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Ausgabe 01 | 2025: Weiblichkeit*en
Schwerpunkt
Verhütung - nur ein Thema der Frauen*- und Mädchen*-Gesundheit.

Ein Platz für Gesundheit

MEDEA in Dresden ist das einzige Frauen*- und Mädchen*-Gesundheitszentrum in Ostdeutschland. Über ihre Arbeit sprachen wir mit Projektkoordinatorin Anja Bielefeldt.

Frau Bielefeldt, ich habe mir das umfassende Angebot von MEDEA auf Ihrer Homepage angesehen. Ehrlich gesagt, mein erster Gedanke: Lernt man dieses Wissen zu Frauen*- und Mädchen*gesundheit nicht mehr in der Schule? Bin ich naiv oder ist meine Schulzeit schon zu lange her?

Es ist spannend, dass sie eingrenzend sagen: nicht mehr. Ich bin der Meinung, dass Unterricht zu Frauen*- und Mädchen*gesundheit noch nie so wirklich in Schulen angeboten wurde, wenn man von der Fortpflanzung absieht. Aber die ist ja nur ein ganz kleiner Teil des Ganzen. Und genau deshalb braucht es unser Angebot, denn unsere Beratung bietet nicht nur Information, sondern auch Sicherheit. Die bekommen viele Mädchen* weder in der Schule noch im Elternhaus.

Welche sind denn so die Hauptthemen oder Hauptanliegen, mit denen Frauen* und Mädchen* so zu ihnen kommen?

Die wichtigsten Themen gerade für Mädchen* sind Sexualität, Partnerschaft, Beziehung, eigene Grenzen setzen und erkennen, was Konsens ist oder überhaupt erst mal die eigenen Bedürfnisse auszuloten. Fragen nach Funktionen des Körpers, zum Beispiel was man macht, wenn die Menstruation einsetzt, kommen auch oft. Es ist sehr unterschiedlich, auch weil unser Verein in drei Fachbereiche untergliedert ist.

Welche sind das?

Ein Fachbereich bei MEDEA ist MEDEA International. Da arbeiten wir für und mit Frauen* mit Migrations- und Fluchterfahrungen zusammen. Sie haben im Prinzip die gleichen Themen wie alle Frauen*, aber es kommen Erfahrungen mit Rassismus und die Frage nach der Rolle in der Ankunftsgesellschaft hinzu. Wir bieten auch einfach eine Austauschplattform für die Frauen* an, die sich über ihre Flucht- und Migrationserfahrungen untereinander austauschen wollen. Hier unterstützen uns ganz viele freiwillige Ehrenamtliche. Darunter sind auch viele Frauen*, die selbst Migrations- und Fluchterfahrungen gemacht haben. Da ist ein richtig schönes Netzwerk aus inzwischen bestimmt schon 100 Menschen entstanden.

Ein weiterer Bereich ist die Frauen*gesundheit. Den gibt es bereits seit unserer Gründung 1996. Von Anfang an zählten auch Themen wie Gleichstellungsarbeit, Equal Pay oder ungleiche medizinische Versorgung der Geschlechter dazu. Männer werden immer noch als Prototyp in der Forschung genommen. Und weil natürlich Gleichberechtigung nicht ohne Männer funktioniert, sind wir ganz eng in Kooperation mit dem Männernetzwerk und weiteren Akteur*innen der Jungen- und Männerarbeit.

Leider mussten wir aufgrund von Kürzungen dieses Jahr unser Müttergesundheitsprojekt aufgeben. Dort ging es unter anderem um Gleichberechtigung in Elternschaft. Nennen möchte ich noch das Mädchenprojekt MAXI. Da gehen unsere Kolleginnen an die Schulen und veranstalten dort Projekttage, Selbstbehauptungs- oder Wendo-Kurse. Die Anfragen kommen meistens von der Schule selbst. Die anfragenden Schulen könnten die Themen zwar selbst auch anbieten, aber nicht in dem Umfang, wie wir bei MEDEA es können. Sie wollen lieber uns als Expertinnen im Haus haben. Auch MAXI droht allerdings wegen mangelnder Finanzierung durch die Stadt Dresden eingestellt zu werden.

Das Team bei MEDEA

Jetzt haben Sie die Finanzierung schon angesprochen. Wie erleben Sie die Sparpolitik in der Mädchen*- und Frauenarbeit* bei sich und allgemein? Was bricht da gerade weg?

Ja, es ist jetzt wohl so, dass unser Mädchenprojekt ab April nicht mehr durch die Stadt weiter gefördert wird. Daher sind wir auf der Suche sind nach privaten Spendengeldern. Da brauchen wir jetzt jede Solidarität und es irgendwie überbrücken können, falls das Projekt doch wieder öffentlich finanziert wird. Wir haben daher eine eigene Spendenkampagne auf betterplace.de ins Leben gerufen.

Letztendlich ist die Finanzierung wie ein Kartenhaus. Wenn irgendwo gekürzt wird, bricht woanders auch etwas weg. Wenn wir wegen weniger Geld weniger Projekte anbieten können, braucht es auch keine Koordination. Dann brauchen wir im Prinzip niemanden mehr, die oder der das Ganze irgendwie im Blick hat. Dann würde auch diese Stelle wegbrechen. Oft sind es auch bewusste politische Entscheidungen. Durch den Rechtsruck schaut der Stadtrat genau hin, ob Migrationsarbeit eingestampft werden kann. Da merken wir einen massiven Handlungsdruck und müssen uns und unsere Arbeit sichtbar machen und zeigen, dass sie wichtig ist und man sie nicht streichen kann.

Können Sie noch ein wenig ausführen, wie sie den antifeministisch ausgerichteten Rechtspopulismus im Alltag spüren?

Ich selbst bin nicht in der Praxis tätig, aber bekomme es über den Austausch mit den Kolleginnen mit. Besonders von den Kolleginnen, die in den Schulen tätig sind, höre ich immer wieder, dass Kinder die Einstellung teilen: wenn man nicht rechts ist, wird man ausgeschlossen. Sowas haben wir bereits an den Schulen. Da spüren wir es ganz deutlich. Und natürlich wie gesagt beim Geld. Wenn der Stadtrat nach rechts rückt, spielen natürlich Gleichstellungs- und feministische Themen eine geringere Rolle. Es ist anstrengend, dass unsere Arbeit so abhängig von der Politik ist. Aber ohne Geld sind wir einfach nicht handlungsfähig und damit geht Vielfalt verloren.

Aber wir erleben auch das Gegenteil, zum Beispiel mit MEDEA International. Deren Sitz ist in Gorbitz, eine von Plattenbauten geprägte Gegend am Stadtrand. Dort gab es am Anfang Argwohn und die Angst, dass dort das Zusammenleben durch die Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung kaputt gemacht wird. Inzwischen kriegt man mit, dass für das Projekt tatsächlich in der Nachbarschaft eingestanden wird und Irritation darüber herrscht, dass es nicht mehr weitergeführt werden soll. Dort merken wir es genau andersrum. Unsere Initiative wird geschätzt und das zeigt, dass Integration funktionieren kann. Aber Anfeindungen, von denen andere Projekte oder Vereine berichten, etwa in Form von bösen Mails oder auch Sachbeschädigungen, das gibt es bei uns noch nicht. Aber die Angst davor ist zumindest da.

MEDEA besteht seit 1996. Wie hat sich die praktische Arbeit seitdem verändert? Also jenseits davon, dass es wahrscheinlich 1996 noch keine Sternchen hinter den jeweiligen Geschlechtsbezeichnungen gab.

Dadurch, dass ich erst seit 2022 mit dabei bin, kann ich auch nur vom Hörensagen berichten.  Damals gab es in unserer Geschäftsstelle in der Dresdner Neustadt einen ganz großen Garten mit einer Menstruationshütte. Es war ein bisschen spiritueller angehaucht. Das hat sich jetzt gewandelt.

Aus meiner Perspektive hat ein Professionalisierungsschub stattgefunden, auch bedingt dadurch, dass die geschlechtersensible Wissenschaft stärker vertreten ist und uns Daten und Fakten liefert, auch wenn es immer noch zu wenige sind. Wir haben beispielsweise noch sehr viele offene Fragen bei Themen wie Endometriose. Das ist eine wenig erforschte Gebärmuttererkrankung, von der aber jedes Jahr 40.000 Menschen allein in Deutschland betroffen sind. Jetzt kommt hier die erste Studie in Deutschland, als wenn es Frauen* erst seit gestern gäbe. Da frage ich mich schon: Warum erst jetzt? Wir sind natürlich sehr dankbar, dass es da vorangeht und wir unsere unser Handeln nicht mehr nur auf Erfahrungen aufbauen müssen, sondern eine valide Grundlage haben. Ja, dahingehend hat sie es aus meiner Perspektive geändert.

Das Interview führte Philipp Meinert

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