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Ausgabe 02 | 2023: Armut? Abschaffen!
Schwerpunkt
Bundestagsabgeordnete gefragt

Liebe Abgeordnete, wie wollt ihr Armut abschaffen?

Sozialverbände wie der Paritätische und seine zahlreichen Bündnispartner*innen fordern die effektive Bekämpfung der Armut. Das richtet sich vor allem an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Wir haben die Sozialpolitiker*innen der demokratischen Fraktionen gefragt: "Was muss die Politik tun, um Armut abzuschaffen?"

Dr. Martin Rosemann (SPD)

„Armut zu verringern und die Gründe für Armut zu bekämpfen ist ein zentrales Anliegen der SPD. Noch immer sind zu viele Menschen in Deutschland von Armut betroffen oder bedroht, besonders Kinder, Frauen und ältere Menschen sind gefährdet. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber durch die Erhöhung von Löhnen, Renten und eine möglichst hohe Erwerbsquote können wir viele von ihnen angehen. Auch der Zugang zu Schulbildung und Berufsausbildung ist ein wichtiger Faktor.

Durch die Erhöhung des Mindestlohns, der Bürgergeldbezüge und der Renten in Ost und West haben nun viele Millionen Menschen in Deutschland jeden Monat mehr Geld im Portmonee. Den besonderen Härten durch die Ukrainekrise wurden durch die Entlastungspakete Rechnung getragen, etwa durch die Energiepreispauschale und die Einführung des 9-Euro-Tickets. Mit der Kindergrundsicherung gehen wir ein wichtiges Projekt des Koalitionsvertrags an, das zentral zur finanziellen und sozialen Sicherung von Kindern beiträgt, damit kein Kind in Armut aufwachsen muss. Auch mit der Ausbildungsgarantie und einer besseren Förderung der Weiterbildung verhindern wir Armut.“

Dr. Martin Rosemann ist Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales

Stephan Stracke (CDU)

tokography/Tobias Koch

"Armut ist komplex und vielschichtig. Sie wird oft als Mangel an materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen definiert. Armut ist jedoch nicht immer eine Frage der materiellen Ausstattung.

Wir als Union wollen Armut nachhaltig bekämpfen, indem wir Menschen befähigen, ihnen Möglichkeiten eröffnen und ihnen Chancen bieten, sich selbst zu helfen. Das ist auch die zentrale Erkenntnis des letzten Armuts- und Reichtumsberichts: Bildung ist der wirksamste, der sicherste, der wichtigste Motor des Aufstiegs.

Armut ist eben kein Schicksal. Armut ist ein Mangel an fundamentalen Verwirklichungschancen. Nur dort, wo der Mensch und seine Fähigkeiten ertüchtigt werden, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, hat das Soziale eine Chance. Deshalb wollen wir, dass der Staat den Menschen Hilfe zu Selbsthilfe gibt und Chancengerechtigkeit schafft."

 Stephan Stracke ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Fraktion.

Frank Bsirske (Grüne)

Grüne im Bundestag, S. Kaminski (CC BY-ND 3.0 DE)

"Es ist beschämend, dass in Deutschland noch immer Millionen Menschen in Armut leben. Der Staat wäre auf jeden Fall in der Lage, alle Menschen durch mehr Umverteilung über die Armutsschwelle zu heben. Warum geschieht das nicht? Weil es für eine stärkere Umverteilung derzeit keine politischen Mehrheiten gibt. In der Ampel erleben wir einen Bundeskanzler, der sich im Zweifel auf die Seite der FDP schlägt und Steuersenkungen in Milliardenhöhe verteilt, statt sich für die Bekämpfung von Armut stark zu machen. Und das in einer Zeit, in der die Güter des täglichen Grundbedarfs extrem gestiegen sind. Einen Konsens gibt es nur darin, Sozialleistungssystem zu digitalisieren und den Menschen unbürokratisch zu helfen. Das könnte wirklich die verdeckte Armut senken. Denn viele Menschen, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, beantragen diese aus Unkenntnis oder anderen Gründen nicht. Das wäre aber nur ein kleiner Schritt. Wer Armut ernsthaft bekämpfen möchte, wird von oben nach unten umverteilen müssen."

Frank Bsirske ist Sprecher der AG Arbeit und Soziales der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di

Pascal Kober (FDP)

Stephanie Trenz

"Armut hat viele Dimensionen. Das gilt besonders für die Kinderarmut. Arme Kinder bleiben häufiger sitzen, verlassen die Schule häufiger ohne Schulabschluss und studieren seltener. In ihren Elternhäusern sind seltener Bücher zu finden und Vorlesen gehört seltener zum Alltag. Kinder und Jugendliche in armen Familien machen seltener Sport in der Freizeit, die negativen Folgen lassen sich an der Hand-Augen-Koordination statistisch erheben. Zu lange schon wird darüber hinweggesehen, Armut auf Geldmangel reduziert. Zwar gibt es Wechselwirkungen, aber Geld allein gleicht viele Nachteile nicht aus. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket wurde ein Anfang gemacht. Aber auch nach über zehn Jahren werden manche Leistungen noch immer nicht abgerufen. Zu kompliziert, zu bürokratisch. Das digitalisierte Kinderchancenportal als wesentlicher Baustein der Kindergrundsicherung wäre ein längst überfälliger Schritt für einen Sozialstaat, der Menschen auch wirklich erreichen will, indem er Leistungen zielgruppengerecht, unbürokratisch, digital zugänglich und transparent macht."

Pascal Kober ist Sprecher für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der FDP-Fraktion

Jessica Tatti (Die Linke)

trinkhaus fotografie

"Gegen Armut hilft Geld. Die Beseitigung von Armut scheitert am politischen Willen. Die Existenzsicherung muss endlich so erhöht werden, dass sie ein bescheidenes, aber angstfreies Leben sichert. Das Bürgergeld wird dem nicht gerecht. Für viele, die von Sozialleistungen leben, ist der Appell "Geh mal arbeiten!" blanker Hohn. Denn sie betreuen kleine Kinder, pflegen Angehörige oder sind zu krank, um voll zu arbeiten. Es wird Zeit, ihre Lebenssituation endlich anzuerkennen! Sie haben ein Anrecht auf ein Leben frei von ständigen Existenznöten. Aber auch Leute ohne Job, die voll arbeiten könnten, brauchen finanzielle Sicherheit, um ihre ganze Energie in die Arbeitssuche oder eine Weiterbildung stecken zu können. Die Politik muss dafür sorgen, dass Arbeitslose nicht überwiegend in Niedriglöhne, Befristungen und prekäre Jobs gedrängt werden. Denn so landen sie schnell wieder im Bezug von Sozialleistungen, obwohl sie ihr eigenes Geld verdienen wollen. Damit muss Schluss sein."

Jessica Tatti ist Sprecherin für Sozialpolitik der Fraktion Die Linke.

Hinweis

Am Freitag, den 5. Mai hält Bundesfamilienministerin Lisa Paus einen Impulsvortrag zum Thema Kinderarmut auf dem Aktionskongress 2023.

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