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Ausgabe 04 | 2021
Schwerpunkt

Mehr Beteiligung für junge Menschen! Interview mit Dominik Ringler (KIJUB)

Ein Interview mit Dominik Ringler, Projektleiter vom Kompetenzzentrums Kinder- und Jugendbeteiligung (KIJUB) Brandenburg.

Die kommunale Jugendbeteiligung ist seit drei Jahren gesetzlich in der Brandenburger Kommunalverfassung verankert. Was bedeutet das konkret?

Mit der Aufnahme des §18a in die Brandenburger Kommunalverfassung hat der Gesetzgeber eine Norm geschaffen, die den Zweck hat, Kinder und Jugendliche stärker im kommunalen Willensbildungsprozess zu berücksichtigen und damit ihr Interesse an kommunalen Geschehensabläufen zu wecken. Dieses „Beteiligungs-Muss“, junge Menschen an „allen sie berührenden Gemeindeangelegenheiten“ zu beteiligen, gilt in Brandenburg für alle Kommunen und auch die Landkreise. Die einstimmige Entscheidung des Brandenburger Landtags ist in einer Linie mit anderen richtungsweisenden Regelungen zu sehen. Dazu gehört beispielsweise, dass Jugendliche seit 2011 schon ab 16 Jahren das Wahlrecht für die Kommunal- und das Landtagparlamente haben, was überaus begrüßenswert ist. Dieser erklärte politische Wille, dass junge Menschen in ihrer Lebenswelt mehr und mehr mitentscheiden sollen, hat eine ganze Reihe an positiven Effekten. Dies einerseits für die Jugendlichen selbst: Beteiligung stärkt die Persönlichkeit, fördert die Resilienz und trägt erheblich bei zur allgemeinen und politischen Bildung. Aber auch die Gesellschaft profitiert, weil Beteiligung grundsätzlich die Demokratie fördert.

Können Sie das konkretisieren?

Auf der Kommunalebene wird Beteiligung sehr konkret. Denn dort können junge Menschen anhand überschaubarer, direkt auf ihren Sozialraum bezogener Prozesse praktisch und lebensnah an für sie zentrale Gestaltungsbereiche herangeführt werden, Planung- und Umsetzung mitgestalten und neue Projekte anstoßen. Meint: Sie können direkte Wirkung entfalten; und das motiviert: Viele Kommunen konnten mittlerweile feststellen, dass der Einbezug junger Menschen positiven Einfluss auf die Stadtentwicklung hat, z.B. auf die Zusammensetzung der Bevölkerung (Zuzug bzw. Rückkehr von jungen Erwachsenen und Familien) und die Wirtschaft. Es gilt aber zu beachten: Beteiligung funktioniert dort besonders gut, wo sie ganzheitlich im Sinne einer „kinder- und jugendgerechten“ Kommune gedacht und umgesetzt wird. Das beinhaltet, dass es eine klare politische Haltung geben muss und Beteiligung „von Anfang an“ gedacht und geplant wird.

DasKompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg (KiJuBB) setzt Partizipation auf kommunaler und institutioneller Ebene praktisch um. Wie schaffen Sie Beteiligungsmomente, die einen tatsächlichen Einfluss haben?

Ganz wichtig ist: Die Beteiligung junger Menschen darf kein schmückendes Beiwerk oder eine Eintagsfliege sein. Das gilt sowohl für Kommunen als auch z.B. für die von KiJuBB ebenfalls unterstützten Hilfen zur Erziehung. In allen praktischen Beratungs- und Begleitprozessen muss vor Ort immer wieder betont werden, dass Kinder- und Jugendbeteiligung nur dann Sinn macht, wenn es dafür langfristige Strategien und klare Strukturen gibt, also Beteiligungskonzeptionen und (kommunale Verwaltungs-) Leitfäden. Junge Menschen brauchen nicht nur verlässliche Rahmenbedingungen, sondern auch direkte Ansprechpartner*innen. Dafür müssen zum einen die notwendigen zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen bereitgestellt werden. Es muss aber auch klar sein, dass die jungen Leute ergänzende Unterstützung brauchen, schon um die eigenen Interessen überhaupt zu identifizieren und sie dann auch gegen Widerstände eigenständig zu vertreten. Dafür wiederum sind Empowerment-Konzepte und ein breiter Konsens nötig.

Was sind aus Ihrer Sicht Erfolgsfaktoren für gelingende Beteiligungsprozesse?

Es gehört zu den unmittelbaren Erfolgen des Brandenburger „Beteiligungsparagraphen“, dass es inzwischen über 40 aktive Kinder- und Jugendgremien im Land gibt. Um diese große Engagementbereitschaft zu pflegen, möglicherweise zu steigern, darf die Jugendbeteiligung vor Ort nicht auf den Schultern einer Person liegen, sondern muss von einem Netzwerk getragen werden. Außerdem gilt es bei der Entscheidung darüber, ob die Beteiligung nun über Parlamente oder themenspezifische Projekte, über Workshops oder Befragungen erfolgen soll, die jeweilige Situation vor Ort zu berücksichtigen. Beteiligung darf weder auf der Seite der Kinder und Jugendlichen noch auf der Seite der Erwachsenen und Institutionen über die Kapazitäten gehen. Und nicht zuletzt gilt es zu entscheiden, was denn nun konkret mit den Ergebnissen aus Beteiligungsprozessen passiert. Das sollte bereits zu Beginn jedes Beteiligungsvorhabens grundsätzlich geklärt sein, denn dabei geht es darum, wieviel an tatsächlichem Einfluss jungen Menschen zugestanden werden soll.

Welche Themen bewegen junge Menschen, wo möchten sie mitsprechen?

Nach der Brandenburger Kommunalverfassung sind die Kommunen verpflichtet, Kindern und Jugendlichen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte an „allen sie berührenden Gemeindeangelegenheiten“ zuzusichern. Das betrifft zunächst einmal kinder- und jugendspezifische Themen und Angelegenheiten, die mit dem unmittelbaren Lebensumfeld junger Menschen zu tun haben und in die Zuständigkeit der Gemeinde fallen. Die Themen junger Menschen sind sehr vielfältig, sie interessieren sich z.B. für Orte (Freiräume), an denen sie sich aufhalten können, die Abfahrtszeiten der Busse in die Nachbargemeinde oder in die Schule, Zugänge zum Internet, aber auch für Sport- und Freizeitangebote. Sie möchten verstehen, wie kommunale Entscheidungsprozesse funktionieren und wer zuständig ist, warum Entscheidungen manchmal lange dauern und warum sie manchmal nicht sofort umgesetzt werden können. Über die unmittelbar lebensweltbezogenen Gestaltungsräume hinaus interessieren sich Kinder und Jugendlich aber auch für regionale, nationale und weltweite Themen wie Umwelt- und Klimaschutz oder Nachhaltigkeit.

Und finden die Stimmen junger Menschen zu diesen übergeordneten Themen ebenfalls Gehör in der Brandenburger Politik?

In Brandenburg konnte mit dem „Jugendforum Nachhaltigkeit“ nun eine Initiative junger Menschen hoffentlich über eine feste Struktur an KiJuBB angebunden werden, die u.a. die Landesnachhaltigkeitsstrategie und den Klimaplan kritisch begleiten möchte, sich aber auch mit konkreten Angeboten in Form von Workshops an die jungen Leute im Land richtet.

Trotz vieler positiver Entwicklungen werden Kinder und Jugendliche aber noch längst nicht bei allen Entwicklungen ausreichend beteiligt. Bei den Strukturwandelprozessen in den Kohleausstiegsregionen - in Brandenburg ist das die Lausitz - fehlt es bislang an einer strukturell verbindlichen Einbindung der Interessen junger Menschen.

Gibt es etwas, dass Sie von der zukünftigen Bundesregierung für die Umsetzung und Verstetigung von Jugendbeteiligung erwarten?

Zum einen ist es höchste Zeit die Beteiligung junger Menschen als Teil der Kinderrechte gut im Grundgesetz zu verankern. Die Absenkung des Wahlalters, mit der in Brandenburg und anderen Bundesländern gute Erfahrungen gemacht wurden, sollte (wie in Österreich) auch auf der Bundesebene erfolgen. Weiterhin kann die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen durch weitere Maßnahmen auf der Bundesebene unterstützt werden, wie z.B. die Verstetigung der Maßnahmen aus der Jugendstrategie der Bundesregierung (u. a. das Projekt Starke Kinder- und Jugendparlamente), Einrichtung einer Bundesstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung für die bundesweiten Themen und Prozesse und zur Unterstützung und Vernetzung der Arbeit der Service- und Fachstellen der Bundesländer oder durch einen nationalen Aktionsplan.

Weitere Infos

KiJuBB – Das Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg ist ein Projekt der Stiftung Wohlfahrtspflege Brandenburg – Gemeinschaftsstiftung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Brandenburg. Es gliedert sich in die Fachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung (kommunal) und die Fachstelle Beteiligung in den Hilfen zur Erziehung (HzE). Seine Aufgabe ist es, die demokratischen Teilhabemöglichkeiten zu fördern. Es berät zu Themen der Kinder- und Jugendbeteiligung. Neben Kommunen, Landkreisen, Trägern und Einrichtungen sind junge Menschen selbst die wichtigste Zielgruppe der Arbeit.

Kontakt: Tornowstr. 48, 14473 Potsdam

kontakt(at)kijubb.de

www.jugendbeteiligung-brandenburg.de

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