
Die 35. Frauenwochen in Brandenburg und ein neues Haus für die Frauen in Potsdam
Gemeinsam mit dem Autonomen Frauenzentrum und dem Netzwerk der Brandenburgischen Frauenhäuser zieht der Frauenpolitische Rat (FPR) just am Frauentag und der Eröffnung der 35. Brandenburgischen Frauenwochen in ein imposantes Bauwerk in der „Neuen Mitte“ ein.
„Wir haben schon viele dicke Bretter gebohrt, aber das hier ist sicher das dickste“ erzählt Prof. Dr. Sabine Hering, eine der fünf Sprecherinnen des FPR, über dem Kampf um das Gebäude. Die Miete des neuen Hauses, das innerhalb des extravaganten Stadtensembles nach historischem Vorbild erbaut wurde, unterliegt für kulturell und sozial ausgerichtete Non-Profit-Organisationen zwar einer Preisbindung. Trotzdem ist es keine Selbstverständlichkeit, dass sich die Frauen sich eine solche Adresse leisten können. In der direkten Nachbarschaft residieren Organisationen wie die Hasso Plattner Foundation und die Verwaltung des Kunstmuseums Minsk.
„Nach der ersten Besichtigung der Baustelle waren wir total begeistert. Beim anschließenden Kaffeetrinken mit der Baugenossenschaft haben wir dann vorsichtig nach dem Preis gefragt. Der erschien uns unerschwinglich. Da wir aber schon seit mehr als fünf Jahren um ein solches Haus gekämpft hatten, wollten wir nicht aufgeben. Wir haben beim Land und der Stadt Potsdam um die Finanzierung gerungen – und diese am Ende bewilligt bekommen.“

Für alle drei Organisationen ist es von großer Bedeutung, durch das räumliche Zusammenrücken Synergieeffekte zu erzeugen, sich gegenseitig noch besser unterstützen zu können und die Bedeutung der frauenpolitischen Arbeit sichtbar zu machen. Und: „Jetzt haben wir auch die notwendigen kurzen Wege, unsere Anträge in den Landtag zu tragen“, sagt Hering.
Da die aktuelle parteipolitische Entwicklung Anlass zur Sorge biete, sei die Zivilgesellschaft umso mehr herausgefordert, bestehende Rechte und Chancen von Frauen zu verteidigen, so die Sprecherin. Der FPR ist maßgeblich für diese Aufgabe zuständig, da er als Dachverband die Interessen von 26 Organisationen mit über 300.000 Mitgliedern in Brandenburg vertritt.
In einer jetzt bevorstehenden Regierung unter Führung der CDU werden die Frauen noch mehr um ihre Projekte und um Gehör kämpfen müssen, fürchtet die Frauenrechtlerin. Thematisch gehe es um politische Vertretung und Parität, aber auch um Sicherheit und Selbstbestimmung. „Seit Corona hat die häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder stark zugenommen. Und die gescheiterte Reform des Paragrafen 218 ist eine Katastrophe“, beschreibt sie einige der aktuellen Baustellen.
Den Rechtsruck bei den Kommunalwahlen bekommen die Frauen schon jetzt zu spüren: „In vielen Kreisverwaltungen gilt inzwischen in der offiziellen Amtssprache nur noch die männliche Form. Der FPR versucht deshalb, auch als Gegenbewegung, Projekte zu unterstützen, welche die Qualifizierung von politisch engagierten Frauen zum Ziel haben und deren Vernetzung fördern.“

Das zurzeit wichtigste Projekt des FPR ist die Organisation der 35. Brandenburgischen Frauenwochen, die seit Gründung ohne Unterbrechung stattgefunden haben. Das Motto dieser Frauenwochen „Trotz(t)dem“ ist ein deutliches Signal, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Sabine Hering sagt: „Wir haben es zwar bisher noch nicht geschafft, einen offensiven Frauenstreik auf die Beine zu stellen, wie die Isländerinnen (inklusive ihrer Ministerpräsidentin) es gemacht haben, aber die Resonanz aus den zahlreichen Initiativen und Projekten zeigt, dass auch in dem „blauen“ Brandenburg gerade die Frauen aufgewacht sind und bereit sind, Flagge zu zeigen.“
Die sich kämpferisch positionierenden 35. Frauenwochen und der Aufbruch der Frauenorganisationen in das neue Haus im Herzen der Stadt zeigten, dass es ohne Zweifel eine lebendige und entschlossene Frauenbewegung auch in Brandenburg gebe, so die Frauenrechtlerin.
Katja Wolf
Hintergrund: Der Frauenpolitische Rat Brandenburg
Der Frauenpolitische Rat Brandenburg e.V. ist ein überparteilicher und überkonfessioneller Dachverband, der sich seit seiner Gründung 1992 für die Interessen von Frauen und Mädchen sowie für Chancengleichheit im Land Brandenburg einsetzt. Als Zusammenschluss von 26 Frauenverbänden, -vereinen und -organisationen vertritt er die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Parlamenten, Regierungen und Verwaltungen. Zu den Hauptzielen gehören die Förderung der politischen Chancengleichheit, ein Gender-Mainstreaming-Prinzip in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für frauenspezifische Themen.
Der Verband organisiert regelmäßig Veranstaltungen mit vielfältigen Formaten wie Diskussionsrunden, Workshops und Lesungen. Zudem bietet er Fortbildungen an und engagiert sich in Projekten zu Themen wie Antifeminismus, Parität und Gewalt gegen Frauen. Der FPR trägt durch Vernetzung mit Politik und Gesellschaft als zentraler Player zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit in Brandenburg bei.
Von der Humanitas zum Paritätischen: Die Wurzeln des Paritätischen liegen in der Frauenbewegung
Die Wohlfahrtspflege modernisieren, professionalisieren und in einem eigenen Wohlfahrtsverband zusammenschließen – diese Idee hatte die Münchner Stadträtin Luise Kiesselbach 1922. Zwei Jahre später war es dann soweit, der Bund Deutscher Frauenvereine BDF gründete die „Humanitas – Verband für Erziehungs- und Wirtschaftsfürsorge“. Unter dem Grundsatz der Parität und religiöser Ungebundenheit schlossen sich verschiedenste Frauenverbände im ersten reichsweiten Wohlfahrtsverband zusammen.
Schon 1925 vereinigte sich die Humanitas mit dem „Reichsverband der privaten gemeinnützigen Kranken- und Pflegeanstalten Deutschlands“. Mit der zunächst geplanten paritätischen Führung war es schnell vorbei. Der Leiter des Verbandes, Leopold Langstein, erhielt das alleinige Vertretungsrecht. Die wechselnde Führung mit der Humanitas-Vorsitzenden Anna von Gierke wurde in der Praxis nie umgesetzt. Der Traum vom eigenen Wohlfahrtsverband der Frauen war ausgeträumt.
Das Positive am Zusammenschluss: die freie Wohlfahrtspflege erfuhr einen deutlichen Entwicklungsschub. 1926 waren bereits über 700 Organisationen in der neuen Vereinigung organisiert, die ab 1932 den Namen „Paritätischer Wohlfahrtsverband“ trug. 1933 fand das Engagement des Verbandes zunächst ein jähes Ende. Die NS-Volkswohlfahrt übernahm die Führung der Spitzenverbände, deren bisherige Vorsitzende als „jüdisch“ abgesetzt. 1934 löste sich der Paritätische teilweise auf.
Doch der Verband war nicht kleinzukriegen. Nach Kriegsende nahm die Vereinigung wieder Fahrt auf. 2024 feierte der Paritätische sein 100. Jubiläum. Er repräsentiert heute 10.806 Mitgliedsorganisationen und mehr als 500.000 hauptamtliche Mitarbeitende.
Katja Wolf