den radikalen Wechsel zu einem Vollversicherungsmodell, wie ihn der Paritätische fordert?

Auf der anderen Seite ist der Personalmangel seit Jahren ein bestimmendes Thema in der Pflege. Die beispiellosen und umfangreichen Maßnahmenbündel zeigen jedoch bisher keine durchschlagende Wirkung – oder doch? Hartnäckig hält sich die Auffassung, dass zu wenig getan wird, aber ist das so und wenn ja, ist dies tatsächlich der Grund für den nicht enden wollenden Personalmangel?

Pflegekräfte, Leitungen und Verwaltung sind nach vielen Jahren des Ausnahmezustandes überlastet und hängen genervt den Job an den Nagel. Der Dauerzustand von Überbeanspruchung durch herausfordernde Versorgungssituationen, ständigem neuen Regelwerk und dem administrativen Aufwand hat sie ausgemergelt. Viele fühlen eine Ohnmacht gegenüber der Kleinstaaterei diverser Aufsichten, Kostenträger und Prüfinstitutionen – die Praxis denkt, dass Unmögliches verlangt wird.

Und wie müssen pflegende Angehörige und vergleichbar Nahestehende unterstützt und wie muss das Zusammenspiel mit professioneller Pflege in Zukunft ausgestaltet werden, um allen eine gute Versorgung zu ermöglichen? Welche Perspektiven gibt es – können wir es schaffen, in Zukunft eine finanzierbare und bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen und sind wir auf dem richtigen Weg?

Es diskutierten folgende Expert*innen:

  • Herr Dr. Martin Schölkopf, Leiter der Abteilung 4 - Pflegeversicherung und -stärkung, Bundesministerium für Gesundheit
  • Frau Ingrid Hastedt, Vorsitzende des Vorstands, Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg
  • Frau Maria Klein-Schmeink, Mitglied des deutschen Bundestags, Bündnis 90/Die Grünen, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der grünen Bundestagsfraktion
  • Prof. Dr. Thomas Klie, Rechts- und Sozialwissenschaftler und Leiter der Institute AGP Sozialforschung und Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung
  • Frau Brigitte Bührlen, Stifterin, Gründerin und Vorsitzende, WIR! Stiftung pflegender Angehöriger


Moderiert wurde das Fachgespräch von Barbara Boos und Thorsten Mittag, Referentin und Referent für Altenhilfe und Pflege beim Paritätischen Gesamtverband.

F1 Präsentation

Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit; sie entsteht dort, wo Menschen spielen, lernen, arbeiten und lieben (WHO Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986). Die sozialen Verhältnisse haben insofern maßgeblichen Einfluss auf die gesundheitlichen Ressourcen und Belastungen einer Person. Diese sind innerhalb der Bevölkerung stark ungleich verteilt; ein Ungleichgewicht, das sich insbesondere in Krisen- und Umbruchzeiten weiter verschärft (sog. Vulnerabilität).

Dieser Erkenntnis sollte 2015 mit dem Präventionsgesetz Rechnung getragen werden, indem die primäre Prävention und Gesundheitsförderung stärker auf unterschiedliche Lebenswelten, wie z.B. das Quartier, die Schule oder die Kita, ausgerichtet wurden. Gleichzeitig besteht auch im Jahr 2023 nach wie vor Reformbedarf, um starre Sektorengrenzen endlich zu überwinden, bestehende Präventionsstrategien an die Anforderungen unserer Zeit anzupassen und neue Wege sozialräumlicher Partizipation zu beschreiten.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf wichtige Reformvorhaben verständigt und damit das Fundament für eine zukunftsfeste Neuausrichtung des Public Health-Wesens in Deutschland gelegt. Diese Neuausrichtung erfordert jedoch im weiteren Prozess eine aufeinander abgestimmte, ressortübergreifende konzeptionelle Betrachtung von Zielstellung, Strukturierung und Aufgabenverteilung, Implementierung und Evaluation sowie die Festlegung von klaren Verantwortlichkeiten und Abläufen in Kommunikation und Entscheidung. In diesen Reformprozess ist das Potenzial der Freien Wohlfahrtspflegen unbedingt verbindlich einzubeziehen.

Im Rahmen des Fachgesprächs wurde vor dem Hintergrund aktueller sowie avisierter Gesetzesvorhaben mit Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutiert, wie diese Ziele erreicht werden können. Als Expert*innen an der Diskussion beteiligt waren u. a.:

  • Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Public Health Experte und Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes
  • Dr. Johannes Wagner, Mitglied des Deutschen Bundestags (Bündnis 90/Die Grünen) und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit
  • Anke Tempelmann, Referentin für Prävention des AOK-Bundesverbands
  • Dr. Anna Babette Stier, Bundesministerium für Gesundheit

Moderiert wurde das Fachgespräch von Luca Torzilli, Referent für Gesundheit, Prävention, Rehabilitation und Bevölkerungsschutz.

Ergebnissicherung_Fachgespräch_New_Public_Health

Wissenschaftliche Studien zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund bestimmte Gesundheitsleistungen seltener nutzen. Dies deutet darauf hin, dass es im deutschen Gesundheitssystem, unabhängig von rechtlichen Zugangsbeschränkungen oder Versicherungsstatus, weitere Hindernisse gibt, die es Menschen mit Migrationshintergrund erschweren, einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen zu erhalten. Derartige Barrieren können kulturell, sprachlich, strukturell oder auch durch Vorurteile und Diskriminierung bedingt sein.

In einem immer diverser werdenden Deutschland ist es unerlässlich, dass das Gesundheitssystem gerecht, inklusiv und zugänglich für alle ist. Dies bedeutet nicht nur, dass vorhandene Barrieren identifiziert, sondern auch dass nachhaltige Lösungen entwickelt und umgesetzt werden, die diesen entgegenwirken.

Das Hauptziel des Fachgespräches war es, die Sensibilisierung für diese Zugangsbarrieren und die Betonung der Bedeutung von Diversitätsgerechtigkeit im Gesundheitsbereich zu fördern. Durch praxisnahe Beispiele eingeladener Expert*innen wurden die Teilnehmenden informiert, zur Reflexion angeregt und für konkrete Handlungsansätze sensibilisiert. Die Diskussion identifizierte nicht nur Problembereiche, sondern zeigte auch Möglichkeiten auf, wie bestehende Herausforderungen angegangen werden können, um gesundheitsbezogene Dienstleistungen für alle zugänglicher und gerechter zu gestalten. Es diskutierten unter anderem:

  • Prof. Dr. Theda Borde: Professorin/ Projektleiterin, Empowerment für Diversität: Allianz für Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung an der Charité
  • Güllü Kuzu: Einrichtungsleiterin des Kompetenzzentrums Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe und Pflege
  • Merican Özcan (Duha e.V.): Herausforderungen bei der Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen mit dem Fokus auf Frauen mit Migrationsgeschichte/ Migrant*innen mit Behinderung
  • Ulrich Schleppegrell (Refugium e.V.): Einsatz von Sprachmittlung im Gesundheitswesen und die damit verbundenen Herausforderungen
  • Christof Rambke: Referent für migrationsgesellschaftliche Ausrichtung der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung, Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege

Moderiert wurde das Fachgespräch von Dr. Min-Sung Kim, Referent für das Projekt "Gemeinsam für ein gesundes Leben (GgLiQ)".

Vortrag Prof. Dr. Theda Borde
Vortrag Güllü Kuzu
Vortrag Mercian Özcan

In vielen Selbsthilfeorganisationen arbeiten Ehrenamtliche und Hauptamtliche eng zusammen. Dabei engagieren sich Ehrenamtliche freiwillig sowie unentgeltlich und setzen sich für die Belange und Interessen ihrer Betroffenengruppe ein, engagieren sich in der Vorstandsarbeit oder in ehrenamtlich besetzten Gremien. Sie alle bringen wertvolle Erfahrungen und Perspektiven mit und stellen eine wesentliche Ressource für die Selbsthilfe dar.

Auch Hauptamtliche sind für Selbsthilfeorganisationen unentbehrlich, arbeiten in der Regel fest angestellt und sind für die Koordination, Organisation und Verwaltung der Selbsthilfe zuständig. Sie verfügen über fachliche Kompetenz und Expertise und unterstützen Ehrenamtliche bei der Umsetzung ihres Engagements.

Der Generationenwechsel, die Einbeziehung von Freiwilligen sowie Mitgliedergewinnung und -bindung stellt die Zukunft der Selbsthilfeorganisationen jedoch vor große Herausforderungen: Wie schaffen wir es, ehrenamtliches Engagement zu stärken und wie finden und halten wir hauptamtliches Personal? Welche Organisationsstrukturen sind dabei – zum Beispiel in Hinsicht auf Teilhabemöglichkeiten – weiterzuentwickeln? Und welche Aufgaben ergeben sich daraus für eine zukunftsorientierte Öffentlichkeitsarbeit?

All diese Zukunftsfragen wurden in einem offenen World Café-Format thematisiert, nachdem Gabriele Girnau, zuständig für Selbsthilfe im Bundesministerium für Gesundheit, ein kurzes Grußwort gehalten hate. Interessierte Selbsthilfeaktive hatten an den Thementischen die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, Ideen zu diskutieren und die Vernetzung untereinander zu fördern. An vier Thementischen kamen unterschiedliche Expert*innen zu Wort, die Good-Practice-Beispiele vorstellten und Tipps gaben, welche Maßnahmen zu empfehlen sind und wie die Umsetzung realisiert werden kann. Durch den gemeinsamen Wissens- und Erfahrungstransfer konnten so Lösungen und Möglichkeiten aufgezeigt werden, die Selbsthilfeaktive darin unterstützen, ihre Organisation zukunftsfest und nachhaltig aufzubauen. Denn das WIR hilft, die Vielfalt sowie die Chancen und Herausforderungen der Selbsthilfe zu erkennen und mitzugestalten.

Als Expert*innen begleiteten die Thementische:

Tisch 1: Stärkung des Ehrenamts
Sandra Röder, Bundesvorstand Deutsche ILCO e.V.

Tisch 2: Bedeutung des Hauptamts
Kerstin Lohmann, Fachreferentin Gesundheitsförderung und Koordinatorin Gesundheitsselbsthilfe, Der Paritätische Nordrhein-Westfalen

Tisch 3: Change Management: Organisationsstrukturen im Wandel
Anne Linneweber, Abteilungsleiterin der Abteilung Gesundheit, Teilhabe und Pflege, Der Paritätische Gesamtverband

Tisch 4: Zukunftorientierte Öffentlichkeitsarbeit  
Anke Heß, Projektleitung „Digitale Kompetenz in der Selbsthilfe '', KISS Hamburg, Der Paritätische Hamburg 
Gail McCutcheon, Geschäftsführung/Vorstand "Mein Herz lacht e.V."

Moderiert wurde das Fachgespräch von Kerstin Guderley, Referentin für Selbsthilfe und chronische Erkrankungen.

Foto-Dokumentation World Cafe

Das Gesundheitssystem in Deutschland ist ungenügend darauf ausgerichtet, Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung gut zu versorgen. Mangelnde Barrierefreiheit (sowohl baulich als auch kommunikativ), der häufig noch verbreitete medizinisch-defizitäre Blick auf Beeinträchtigungen und gesetzliche Grundlagen, die eine gut verzahnte Erbringung von Leistungen erschweren – dies sind nur einige der Faktoren, die zur Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in der gesundheitlichen Versorgung beitragen.

Die Bundesregierung möchte mit einem Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen diese Situation verbessern. Aber reicht das aus? Welche Schnittstellen und Gräben gilt es zu überwinden – sowohl rechtlich als auch mit Blick auf die beteiligten Akteur*innen? Und wie bringt sich die Freie Wohlfahrtspflege beim Ausbau eines inklusiven Gesundheitswesens ein? Diese und weitere Fragen wurden gemeinsam in dem Fachgespräch diskutiert, unter anderem mit verschiedenen Expert*innen:

  • Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
  • Andreas Bethke, Geschäftsführer Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) e.V.
  • Beate Bettenhausen, Vorsitzende Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (BVKM) e.V.
  • Gerlinde Bendzuck, Vorstand Deutsche Rheuma Liga Bundesverband e.V.
  • Karsten Giertz, Geschäftsführer Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V.
  • Frank Hammerschmidt, ebenfalls Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. und EX-IN Genesungsbegleiter
  • Sabine Westermann, Sozialpolitische Sprecherin anthropoi Selbsthilfe
  • Prof. Dr. Peter Martin, stellv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medizin für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung e.V.
  • Katja Kohfeld, Bundesministerium für Gesundheit

Moderiert wurde das Fachgespräch von Carola Pohlen, Referentin für die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und psychischen Erkrankungen.

Ergebnissicherung Partizipation

Suchtprobleme sind auch im höheren und hohen Lebensalter weit verbreitet: Mehr als 2 Mio. ältere Männer und Frauen rauchen, bis zu 400.000 sind von einem Alkoholproblem betroffen und bei 1 bis 2 Mio. Menschen weist der Gebrauch psychoaktiver Medikamente zumindest Gewohnheitscharakter auf. Aber auch der Anteil der älteren polyvalenten Drogengebraucher*innen steigt zunehmend. Die Vermittlung in stationäre Altenpflegeheime ist meist erfolglos, weil Lebens- und Konsumgewohnheiten dem entgegenstehen und die Einrichtungen des Regelversorgungssystems konzeptionell nicht auf die Zielgruppe und ihre Bedarfe eingestellt sind oder sie gänzlich ausschließen.

In dem Fachgespräch wurden die komplexen Hilfebedarfe von älteren bzw. pflegebedürftigen Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen erläutert und Lösungsansätze innerhalb und außerhalb des Regelversorgungssystems diskutiert. Mit unseren überregionalen Mitgliedsorganisationen und Fachverbänden aus den Bereichen Altenhilfe und Suchthilfe sowie ausgewählten Praxisbeispielen haben wir Paritätische Synergien genutzt und eine stärkere Zusammenarbeit von Suchthilfe und Altenhilfe angeregt.

An der Diskussion teilgenommen hatten unter anderem:

  • Thomas Ahlrichs, stellvertretender Vorsitzender Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V. (fdr) und Geschäftsführer Verein für Sozialmedizin Stade e.V.
  • Olaf Christen, Referent Selbstverwaltung, Sozialverband VdK Deutschland e.V.
  • Gabi Becker, Geschäftsführung Integrative Drogenhilfe e.V.
  • Katrin Hoffmann, Projektleitung Suchtberatungs- und Behandlungsstelle Marzahn-Hellersdorf, Wuhletal gGmbH
  • Kerstin Camacho Take, Projektleitung LÜSA, Verein zur Förderung der Wiedereingliederung Drogenabhängiger e.V.
  • Marlene Mann, Referentin für Pflege und Gesundheit, Volkssolidarität Bundesverband e.V.
  • Dr. Bettina Leonhard, Abteilungsleiterin Soziale Dienste, Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V.

Moderiert wurde das Fachgespräch von Gabriele Sauermann, Referentin für die Teilhabe behinderter Kinder und Jugendlicher, Suchthilfe.

Der digitale Wandel zeigt sich in nahezu allen Lebensbereichen. Auch im Gesundheitswesen hält er Einzug und spielt bei der Weiterentwicklung der medizinischen und pflegerischen Versorgung eine zentrale Rolle. Die Selbsthilfe hat sich nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie ebenfalls vermehrt mit digitalen Anwendungen auseinandergesetzt. Dabei birgt die Digitalisierung im Bereich der Selbsthilfe Chancen wie auch Herausforderungen. Selbsthilfeaktive können digitale Selbsthilfeangebote zeit- und ortsunabhängig nutzen. Auch können durch digitale Angebote eine Vielzahl von Personen erreicht und eine Vielfalt an Erfahrungen ausgetauscht und als gemeinsamer Wissenspool genutzt werden. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass alle Menschen unabhängig von Behinderung, chronischer Erkrankung, Alter oder sozioökonomischen Faktoren von digitalen Angeboten profitieren und Zugang zu diesen erhalten. Denn die Corona-Pandemie hat nicht nur die Digitalisierung vorangetrieben, sondern auch deutlich gezeigt: digitale Teilhabe bedeutet gleichsam gesellschaftliche Teilhabe. Darüber hinaus soll durch digitale Anwendungen ein nachhaltiger Nutzen für Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfeaktive entstehen. Hierfür sind ausreichend Personal und finanzielle Mittel nötig – Ressourcen, die bei einer oftmals ehrenamtlich getragenen Selbsthilfe nur begrenzt zur Verfügung stehen.

Mit dem Ziel, Selbsthilfeorganisationen dabei zu unterstützen, neue Wege in der Selbsthilfe zu gehen und ihr Angebot zeitgemäß und barrierefrei auszuweiten sowie die digitale Teilhabe zu stärken, wurden im Rahmen des von der Aktion Mensch Stiftung geförderten Vorhabens „Digitale Teilhabe stärken: Pilotprojekt für barrierefreie Apps in der Selbsthilfe“ jeweils ein Prototyp für zwei Selbsthilfeorganisationen, den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und den Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen, entwickelt und Erfahrungen in Bezug auf die barrierefreie Entwicklung von Apps gesammelt. Die zukünftigen Nutzer*innen wurden als Expert*innen in eigener Sache in den Prozess der Entwicklung einbezogen. Auf der Grundlage des Pilotprojekts soll ein Hauptprojekt entstehen. In diesem sollen die Prototypen der Pilotphase weiterentwickelt werden und auch weitere Selbsthilfeorganisationen sollen das Angebot erhalten, individuell konzipierte und möglichst barrierefreie Apps zu entwickeln.

In dem Fachgespräch wurden die Ergebnisse und Erkenntnisse des Pilotprojekts sowie das geplante Hauptprojekt vorgestellt. Paloma Olszowka, Anne Willeke, Stefan Stadler und Friedhelm Peiffer waren am Pilotprojekt beteiligt und gaben einen kurzen Einblick in ihre Erfahrungen zum Projekt - aus der Perspektive einer App-Nutzerin, der administrierenden Selbsthilfeorganisation, des umsetzenden Technologiepartners sowie des Förderers.
Darüber hinaus hat Jasmin Hänel den aktuellen Stand sowie zukünftige Bedarfe bei der Digitalisierung in der gesundheitlichen Selbsthilfe in Deutschland erläutert. Nadja Ullrich hatte u.a. Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beleuchtet und Michael Wahl einen Einblick in gesetzliche Bestimmungen zur Umsetzung von Barrierefreiheit in Deutschland gegeben. Im Anschluss erfolgte ein gemeinsamer Austausch, bei dem Fragen der Teilnehmenden geklärt und Erfahrungen geteilt werden konnten.

An dem Fachgespräch aktiv beteiligt waren:

  • Paloma Olszowka, Vertreterin der Testnutzer*innengruppe des bvkm im Rahmen des Projekts „Digitale Teilhabe stärken: Pilotprojekt für barrierefreie Apps in der Selbsthilfe“
  • Friedhelm Peiffer, Leiter der Geschäftsstelle der Aktion Mensch Stiftung
  • Stefan Stadler, Geschäftsführer von vmapit GmbH
  • Anne Willeke, Bildungsreferentin des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm)
  • Michael Wahl, Leiter der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik
  • Jasmin Hänel, Expertin für Digitalisierung in der Selbsthilfe, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen - HAWK
  • Nadja Ullrich, Expertin im Bereich digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Aktion Mensch e.V.

Moderiert wurde das Fachgespräch von Leona Lüdeking, Referentin für das Projekt "Digitale Teilhabe stärken: Modellprojekt für barrierefreie Apps in der Selbsthilfe".

Vortrag Jasmin Hänel - Digitalisierung in der Selbsthilfe
Vortrag Nadja Ullrich - Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Vortrag Michael Wahl - Barrierefreiheit digitaler Anwendungen
Vortrag Leona Lüdeking - Modellprojekt SH-App

Zusammenfassung und Verabschiedung

Die Zusammenfassung der diskutierten Themen und der Ergebnisse des Tages erfolgte in Form eines Auftrittes des Improtainment-Duos Ziron & Papke, die in unterhaltsamer und improvisierter Form das Publikum zum Lachen, aber auch zum Nachdenken brachte.

 

Nach der offiziellen Verabschiedung durch die Moderatorin hatten alle Teilnehmenden noch die Gelegenheit, bei einem Get-Together die Themen und Diskussionen in persönlichen Gesprächen weiterzuführen und den interessanten Kongress-Tag ausklingen zu lassen.

Finanziert wurde der Paritätische Gesundheits- und Pflegekongress vor allem durch eine Förderung der Glücksspirale, aber auch durch die Präsenz von Ausstellenden vor Ort. Wer während des Kongresses keine Möglichkeit hatte, sich über die Angebote zu informieren, hat über das folgende Dokument nun die Möglichkeit, alle Produkte und Ansprechpersonen kennenzulernen.

Aussteller vor Ort - Ansprechpartner und Produkte

Mit dem News-Service des Paritätischen Gesamtverbandes auf dem Laufenden bleiben: Erhalten Sie aktuelle Infos aus dem Bereich Gesundheit, Teilhabe und Pflege sowie zum Paritätischen Gesundheits- und Pflegekongress 2023 per E-Mail.


Aktuelle Infos des Paritätischen Gesamtverbandes aus dem Bereich Gesundheit, Teilhabe und Pflege

„Selbstbestimmung und Vielfalt in der Geburtshilfe“ - Dokumentation der pro familia Webinarreihe

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Das WBVG und das sog. "Nebenkostenprivileg" bzgl. der Umlage der TV-Kabelanschlusskosten über die Betriebskosten

Durch das Ende des "Nebenkostenprivilegs" für die Kabelanschlussgebühren nach § 2 S. 1 Nr. 15 BetrKV für Wohnungsmieter*innen zum 30. Juni 2024 stellt… weiterlesen

Verbände des Kontaktgesprächs Psychiatrie fordern entschiedenes Handeln zur Stärkung der Suizidprävention

Im Sommer 2023 hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung in einem fraktionsübergreifenden Antrag aufgefordert, die Suizidprävention zu stärken.… weiterlesen

Mit Overlay-Tools mehr digitale Barrierefreiheit erreichen?

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