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Ausgabe 02 | 2023: Armut? Abschaffen!
Schwerpunkt

Statements aus der Zivilgesellschaft

Armutsbekämpfung ist eine Mammutaufgabe und geht nur, wenn man mit vielen starken Partner*innen zusammen arbeitet. Wir haben sie um Statements gebeten.

#Armutverbindet

Armut ist ein Gefängnis ohne Mauern. Gesellschaftlich werden arme Menschen oft ausgegrenzt und stigmatisiert, ohne die tatsächlichen Hintergründe zu erfragen. Vorurteile und darauffolgende Verurteilungen gegen Arme sind vielfach gepaart mit Rassismus, Ableismus oder Beleidigungen. Das schmerzt und isoliert. Wir brauchen mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, Solidarität und Aufklärung darüber, dass Armut strukturell bedingt ist. Armut ist divers. Und gegen Armut hilft im ersten Schritt Geld.

Inge Hannemann (#ArmutVerbindet)

Armut und Gesundheit Deutschland

Andreas Reeg

Sehr differenziert und reflektiert beschreibt meines Erachtens die Situation von Armut, von Obdachlosigkeit betroffener Menschen folgendes Zitat eines wohnungslosen Patienten in unserem Arztmobil: „Vielleicht ist plötzliche Obdachlosigkeit auch zu vergleichen mit der Nervenkrankheit Parkinson. Man steht auf der Schwelle einer Tür, sieht zu, aber nimmt nicht mehr sozial teil am Leben und einfache Aufgaben erscheinen wie Berge. Bin ich dann auch noch krank in der Wohnungsnot wird es richtig Übel.“

„Armut ist die schlimmste Form von Gewalt!“, sagte Mahatma Gandhi schon vor Jahrzehnten.

Gerhard Trabert, 1. Vorsitzender von Armut und Gesundheit Deutschland e.V.

Attac

"Der Neoliberalismus macht wenige reich und viele arm. Freihandelsabkommen, neoliberale Steuerpolitik, Privatisierungen der Daseinsvorsorge bevorzugen Reiche und belasten Arme. Unter Folgen des Klimawandels leiden vor allem die Länder des Südens. Ungleichheit nimmt weltweit zu, zwischen Nord und Süd und innerhalb der Industriestaaten. Vor allem Kinder leiden unter Armut, Hunger, Flucht. Selbst in Deutschland gibt es 2,9 Mio. armer Kinder. Armut muss bei ihren neoliberalen Wurzeln gepackt werden!"

Dagmar Paternoga, Mitglied des bundesweiten Attac-Rats

BAG Wohnungslosenhilfe

Bernhardt Link - Farbtonwerk

"Menschen in Wohnungs-und Obdachlosigkeit befinden sich in einer gravierenden sozialen Notlage, in der ihre Menschenwürde verletzt und ihre Gesundheit erheblich gefährdet ist. Es ist eine extreme Form von Armut, die sich nicht nur im fehlenden Wohnraum manifestiert, sondern durch Ausgrenzung in vielen Lebensbereichen und Stigmatisierung verstärkt wird. Die Überwindung von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit bis 2030 ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, dazu braucht es konkrete Maßnahmen und deren zügige Umsetzung."

Sabine Bösing, stellvertretende Geschäftsführerin der BAG Wohnungslosenhilfe e.V.

BUND

Simone Neumann

„Der BUND setzt sich für eine öko-soziale Transformation ein. Wir müssen dafür die ökologischen Grenzen anerkennen, einhalten und gleichzeitig Armut bekämpfen, sowohl in Deutschland, als auch weltweit. Dafür werden wir unsere Art zu wirtschaften ändern müssen, denn der Fokus auf immer mehr Wirtschaftswachstum sprengt nicht nur die ökologischen Grenzen, er führt zu immer mehr Ungleichheiten und sozialer Ausgrenzung. Auf uns wartet ein doppelter Gewinn: Ein intakter Planet und die Chance auf ein gutes Leben für alle!"

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND

Bundesverband für Kindertagespflege

"In einigen Regionen Deutschlands bekommen Kindertagespflegepersonen , die 30 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, nur eine Rente aus Sozialhilfeniveau. Das macht mich gleichzeitig sehr traurig und wütend. Die wichtige Arbeit mit Kindern muss auch gut bezahlt werden. Da muss sich etwas ändern. Da müssen WIR etwas ändern!"

Inge Losch-Engler, Bundesvorsitzende des Bundesverbandes für Kindertagespflege

Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie

"Menschen, die von Armut betroffen sind, haben ein hohes Risiko, psychisch zu erkranken. Armut verringert die soziale Teilhabe und ist Ursache für gesundheitliche Ungleichheit. Gleichzeitig ist der Zugang zu psychosozialer und psychotherapeutischer Versorgung für von Armut Betroffene besonders schwierig. Für uns als DGVT ist klar: Armut bekämpfen heißt gesundheitliche Ungleichheit bekämpfen."

Monika Bormann, Dominik Derer und Martin Wierzyk, Der Vorstand der DGVT

Deutsches Kinderhilfswerk

Deutsches Kinderhilfswerk e.V. / H. Lüders

"Der Alltag von Kindern, die in Armut leben, ist von Verzicht und vielfach von Scham geprägt. Armut wirkt sich auch negativ im Bildungsbereich und auf die Gesundheit der Kinder aus. Deshalb brauchen wir armutssensible Fachkräfte in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesellschaft. Notwendig ist auch eine armutssensible Arbeitsweise aller Institutionen und Einrichtungen, die Entscheidungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen treffen."

Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes

Deutscher Mieterbund

"Die Mieten steigen trotz Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise ungebremst weiter. Die Wohnkostenbelastung vieler Haushalte nimmt gerade enorm zu, schon vor der Krise waren viele überlastet. Die Situation verschärft sich noch, da die Kaltmieten weiter steigen, die hohen Energiepreise die Kosten für Heizung und Warmwasser mehr als verdoppeln und die steigende Inflation die Ersparnisse der Mieter aufbraucht. Ein Mietenstopp ist unvermeidlich, um Mietern eine Atempause zu ermöglichen."

Dr. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbunds

Foodwatch

foodwatch/Sabrina Weniger

„Die Inflation trifft die Armen besonders hart. Gerade die günstigsten Lebensmittel im Supermarkt sind besonders stark im Preis gestiegen. Im Schnitt um 30 Prozent, wie unsere foodwatch-Recherche zeigt. Wie soll das gehen, wenn für viele schon vorher jeder Cent zählte? Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung Armutsbetroffene stärker unterstützt. Sonst rutschen sie weiter in die Ernährungsarmut.“

Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer von Foodwatch

Fördervereins gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit

Claudia Taylor/TAYLOR Photography

"Aus unserer Perspektive streben wir eine Gesellschaft an, in der jede*r mit und ohne Arbeit ein Leben ohne existenzielle Unsicherheit führen können und die Möglichkeit haben soll, umfassend am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dazu brauchen wir gute Löhne, starke gesetzliche Sozialversicherungssysteme, auskömmliche Grundsicherungsleistungen und eine öffentliche Daseinsvorsorge, die wesentliche Grundbedürfnisse absichert. Ohne Umverteilung von oben nach unten wird das nicht gehen."

Hartwig Erb, Vorsitzender des Fördervereins gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit

Katholische Arbeitnehmer-Bewegung

"Genau die Menschen, die unverzichtbare Aufgaben für unsere Gesellschaft übernehmen, sind spätestens im Alter von Armut bedroht. Das bewegt mich. Frauen, die in der Erziehung oder Altenpflege arbeiten, haben oftmals kaum eine Chance, eine Rente zu erhalten, die über der Grundsicherung liegt. Da stimmt etwas an der Gewichtung und Wertschätzung in unserer Gesellschaft nicht. Diese Arbeit ist WERTvoll. Anerkennung muss sich auch monetär ausdrücken. Ein Mindestlohn von 12 Euro reicht nicht."

Beate Schwittay, Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (KAB)

NaturFreunde

"Was ist so empörend an Armut? Dass viele so tut, als hätte Reichtum nichts damit zu tun. Dabei sind Reichtum und Armut zwei Seiten einer Medaille: Der Überfluss, den sich die finanziell Privilegierten gestatten, besteht aus dem, was den armen Menschen fehlt. Das Gegenteil von Armut ist nicht Reichtum, sondern gerechte und möglichst gleiche Verteilung!“

Maritta Strasser, Bundesgeschäftsführerin der NaturFreunde Deutschlands

Pro Asyl

"Ein Platz im Stockbett, Fertigessen, kaum Geld: Geflüchtete Menschen erhalten in Deutschland oft noch weniger als die - ohnehin schon zu niedrigen - „normalen“ Sozialleistungen. Die politische Idee, Schutzsuchende durch noch drastischere Armut, schlechte Lebensbedingungen und das Vorenthalten von Bargeld „abzuschrecken“, ist 30 Jahre alt und heißt Asylbewerberleistungsgesetz. Es ist Zeit, dieses beschämende Gesetz abzuschaffen." 

Andrea Kothen, PRO ASYL

SoVD

Susie Knoll

„Armut ist kein Randphänomen mehr. Es ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wer behauptet, dass Arbeit vor Armut schützt, dem muss ich wiedersprechen. Wegen der hohen Inflation und der explodierenden Energiepreise wissen die Menschen trotz Vollzeitjobs oft nicht mehr, ob sie sich einen vollen Kühlschrank oder eine warme Wohnung noch leisten können. Wenn wir Armut bekämpfen wollen, müssen wir nicht nur die Grundsicherung existenzsichernd ausgestalten, sondern vor allem auch den Mindestlohn mutig anheben – auf mindestens 14,13 Euro.“

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland

SOZIALWERK des Demokratischen Frauenbunds

„Armut ist keine Naturgewalt – sie wird von Menschen gemacht. Auch in Deutschland waren 2021 rund 13,8 Millionen Menschen armutsgefährdet. Folgen von Armut sind Diskriminierung, soziale Ausgrenzung, gesundheitliche Schäden und Wohnungslosigkeit.

Deshalb engagiert sich das SOZIALWERK des dfb (Dachverband) e.V. mit dem Wohnprojekt UNDINE seit 30 Jahren gegen jegliche Form von Armut und sozialer Ausgrenzung. Wir erheben unsere Stimme, weil wir nicht wegschauen wollen. Unser Motto: Unter einem Dach - miteinander füreinander da sein.“

Brigitte Triems, Mitglied des Vorstands des SOZIALWERKes des Demokratischen Frauenbunds (Dachverband)

Tafel Deutschland

Navina Neuschl

"In den letzten Krisenjahren ist die Zahl der Tafel-Kundinnen und -Kunden auf zwei Mio. gestiegen; darunter sind Menschen im Bürgergeld-Bezug, Erwerbstätige mit geringem Einkommen, Geflüchtete, Kinder, Rentnerinnen und Rentner. Armut trifft immer mehr Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten, das schockiert uns zutiefst. Als Tafeln verstehen wir uns als freiwilliges Zusatzangebot, nicht als Existenzsicherung. Die muss der Staat gewähren, damit jeder Mensch in Würde leben kann."

Jochen Brühl, Vorsitzender Tafel Deutschland e.V.

VAMV

Barbara Dietl

Armut wird weiter häufig als Problem Einzelner diskutiert, angereichert durch Stereotype: Kommt eine Kindergrundsicherung auch wirklich bei den Kindern an? Die findet schon seit längerem keine Stelle – will die gar nicht arbeiten? Das verschleiert gesellschaftliche Ursachen: Wir sehen so viele Alleinerziehende, bei denen Betreuungslücken, schlechte Bezahlung, Teilzeitfalle usw. ein auskömmliches Einkommen verhindern. Hier sind politische Lösungen gefragt, und nicht Arme auch noch zu beschämen.

Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter

ver.di

Kay Herschelmann

„Wenn Erwerbslosigkeit, ein unverändert großer Niedriglohnsektor und in Folge niedrige Renten immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft in die Armut treibt, macht mich das wütend. Denn Armut bedeutet Verzicht: Verzicht auf wichtige Dinge des alltäglichen Lebens wie auch auf gesellschaftliche Teilhabe. Wir brauchen dringend mehr soziale Gerechtigkeit, indem die Steuer- und Finanzpolitik auch die hohen Einkommen und Vermögen in die Pflicht nimmt, anstatt Reichtumspflege zu betreiben.“

Frank Werneke, Vorsitzender von ver.di

Zentralwohlfahrtsstelle der Juden

Uwe Steinert

“Rund 17 Prozent beträgt die durchschnittliche Armutsquote in Deutschland, d. h. der Anteil der Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens zur Verfügung haben – Tendenz steigend. Für die Jüdische Gemeinschaft, die zu 95 % aus Personen mit Migrationsgeschichte besteht, ist Armut besonders im Alter als Resultat unterbrochener Erwerbsbiographien und prekärer Beschäftigungsverläufe aufgrund der Nichtanerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse ein prägendes Merkmal.“

Aron Schuster, Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden

Zukunftsforum Familie

„Armut muss als gesamtgesellschaftliches Problem und nicht als individuelles Verschulden betrachtet werden. Dies gilt vor allem bei Kindern – kein Kind sucht sich Armut aus! Die Politik muss deshalb den Wandel der Verhältnisse anstoßen und strukturelle Ursachen bekämpfen. Da Armut mit Geld anfängt, aber damit nicht endet, müssen sowohl monetäre Leistungen, als auch ausreichend chancengerechte Infrastruktur garantiert werden. Beides ist wichtig und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.“

Sophie Schwab, Geschäftsführerin des Zukunftsforum Familie

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