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Ausgabe 05 | 2023: Pflege
Schwerpunkt
Gastbeitrag

Ein „Weiter so“ führt gegen die Wand

Dr. Bernadette Klapper, Geschäftsführerin vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe schreibt, wie die Arbeit in der Pflege wieder attraktiv werden könnte.

Wir alle wissen, dass uns in den kommenden 20 bis 30 Jahren die volle Wucht des demografischen Wandels treffen wird. Dabei ist die Alterung unserer Gesellschaft hart erarbeitet und Ergebnis von Fortschritt und guter Gesundheitsversorgung. Wir sollten uns also freuen, in einer Gesellschaft der Langlebigkeit leben zu dürfen.

In einer Gesellschaft der Langlebigkeit wird allerdings unser Gesundheitswesen stärker und anders gefordert. Denn tatsächlich verändern sich Stellenwert und Aufgaben professioneller Pflege, wenn mehr ältere Menschen Unterstützung benötigen und mehr chronisch und mehrfach Erkrankte gut begleitet werden wollen, damit sie lange gut zurechtkommen. Die Bedeutung guter Pflege steigt und es wird überdeutlich, dass Medizin ohne Pflege ihre Wirkung verliert.

Gleichzeitig stecken wir aktuell in einem ernsthaften Pflegenotstand, der über den allgemeinen Fachkräftemangel hinausgeht. Aber woran liegt das?

Drei Gründe scheinen in diesem Zusammenhang wesentlich zu sein:

1. Deprofessionalisierung

Der Wissenschaftsrat hatte bereits 2012 eine Akademisierungsrate von 10 bis 20 Prozent für die Pflegeberufe empfohlen. Diese Forderung wurde aber nicht hinreichend umgesetzt. Zehn Jahre später werden keine 4 Prozent erreicht. Vielmehr ist das Gegenteil zu beobachten: Bildungsstandards und Fachkraftquoten wurden gesenkt.

2. Ausdünnung des Pflegepersonals

Mit der Einführung der DRG-Finanzierung in den Krankenhäusern wurde Pflege zum Kostenfaktor degradiert und Personal abgebaut. Gleichzeitig verdichtete sich die Arbeit. Zwar hat die Politik mit dem Pflegebudget versucht umzusteuern, aber dies kam zu spät: Der Arbeitsmarkt hält jetzt zu wenig Fachkräfte bereit.

3. Fremdbestimmung

Pflege wird im Gesundheitssystem keine Eigenständigkeit zugetraut. So wird zum Beispiel häusliche Krankenpflege ärztlich verordnet, trotz Vorbehaltsaufgabe der Pflege zur Einschätzung des Pflegebedarfs. Die andauernde Fremdbestimmung der professionellen Pflege ist der am wenigsten beachtete, vielleicht aber kritischste Punkt für den Zustand der Berufs(un)zufriedenheit in der Pflege.

Dr. Bernadette Klapper

All das ist ein Desaster für einen Beruf, der so viel zu bieten hat und der für seine Ausübung breite wie differenzierte Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. Professionelle Pflege steht die sensibelsten und schambehaftetsten Augenblicke mit uns durch und sorgt insgesamt dafür, dass die Gesundheitsversorgung am Laufen bleibt.

Pflege in Deutschland stand noch nie so sehr am Abgrund. Wenn sie abstürzt, ist es aber nicht die Pflege, die verlieren wird. Denn die Pflegenden werden einfach den Beruf verlassen. Verlieren wird unsere Gesellschaft als Ganze, denn der Verlust für unsere Gesellschaft betrifft die Aufgabe der Solidarität mit den Schwächeren und damit die Aushöhlung des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft.

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