Liebe Leser*innen
unseren Armutsbericht 2022 mussten wir im März 2023 bereits aktualisieren. Der Grund: Das Statistische Bundesamt musste die Daten nachträglich korrigieren, die Armut ist höher als angenommen. Die Armut hat in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,9 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr 2021 einen neuen Höchststand erreicht. 14,1 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 840.000 mehr als vor der Pandemie. Nach wie vor zeigen Haushalte mit drei und mehr Kindern (32,2 Prozent) sowie Alleinerziehende (42,3 Prozent) die höchste Armutsbetroffenheit aller Haushaltstypen. Nicht Erwerbstätige und Personen mit niedrigem Bildungsniveau sind ebenfalls stark überproportional von Armut betroffen. Das gleiche gilt für Menschen mit Migrationshintergrund (28,6 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,9 Prozent). Die Armut unter Kindern und Jugendlichen hat mit 21,3 Prozent eine neue traurige Rekordmarke erreicht. Gleiches gilt für ältere Menschen (17,6 Prozent) und Rentner*innen (18,2 Prozent), darunter vor allem Frauen. Altersarmut ist überwiegend weiblich.
Um Armut zu bekämpfen sind u.a. eine deutliche Anhebung der Regelsätze in Hartz IV bzw. des Bürgergeldes und Altersgrundsicherung von jetzt 502 auf 725 Euro, eine existenzsichernde Anhebung des BAföG und die Einführung einer Kindergrundsicherung, die das Existenzminimum von Kindern armutsfest abdeckt, unabdingbar, um die Not zu wenden.
Um den armutspolitischen Forderungen noch mehr Gehör in der Öffentlichkeit und gegenüber der Politik zu verschaffen, veranstalten wir am 4. und 5. Mai 2023 unter dem Titel „Armut? Abschaffen!“ den digitalen Aktionskongress gegen Armut. Mit dabei sind u.a. die #IchBinArmutsbetroffen-Initiatorin Anni W. sowie die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus.
In dieser Ausgabe des Verbandsmagazins geht es neben den politischen Forderungen, um Armut zu beseitigen, vor allem auch um die vielfältigen Angebote, die die Paritätischen Mitglieder leisten, um Menschen in Armut und prekären Lebenslagen zu unterstützen. Wir stellen einen Verein aus Bremen vor, der wohnungs- und obdachlose Frauen und Mädchen unterstützt und auf ihre Situation gegenüber der Politik und Öffentlichkeit aufmerksam macht. Wir berichten von einem Familienzentrum aus Pforzheim, das u.a. seine Erfahrungen aus dem Alltag von Kindern in Armut darstellt und die teils schwierigen Zugänge zu Leistungen aufgrund bürokratischer Hürden aufzeigt. Und wir interviewten ein Arbeitslosenzentrum aus Mönchengladbach, welches von den Auswirkungen der Inflation und der infolge des Ukraine-Krieges exorbitant gestiegenen Energiepreise auf Menschen in Armut berichtet. Darüber hinaus haben wir uns die gängigsten Vorurteile gegenüber Armut angeschaut und auf ihren Realitätsgehalt geprüft.
Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen die Lektüre der vorliegenden Ausgabe unseres digitalen Verbandsmagazins gute Argumente an die Hand gibt und vielleicht auch Inspiration für Ihre Arbeit.
Herzlich,
Ihr Rolf Rosenbrock