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Ausgabe 06 | 2022: Jugend partizipiert
Schwerpunkt
Frankfurt am Main hat nicht nur sehr hohe Gebäude, sondern auch tolle Partizipationsprojekte.
Interview

FraPa – ein Frankfurter Jugendpartizipationsprojekt

Das Frankfurter Partizipationsprojekt (FraPa) war ein Projekt für Jugendliche von 12 bis 18 Jahren, die in Frankfurt am Main leben und etwas verändern möchten. Das Projekt fand von Januar 2019 bis Dezember 2021 statt. Sarah Volk vom Paritätischen Bildungswerk Bundesverband e.V. hat das Projekt gemeinsam mit ihrem Kollegen Marc Melcher verantwortet und uns mehr dazu erzählt.

Liebe Sarah, was ist FraPA?

Ursprünglich gab es eine eigene Forschung, eine Untersuchung von verschiedenen Kooperationspartner*innen zum Thema Partizipation von Jugendlichen. Daraus haben sich drei Verbände zusammengeschlossen und das Projekt FraPa ins Leben gerufen: der Frankfurter Jugendring, das Paritätische Bildungswerk und das Jugendbildungswerk Frankfurt. Die haben auf Basis einer an der Uni durchgeführten Forschung dann beschlossen, dieses Projekt ins Leben zu rufen, haben dafür einen Projektantrag bei Aktion Mensch gestellt, der bewilligt wurde. Im Januar 2019 ist das Projekt gestartet und sollte drei Jahre laufen.

Es gab sechs Projektstadtteile, die als besonders marginalisiert festgestellt wurden, diese wurden von uns besucht, um Jugendliche dabei zu unterstützen, sich für ihre Belange einzusetzen. Die Stadtteile lagen nebeneinander, sodass sich die einzelnen Jugendgruppen auch vernetzen, austauschen und treffen könnten.

Wie lief der Start des Projektes?

Wir haben relativ schnell gemerkt, dass es weitere, andere Stadtteile gab, die Bedarfe hatten. Gerade Stadtteile in Frankfurt, die nicht so häufig in den Genuss solcher Angebote kommen. Das sind nicht immer die Stadtteile, die als „Brennpunkte“ gelten, sondern die anderen, die etwas unauffälliger sind. Wir haben auch festgestellt, dass es schwierig ist, die Jugendlichen außerhalb ihrer Stadtteile zu vernetzen. Sie sind zwar häufig an anderen Schulen, auch in anderen Stadtteilen, aber im Privaten sind sie teilweise nicht mal in ihrem ganzen Stadtteil unterwegs, sondern nur in ihrem Viertel.

Die Vernetzung über Stadtteilgrenzen hinaus passt einfach nicht zu der Lebenswelt der Jugendlichen.

Wie habt ihr zu Beginn das Projekt bekannt gemacht und Jugendliche dafür gewonnen?

Wir haben uns in den Stadtteilen vorgestellt, in Arbeitskreisen, in Jugendhäusern und verschiedenen anderen Einrichtungen für Jugendliche. Wenn wir in den Jugendgruppen waren, sind wir ganz niedrigschwellig mit den Jugendlichen ins Gespräch gegangen und haben sie direkt gefragt: Was sind denn gerade eure Themen? Gibt es etwas, bei dem ihr Unterstützung braucht?

Es sind aber auch Jugendliche direkt auf uns zugekommen, so wurden wir von einer Gruppe über Instagram kontaktiert. Oft sind wir von Fachkräften, zum Beispiel aus der Schulsozialarbeit oder Jugendarbeit, direkt mit einem Anliegen angesprochen worden. Sie hatten das Gefühl, es gibt Themen für die Jugendlichen, die zu unserem Projekt passen, sie kommen wegen knapper Ressourcen aber nicht dazu, diese gemeinsam anzugehen.

Über diese Wege haben sich an mehreren Standorten stabile Gruppen entwickelt.

Wie ging es weiter?

Wir konnten in mehreren Stadtteilen verschiedene kleine Projekte durchführen. Ich habe zum Beispiel eine Mädchengruppe länger begleitet, wir hatten verschiedene Themen, aber das Hauptthema war in dem Fall Nachbarschaftsstreitigkeiten. Die Wohnsiedlung der Mädchen setzt sich zusammen aus deutschen Rentner*innen und jungen migrantischen Familien. Das gemeinsame Leben in der Siedlung war schwierig, so berichteten die Mädchen, dass sie beschimpft, beleidigt und von Grünflächen vertrieben wurden. Sie haben sich einen anderen Umgang gewünscht und hatten die Idee, Nachbarschaftsgespräche zu organisieren. Die Anwohner*innen des Stadtteils wurden in die anliegende Stadtbücherei eingeladen. Es gab mehrere solcher Nachbarschaftsgespräche, an denen auch das Quartiersmanagement, der Schutzmann vor Ort, der Senior*innenbeauftragte und eben immer wieder viele Anwohner*innen teilgenommen haben.

Welche anderen Projekte und Ideen gab es von den Jugendlichen?

Es gab viele kleinere Sachen, wie die Räumlichkeiten des Jugendhauses umzugestalten, oder die Bühne der Jugendorganisation zu renovieren. Eine andere Gruppe wollte den Bolzplatz neben ihrem Jugendhaus wieder herrichten oder eine Gruppe einen Jugendraum in ihrer Moschee für sich einrichten.

Wie lief es dann mit der Umsetzung der ganzen Ideen?

Wir haben gemerkt, dass es in der Umsetzung leider immer wieder schwierig wurde. Gerade wenn es um Finanzierungsfragen ging, sind wir auf Hürden gestoßen. Aber auch, was die Bereitschaft von Entscheidungsträger*innen anging, die Ideen auch tatsächlich umzusetzen.

Und dann kam Covid und es wurde natürlich deutlich schwieriger. Wir haben versucht, online Angebote zu organisieren, diese wurden von den Jugendlichen aber kaum angenommen. Auch Fachkräfte vor Ort haben ihre Jugendlichen schwerer erreichen können, für uns als Außenstehende war es dann doppelt schwer. Wir haben dann virtuelle Räume zur Verfügung gestellt, online Spiele gemeinsam gespielt.

Was war euch in der Zusammenarbeit mit den Jugendlichen besonders wichtig?

Wir haben immer direkt mit den Jugendlichen gesprochen und haben immer abgeglichen, ob das, was die Fachkräfte als Thema wahrnehmen, tatsächlich ein Thema ist. Das war uns ganz wichtig. Es geht um Partizipation von Jugendlichen und dann können wir nicht einfach irgendwas umsetzen, was die gar nicht interessiert. Ansatzpunkt war immer, dass die Jugendlichen das Thema geben und dafür verantwortlich sind. Wir haben sie bei allem unterstützt, aber eben erst nachdem wir den klaren Auftrag der Jugendlichen dazu hatten. Sondern der Ansatzpunkt war auch immer, den Jugendlichen zu sagen: Okay, ihr habt das Thema, ihr seid aber dafür verantwortlich, ich unterstütze euch oder wir unterstützen euch gerne bei allem, aber ihr müsst uns den Auftrag geben. In unserem Fokus lagen vor allem Jugendliche, die sonst kaum die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen, die keine Ressourcen in diesem Bereich haben, das familiär nicht gewohnt sind. Sie sollten gefragt sein und merken, dass ihre Meinung ernst genommen wird.

Welche Themen waren für die Jugendlichen besonders interessant? Und wie sind sie am Ball geblieben?

Es sind tatsächlich Themen, die sie direkt betreffen und teilweise sogar auch Themen, die einfach zeitnah umgesetzt werden können. Man muss beachten, dass sich im Leben von zwischen 15- und 19-Jährigen sehr viel sehr schnell ändert. Dann rücken Themen in den Hintergrund, die noch vor ein paar Monaten total aktuell waren. Aber für Zeiträume, die überschaubar sind, ist die Motivation sehr hoch.

Ich glaube, es sind diese zwei Aspekte, der Zeitaspekt und es muss die eigene Lebenswelt sein. Themen, mit denen sich die Jugendlichen wirklich identifizieren.

Wie seid ihr in der Zeit mit den Jugendlichen in Kontakt geblieben? Und wie haben sich die Jugendlichen untereinander organisiert?

Die Jugendlichen haben sich in ihren Einrichtungen getroffen und dort immer wieder zum Projekt ausgetauscht. Für uns als Außenstehende waren immer die Fachkräfte vor Ort die Türöffner*innen. Aber ich habe mich nicht nur in Jugendhäusern mit den Teilnehmenden getroffen, mit einigen hatte ich auch Treffpunkte außerhalb. Es war super wichtig, alles ganz engmaschig zu begleiten, also sich wirklich jede Woche zu treffen.
 

Das FraPa Projekt habt ihr Ende letzten Jahres abgeschlossen. Sind beim Bildungswerk weitere Partizipationsprojekte geplant?

Ich bin Bildungsreferentin und gebe auch Seminare für Fachkräfte. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, dass Jugendliche das nicht gewohnt sind, sich zu beteiligen, weil ihnen nicht zugehört wird oder sie nie vermittelt bekommen, dass ihre Meinung wichtig ist und dass Erwachsene nicht besser sind als sie.

Deswegen biete ich zum Beispiel jetzt im Kitabereich und auch für Fachkräfte der Jugendarbeit  Seminare zum Thema Partizipation an. Es ist super wichtig, dass die Kinder sehr früh lernen, sich zu beteiligen und dass ihre Meinung wichtig ist. Zudem bin ich in der Arbeitsgruppe zum Internationalen Mädchen*tag in Frankfurt, bei dem Mädchen*, junge Frauen* und Fachkräfte jedes Jahr gemeinsam für die Rechte von Mädchen* und Frauen* auf die Straße gehen und Aktionen planen .

Und Marc Melcher und ich machen zusammen einen Workshop zum Thema Sexismus und sexualisierte Gewalt mit Jugendlichen und werden auch im nächsten Jahr wieder an Schulen Workshops durchführen in dem Bereich.

Das Interview führte Lena Plaut

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