
Warum trans*sensible Pflege?
Seit fast zwanzig Jahren gibt es die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Sie ist getragen von dem Gedanken der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, wie sie Artikel 1 unseres Grundgesetzes festschreibt, und sie stellt ein selbstbestimmtes Leben und die Hilfe zur Selbsthilfe an die erste Stelle der Charta. In den acht Artikeln wird beschrieben, welche Praxis sich daraus notwendigerweise ergibt. So heißt es etwa in Artikel 4: „Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf eine an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtete, gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege, Betreuung und Behandlung.“
Damit ist im Grunde beantwortet, warum es eine trans*sensible Pflege geben muss, denn alle Menschen haben ein Recht auf eine bedarfsgerechte und qualifizierte Pflege. Das heißt, spezifische Bedarfe und Bedürfnisse von trans*Personen müssen im Pflegealltag Berücksichtigung finden. Was wiederum bedeutet, diese spezifischen Bedarfe überhaupt zu kennen. Dass in dem „alle Menschen“ heute auch trans*Menschen mitgemeint sind, mag all jenen, für die Inklusion eine nicht verhandelbare Praxis bedeutet, selbstverständlich erscheinen, doch ein Blick in die bestehenden Pflegeeinrichtungen und Infrastrukturen der Altenhilfe gibt ein anderes Bild wieder.

Doch die Ignoranz nimmt ab, so viel lässt sich sicher sagen. Gleichwohl stehen wir nach wie vor noch am Anfang. Überall dort jedoch, wo Inklusion ernstgenommen wird, ist auch eine große Bereitschaft zu erkennen, das Wissen durch Fortbildung zu erweitern. In den letzten Jahren hat sich hier einiges getan – beispielhaft sei das inzwischen abgeschlossene Projekt „Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LSBTIQ*“ der AWO genannt mit einer Reihe von Modellstandorten. Aber auch die wertvolle Arbeit der Schwulenberatung in Berlin ist zu erwähnen, die bundesweit Zertifizierungen in Sachen queersensible Pflege durchführt. Entscheidend für die Zukunft wird sein, mit der Wissensvermittlung und Sensibilisierung dort zu beginnen, wo sie besonders sinnvoll ist, nämlich in der Ausbildung.
Trans*Personen haben vom heteronormativen Mainstream abweichende Biografien, die oft von Kämpfen um Anerkennung und Akzeptanz geprägt sind und ebenso von Diskriminierungserfahrungen und sozialen Ausschlüssen. Trans*Personen, die pflegebedürftig werden, bringen nicht-heteronormative Körper mit. Das ist ein Aspekt, der eine besondere Sensibilisierung in der Pflege verlangt. Transitionen verlaufen individuell verschieden mit Blick auf körperverändernde Maßnahmen mit dem Resultat einer jeweils unterschiedlichen Körperlichkeit. Trans* ist nichts Homogenes – nicht alle trans*Menschen sind gleich. Eine vertrauensvolle Kommunikation ist ebenso unabdingbar wie eine adäquate Sprache. Gerade das Thema trans* zeigt, dass personenzentriertes und biografieorientiertes Arbeiten unverzichtbar sind. Das lässt sich lernen und hilft am Ende denen, die Pflege in Anspruch nehmen, und denen, die pflegen.