Zum Hauptinhalt springen
hier klicken um zum Inhalt zu springen
Ausgabe 01 | 2025: Weiblichkeit*en
Schwerpunkt

Frauenpolitische Arbeit im Paritätischen Gesamtverband – warum wir tun, was wir tun

Was bedeutet Frauenpolitik in der Wohlfahrt eigentlich und was machen wir? Unsere Referentin Katrin Frank gibt Einblicke in ein weites und buntes Feld.

Definition des Begriffs "Frauen"

Mit Frauen sind für den Paritätischen Gesamtverband alle Frauen und Mädchen gemeint und inkludiert, somit auch trans* Frauen und intergeschlechtliche Menschen, die in der weiblichen Geschlechtsrolle leben. Diese Definition beinhaltet zudem jegliche Akzeptanz von Lebensformen und sexueller Orientierung jenseits heteronormativer Entwürfe.

Frauenpolitische Lobbyarbeit in der Wohlfahrt? Das macht Sinn. Denn es ist die Wohlfahrt, die größtenteils Träger von Frauenhäusern, Beratungsstellen, Mädchentreffs und Initiativen für geflüchtete Frauen ist. Sie muss letztendlich umsetzen, was in den Wahlprogrammen der Parteien beschrieben und Koalitionsvereinbarungen beschlossen wurde. Und der Paritätische? Der hat sich immer wieder an den aktuellen Diskursen beteiligt. Sei es durch seine Positionierung zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, sei es durch die Forderung nach einer vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention oder sein Einsatz für eine Abschaffung des Ehegattensplittings. Doch wie legt so ein Verband diese Einmischung fest? Und wer gibt Anstöße hierzu und mit welchen Partnern arbeitet der Paritätische strategisch im Bereich Frauen?

Innerverbandliche frauenpolitische Arbeit

Positionen zu kritischen gesellschaftspolitischen Themen fallen nicht einfach vom Himmel oder vom Kopf in die Tastatur der Person, die sie ausformulieren darf, nein: Es gibt einen starken und progressiven Arbeitskreis zum Thema Frauen, dem Referent*innen aus den Paritätischen Landesverbänden sowie Vertreter*innen des BV Trans* und des LSVD⁺ angehören. Sie diskutieren, loten aus und tragen neue Impulse in die Arbeit des Gesamtverbands hinein. Denn sie sind es, die nahe an den Trägerstrukturen vor Ort sind. Traditionell hat der Arbeitskreis seinen Fokus auf dem Thema Gewaltschutz. Das sollte auch so sein. Denn der Paritätische ist mit derzeit 141 Frauenhäusern und 196 Frauenberatungsstellen bundesweit der größte Träger in diesem Bereich. Aber auch Themen wie sexuelle und reproduktive Rechte, Antifeminismus und Fragen der allgemeinen Gleichstellungspolitik diskutieren die Kolleg*innen miteinander. Hier bestehen auch Synergien und personelle Verbindungen zum Arbeitskreis Familienhilfe/-politik und Frühe Hilfen. Das macht Sinn, denn die Situation und Lage der Schwangerschaftsberatungsstellen, Themen der sexuellen Bildung und Sexualpädagogik sind in beiden Themengebieten wichtig. Auch ist gute Familienpolitik immer auch gute Gleichstellungs- und Frauenpolitik. Das wissen auch die Geschäftsführung, der Vorstand, der Verbandsrat und die Konferenz der großen überregionalen Mitgliedsorganisationen im Paritätischen Gesamtverband. Insbesondere die dort vertretenen Frauen sorgen immer wieder für eine progressive feministische Verbandspolitik und stützen die Positionen, die es zu verabschieden gilt.  

Katrin Frank (sie) ist Referentin Familienhilfe/-politik, Frauen und Frühe Hilfen.

Die Aufgabe von mir, also der frauenpolitischen Referentin auf der Bundesebene, ist es dann, sich für diese Themen im Verbandsalltag einzusetzen, Positionierungen vorzubereiten, sich aber auch entsprechend zu vernetzen, damit der Paritätische als Wohlfahrtsverband über den eigenen Tellerrand schauen kann: Hier ist das Forum Menschenrechte ein wichtiger Partner, ein Zusammenschluss von über 50 Menschenrechtsorganisationen, die bundesweit, aber teilweise auch international tätig sind. Dazu zählen z. B. Organisationen wie Amnesty International, der Deutsche Frauenrat, Pro Asyl und Medica Mondiale. Der Paritätische bringt sich dort inhaltlich in die Arbeitsgemeinschaften Flucht/Migration, Soziale Rechte und in die AG Rechte von Frauen und LSBTI* ein. In den letzten beiden Jahren hat der Gesamtverband so u.a. an Austauschrunden mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser, dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte sowie der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung teilnehmen können.

Gute Frauenpolitik braucht gute Kampagnen und Ausdauer

Mit der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und dem Gewalthilfegesetz standen frauenpolitisch zwei politische Großbaustellen im Fokus des Verbandes. Der Paritätische war deshalb auch Erstunterzeichner von feministischen Aufrufen, die seine Mitgliedschaft betrafen: So war er z.B. auch Teil der vom Deutschen Frauenrat initiierten Aktion und Petition „Gewaltschutz für alle – JETZT!“. Er unterstützte auch pro familia bei der Gründung einer Strategiegruppe zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Gemeinsam führten sie im April 2024 ein Auftakttreffen durch.  

Dass der Paritätische seit jeher frauenpolitischen Biss und Ausdauer besitzt, bewies er v.a. auch um die Jahrtausendwende, als aus dem von ihm initiierten Projekt zur besseren Koordination der Gewaltschutzarbeit innerhalb der Wohlfahrt der Verein Frauenhauskoordinierung gegründet wurde. Aus einer kleinen Geschäftsstelle ist über die Jahre eine NGO erwachsen, die sich mit bundesweiter Strahlkraft im Dienst der Wohlfahrt für die Frauenhaus- und Frauenberatungsstellenarbeit in Deutschland einsetzt.   

Frauenpolitik ist Querschnittsarbeit

Frauenpolitik mit Durchsetzungskraft ist aber nur möglich, wenn alle im Verband an einem Strang ziehen. Das frauenpolitische Engagement des Verbandes wird keinesfalls nur von den Kolleg*innen gestaltet, die das auf ihrem Türschild stehen haben. Ganz egal ob in den Landes- oder Bundesverbänden: Es sind zahlreiche Kolleg*innen in ganz unterschiedlichen Bereichen, die das Thema immer wieder bespielen. Besonders gilt das für die Behindertenhilfe, die Eingliederungshilfe, die Kolleg*innen aus dem Bereich Flucht und Migration und viele mehr. Die Liste ist lang. Nicht zu vergessen auch die Landesgeschäftsführungen, die in den vergangenen Jahren vielfältiger und v.a. auch weiblicher wurden.  

Fazit: Wer den Paritätischen von außen und innen betrachtet, dem fällt auf, dass der Verband seinem Namen im Bereich der Frauenpolitik meist gerecht wird. Wobei auch hier gilt: work in progress. Paritätische Teilhabe als Ausdruck einer aktiven Gleichstellungspolitik ist für ihn jedenfalls keine Floskel. Sie ist gelebte Realität. Kurzum: Drauf steht, was drinnen enthalten ist. Im 101. Jahr seines Bestehens ist dies mit Blick auf die Gesellschaft und die antifeministischen Diskurse von rechten und antidemokratischen Kräften wichtiger denn je zu betonen.

Inhaltsverzeichnis
zurück zum Seitenanfang