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Ausgabe 01 | 2025: Weiblichkeit*en
Schwerpunkt

Was wurde aus den frauenpolitischen Vorhaben der Ampel?

Die gerade beendete Bundesregierung wollte einige gesetzliche Verbesserungen für Frauen* auf den Weg bringen. Wir fragen drei Expertinnen, was aus einzelnen Ankündigungen wurde.

Miriam Hoheisel zum Familienrecht

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Im Familienrecht hatte die Ampel mit einer Reform des Unterhalts- und Kindschaftsrechts große Pläne. Beim Unterhaltsrecht ging es darum, Folgen eines „asymmetrischen Wechselmodells“ auf den Kindesunterhalt gesetzlich zu regeln. Kern war ein konkretes Rechenmodell, bei dem zwar beide Elternteile in die Barunterhaltspflicht genommen werden, aber weiter ein reduzierter Unterhalt an den Lebensmittelpunkt des Kindes fließt. Dieses Grundmodell hält der VAMV für vertretbar, hat aber gleichzeitig viel Nachbesserungsbedarf angemahnt: Übergangsfristen von Erwerbsobliegenheiten bei familienbedingten Nachteilen fehlen ebenso wie das Berücksichtigen von Umgangsmehrbedarfen. Bereits 29 Prozent Mitbetreuung als erweiterten Umgang zu werten ist zu früh. Denn eine substanzielle Entlastung in Alltag ist Voraussetzung, fehlenden Kindesunterhalt durch mehr Erwerbsarbeit ausgleichen zu können. Zudem ist der Gesetzgeber gefragt, auch für das paritätische Wechselmodell faire Lösungen zu normieren.

Im Kindschaftsrecht ging es um eine „Modernisierung“ sowie um einen besseren Gewaltschutz. Umgangsrechte werden oft auf Kosten des Gewaltschutzes umgesetzt. Der Entwurf sah einerseits gute Regelungen vor: bei häuslicher Gewalt klarzustellen, dass die gemeinsame Sorge nicht zumutbar ist und ein Prüfschema zu etablieren, ob Umgang vertretbar ist oder nicht. Andererseits setzte der Entwurf auch an entscheidenden Stellen Weichen, die diese Verbesserungen konterkarieren. Stichworte hierzu sind ein automatisches Sorgerecht und mehr Elternautonomie, ohne informierte Entscheidungen sicher zu stellen. Auch die Reform des familiengerichtlichen Verfahrens sah wichtige Schritte auf dem Weg zu einem verbesserten Gewaltschutz vor, auch wenn in einigen Punkten dringender Nachbesserungsbedarf bestand, um einen umfassenden Schutz sicher zustellen. Hier gibt es in der Praxis große Probleme, wenn pseudowissenschaftliche Entfremdungskonzepte Grundlage gerichtlicher Entscheidungen sind.

Nachdem alle Reformen im Familienrecht gescheitert sind, ist eine neue Bundesregierung gefragt, diese zu einem guten Abschluss zu führen.

Miriam Hoheisel ist Bundesgeschäftsführerin Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV)

Weitere Informationen rund um das Familienrecht finden Sie auf der Homepage des VAMV

Stephanie Schlitt zum § 218

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Alles muss man selber machen“, titelte die taz zum Gesetzentwurf zur außerstrafrechtlichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, den pro familia zusammen mit 26 Verbänden im Oktober 2024 veröffentlichte. Dass die Zivilgesellschaft selbst einen Gesetzentwurf entwickelt, hat Seltenheitswert. Dahinter standen unser fachliches Sendungsbewusstsein und unsere Wut und Verzweiflung. Sendungsbewusstsein, denn § 218 widerspricht dem Grundgesetz, den Menschenrechten der Betroffenen und der internationalen Gesundheitsevidenz. Und Wut und Verzweiflung, denn die Reaktion von Bundesregierung und Bundestag auf aktuelle Forschung zu den schwierigen Erfahrungen von ungewollt Schwangeren, Ärzt*innen und Berater*innen mit § 218 und auf dringliche Empfehlungen einer Expertinnenkommission, dass und wie das Gesetz reformiert werden muss, war Tatenlosigkeit. Tatenlosigkeit angesichts immer längerer Wege ungewollt Schwangerer zur einer guten Gesundheitsversorgung, hohem Zeit- und Gelddruck in einer ohnehin sensiblen Lebenslage, Gefühlen der Bevormundung – das ist inakzeptabel.

Eine Gesetzesreform zur Abstimmung zu bringen und zu beschließen – das konnten wir dann nicht „selber machen“. Der Bundestag rang sich nicht dazu durch. Und das, obwohl trotz des vorgezogenen Endes der Wahlperiode alle Zeichen auf eine Gesetzesänderung standen: Wenn drei Viertel der Wähler*innen aller Parteien Unterstützung signalisieren und knapp unter der Hälfte aller Bundestagsabgeordneten einen kompromissorientierten Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestags unterzeichnen, dann ist klar, § 218 lässt sich nicht länger wegatmen. Auch den Abgeordneten der Parteien, die eine Abstimmung verhinderten, wurde das Recht genommen, ihrem Gewissen folgend Verantwortung für die Weichenstellung zum Schwangerschaftsabbruch zu übernehmen. Jetzt sind die Bundesregierung und der Bundestag der nächsten Wahlperiode in der Pflicht, ein Gesetz zu beschließen, mit dem Menschen, die ungewollt schwanger werden können, endlich respektiert und gut unterstützt werden.

Stephanie Schlitt ist Vorständin beim pro familia Bundesverband e.V.

Sibylle Schreiber zum Gewalthilfegesetz

Das Gewalthilfegesetz markiert einen historischen Schritt: Erstmals wird in Deutschland ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder gesetzlich verankert. Damit wird die staatliche Verantwortung für den Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt anerkannt – ein zentraler Fortschritt, für den sich Frauenhauskoordinierung e.V. und viele andere Verbände seit vielen Jahren eingesetzt haben.

Das Gesetz, in das viele Forderungen der zivilgesellschaftlichen Akteure eingearbeitet wurden, schafft die Grundlage für ein flächendeckendes, bedarfsgerechtes Hilfesystem. Es gibt den Trägern von Frauenhäusern und Beratungsstellen Planungssicherheit und sichert deren Finanzierung, an der sich der Bund mit 2,6 Milliarden Euro beteiligt. Damit wird das Hilfesystem endlich aus der Abhängigkeit von freiwilligen staatlichen Leistungen befreit.

Leider bleibt das Gesetz teilweise aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der Rechtsanspruch tritt erst 2032 in Kraft – eine unzumutbare Verzögerung angesichts der akuten Gewaltproblematik: Schon jetzt fehlen ca. 14.000 Frauenhausplätze. In der Zwischenzeit bleibt das Hilfesystem unterversorgt, viele Betroffene werden weiterhin keinen Zugang zu Schutz finden.

Personengruppen wie trans*, inter* und nicht-binäre Menschen sowie Frauen mit prekärem Aufenthaltsstatus werden im Gesetz unzureichend berücksichtigt. Das widerspricht dem Anspruch der Istanbul-Konvention, alle Betroffenen gleichermaßen zu schützen. Auch Prävention und Täterarbeit werden nur vage angesprochen, ohne konkrete Maßnahmen oder finanzielle Mittel zu benennen. Hinzu kommen bürokratische Hürden: Analysen, Berichtspflichten und Statistiken binden Ressourcen, die dringend in den Ausbau der Hilfsangebote fließen müssten. Und so sehr ein individueller Rechtsanspruch als treibender Motor für den Ausbau des Hilfesystems wichtig ist, bedeutet er im Ernstfall, dass Betroffene neben ihrer Gewaltbewältigung nun auch noch den Rechtsweg beschreiten müssten.

Trotz dieser Kritikpunkte ist das Gewalthilfegesetz ein wichtiger Anfang. Es macht deutlich, dass geschlechtsspezifische Gewalt kein privates Problem ist, sondern ein gesellschaftliches Unrecht, das staatliches Handeln erfordert. Nun gilt es, die Umsetzung pro-aktiv zu begleiten und die bestehenden Lücken zu schließen – für einen echten Schutz aller Betroffenen.

Sibylle Schreiber ist Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung

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