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Ausgabe 01 | 2022: GemEinsamkeit
Sozialpolitik

Migrant*innen mit und ohne Behinderung sagen: Wir sind Vielfalt!

Trotz Pandemie setzen die Beteiligten des Projektes “LebensWERTE Vielfalt inklusiv!” viele spannende Aktionen um.

„Wir sind Menschen. Menschen mit Wurzeln in verschiedenen Ländern dieser Welt. Wir leben in Deutschland. Schon immer. Schon lange. Seit ein paar Jahren oder kürzer. Wir sind Menschen. Wir sind jung, mitteljung oder älter. Wir haben eine Behinderung oder keine. Wir sind Menschen. Wir glauben an einen Gott oder an was anderes. Wir haben Vorlieben und Abneigungen, Stärken und Schwächen, Träume und Hoffnungen, Sorgen und Ängste, Sehnsüchte und Wünsche. Wir leben und lieben in Deutschland. Dieses Land hat ein Grundgesetz. Es schützt die Demokratie, die Freiheit und die Würde des Menschen.“

Gesprochen wird dieser Text von Zuhal zu Beginn des Films „Werte im Grundgesetz – die(se) sind uns wichtig." Die 48-jährige ist Mutter von zwei volljährigen Kindern, die beide von Geburt an mit Mehrfachbehinderungen leben. Gemeinsam mit ihnen hat sie mitgewirkt an der Produktion des oben genannten Films. Der Filmproduktionsworkshop ist einer von vielen Angeboten des Projektes „LebensWERTE Vielfalt inklusiv! (LEWI)“ des Trägers InterAktiv e.V., gefördert vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. InterAktiv e.V. ist eine Mitgliedsorganisation des Paritätischen Landesverbandes Berlin.

Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte sowie mit und ohne Behinderung sind eingeladen, sich kreativ mit der gemeinschaftlichen Gestaltung eines inklusiven Zusammenlebens in Vielfalt zu beschäftigen. Welche Werte stützen eine demokratische Gemeinschaft? In welchen Kontexten erleben wir ein auf demokratischen Werten basierendes Miteinander? Wie können wir mit gegenteiligen Erfahrungen umgehen? Die Suche nach Antworten auf diese Fragen ist im LEWI Projekt keine theoretische Angelegenheit. Im Gegenteil. Die Vielfalt der Teilnehmenden stellt die Gruppe bei jedem Event, Workshop und Familienseminar aufs Neue vor die Aufgabe mit der Diversität in ihrer Gemeinschaft konstruktiv umzugehen.

Aileen Dianne
Ein Foto der Kampagne

Musik schallt durch ein Berliner Foto-Studio. Zuhals Kinder Aleyna und Umut tanzen zusammen mit fünf anderen Teilnehmenden im goldenen Konfettiregen. Gemeinsam haben sie entschieden, dass dies ihre Vorstellung von Freiheit ist. Das Foto wird aufgenommen im ersten Teil eines mehrteiligen Fotokalenderworkshops. Das Ziel ist die gemeinsame Produktion eines Kalenders, der von der Vielfalt der Beteiligten und ihrem Wertediskurs erzählen will. Der Workshop findet statt am letzten Januarsonntag 2020. Die Nachrichten berichten von einer Epidemie in China. Noch ahnen wir nichts von einer weltweiten Pandemie und all den Herausforderungen, die sie mit sich bringt.

Mitte Februar besucht Zuhal mit ihren Kindern und dreißig anderen Teilnehmenden das interaktive Forum-Theaterstück „Der Planet der Würdevollen“. Der Stückentwicklung zugrunde liegen die Ergebnisse eines vorausgegangenen Gesprächskreises über Diskriminierungserfahrungen. Eine der Szenen erzählt von einem fiktiven Planeten mit Ämtern, in denen Sachbearbeiter einer zugewanderten Mutter von einem Kind mit Behinderung, die zum Überleben notwendige Sauerstoffration wegen fehlender Formulare verweigern.

Der Moderator befragt das Publikum nach Vorschlägen zur Veränderung der Szenerie und lässt diese auf der Bühne umsetzen. Zum Ende der Veranstaltung resümiert der 28-jährige Süleymann: „Ich bin froh hier Menschen zu treffen, die verstehen welche Erlebnisse ein Migrant mit Behinderung in Deutschland haben kann. Ich bin nicht allein!“.

Aileen Dianne
Ein Foto der Kampagne

Vier Wochen nach diesem Statement wird ein bundesweiter Lockdown ausgerufen. Zusammenkünfte und Veranstaltungen sind nicht nur untersagt, sie sind für einen großen Teil der Projektteilnehmenden aufgrund chronischer Vorerkrankungen ein Risiko. Gemeinsam suchen und finden wir Wege die Projektaktivitäten und den damit verbundenen Kontakt aufrecht zu erhalten.

Die Familien werden unterstützt bei der Organisation, Einrichtung und Nutzung von digitalen Zugängen. Die Redaktions- und Layout-Treffen für die Fertigstellung der Fotokalender finden in Messenger-Gruppen und Videomeetings statt. Niederschwellige Anleitungsfilme im Fortsetzungsformat erlauben Jugendlichen trotz Kontaktbeschränkungen die inklusive Produktion eines Rap-Songs zum Thema Vorurteile. Andere geplante Aktivitäten werden auf ähnliche Weise durchgeführt. Das Theaterstück „Hans im Glück“ wird live gestreamt! Wir sind im Kontakt.

Zur Kalenderpräsentation im August treffen viele der Teilnehmenden das erste Mal wieder aufeinander. „Ich bin stolz auf uns alle!“, kommentiert die zwölfjährige Ranim das Ergebnis. Es hätte schon vor der Pandemie genug Gründe für dieses Lob gegeben. Die Gruppengemeinschaft konnte nur entstehen, weil alle Beteiligten bereit sind die Unterschiede einer jeden teilnehmenden Person anzuerkennen, zu akzeptieren und mit dieser auch in kontroversen Situationen konstruktiv umzugehen.

Die Pandemie hat viel verändert. Der im LEWI Projekt entstandenen Gemeinschaft konnte sie aber nichts anhaben.

Yasmina Ouakidi

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