Liebe Leser*innen,
der Mensch ist ein geselliges Lauftier. Der Mensch lebt in Gemeinschaften, in Kreisen von Kontakten und Beziehungen um sich herum, im Mittelpunkt die stärksten Beziehungen, immer noch meist die Familie, und drum herum mit meist abnehmender Intensität Kolleg*innen, Nachbarn, Jugendfreund*innen, Schul- und Studienkamerad*innen, Kirchengemeinden sowie Interessen- und Hobby-Gemeinschaften uvm. Gruppen finden sich und lösen sich wieder auf, Netzwerke entstehen und jede*r kann sie als Teil des Netzwerkes aktiv mitgestalten. Solche Netzwerke bieten vielfältige Hilfe und, kein bisschen weniger wichtig, das Gefühl: man wird gebraucht. Geselligkeit ist ein anregender und Leben spendender Möglichkeitsraum.
Menschen haben eine gute Lebensqualität und ein langes Leben, wenn sie gut gebildet sind und wenn sie ein gutes Einkommen haben. Geld ist in der Marktgesellschaft der Generalschlüssel für Teilhabe, und Bildung eröffnet Zugänge zur Welt und zu Menschen und damit größere Freiheit bei der Gestaltung des eigenen Lebens. Für die Gesundheit und Lebensdauer ebenso wichtig sind: ein starkes Selbstwertgefühl, also die Sicherheit, selbst gesetzte Ziele erreichen zu können (Selbstwirksamkeit), das Erleben von Sinn und die Eingebundenheit in gegenseitig hilfreiche soziale Netzwerke. Bricht oder schwindet diese Eingebundenheit oder Geselligkeit, dann sinkt die Lebensqualität und die Anfälligkeit für Krankheit steigt. Sozial bedingt ungleich verteilte Gesundheitschancen und -ressourcen führen dazu, dass sich (unfreiwillige) Einsamkeit sehr viel häufiger bei armen Menschen findet. Einsamkeit vermindert die körperliche Aktivität, erhöht das Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit, führt zu mehr Alkoholkonsum und mindert die Schlafqualität. Das alles beschädigt nicht nur Lebensqualität und Gesundheit, sondern bleibt auch nicht ohne Wirkung auf die Lebensdauer. Studien zufolge kann Einsamkeit das Sterberisiko um circa 50 Prozent erhöhen; wenn die Einsamkeit als unglücklich empfunden wird, sogar um 90 Prozent.
Vereinzelung des Menschen in der Moderne ist seit 100 Jahren Thema der Soziologie und der Sozialpsychologie. Das Thema ist also nicht neu, aber die Folgen werden jetzt immer sichtbarer. Die Zahl der Singlehaushalte steigt kontinuierlich: Waren es 1996 noch rund 12,7 Mio., sind es 2019 rund 17 Mio. Das klassische Modell der Drei-Generationen-Familie mit drei und mehr Kindern unter einem Dach kommt immer seltener vor. Die häufigste Wohnform ist der Singlehaushalt, rund 41 Prozent der Bevölkerung leben allein in einer Wohnung, so das Statistische Bundesamt. 2020 lebten 22,4 Prozent aller Männer ab 15 Jahren allein, bei den Frauen waren es 24,2 Prozent. Im Sommer 2020 lag nach dem Deutschen Alterssurvey der Anteil einsamer Menschen im Alter von 46 bis 90 Jahren bei knapp 14 Prozent und damit 1,5-mal höher als in den Befragungsjahren 2014 und 2017. Die Corona-Pandemie hat durch das Herunterfahren des öffentlichen und sozialen Lebens die negativen Auswirkungen des Mangels an stabilen sozialen Kontakten deutlich werden lassen.
In diesem Heft unter dem Titel „GemEinsamkeit" stellen wir Ihnen vielfältige und nachdenkenswerte Ansätze, Projekte und Initiativen aus unserer Mitgliedschaft zur Überwindung von Einsamkeit vor. Wir wünschen Ihnen viel Anregungen und Spaß beim Lesen
Herzlich, Ihr