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Ausgabe 02 | 2025: Selbsthilfe25
Schwerpunkt
Interview mit Claudia Altmann-Pospischek

Mit Öffentlichkeit gegen den Krebs

2013 bekam Claudia ihre Brustkrebsdiagnose und ist immer wieder mit der Krankheit befasst. Gleichzeitig macht sie anderen Menschen mit Krebs Mut und nimmt sie mit auf die Cancer Challenge. Im Interview sprachen wir darüber, was sie antreibt.

Liebe Claudia, 2013 hast Du Deine Krebsdiagnose bekommen. Kannst Du ein wenig den Verlauf deiner Krankheit schildern? 

Damals habe ich während einer Reise ein kleines Knötchen in meiner Brust bemerkt. Als ich wieder zu Hause war, bin ich sofort zu meinem Gynäkologen gegangen. Der wiegelte aber ab und meinte, ich hätte sicher nichts, weil ich damals mit 38 Jahren noch recht jung war. Er wollte mich erst gar nicht zur Mammografie schicken, aber ich habe darauf bestanden. Der Arzt dort hat dann meinen Verdacht bestätigt und gesagt, dass ich wohl einen bösartigen Tumor habe. Das zu hören, war wohl der schlimmste Moment in meinem Leben. Ich hätte nie mit einer derart schwerwiegenden Diagnose gerechnet, auch weil ich keine familiären Vorbelastungen hatte, jedes Jahr beim Gynäkologen war und gesund gelebt hatte. Ich zählte nicht zur Risikogruppe.  Aber es kann jeden treffen – und es geht so schnell. Leider hatte der Krebs bereits heftig in meine Leber gestreut und auch etwas in die Knochen, wie die folgenden Untersuchungen gezeigt haben. Das war für mich ein schicksalhafter Moment, in dem ich mich erstmalig mit dem Tod konfrontiert sah. Ich war in einem Alter, in dem andere noch Kinder bekommen und ich musste mich mit der Vergänglichkeit auseinandersetzen. Die Ärzte gaben mir noch zwei Jahre Lebenszeit. Ich dachte, ich werde nicht einmal 40, aber aufgrund vieler neuer und guter Therapien, Operationen usw., die ich absolviert habe, bin ich nach fast 12 Jahren immer noch da, auch wenn es immer wieder Rückschläge gab. 2018 wurden bei mir auch Bauchfellmetastasen entdeckt. Aber ich habe nicht nur die 40 geschafft, sondern vor einigen Tagen konnte ich auch meinen 50. Geburtstag feiern. Dafür bin ich unendlich dankbar, auch wenn die Situation bei mir weiterhin schwierig ist – derzeit habe ich wieder Progress in der Leber. Ich habe Krebs in Dauerschleife, wie ich gern sage.  

Was sich wahrscheinlich auch verändert hat, ist deine Außendarstellung. Du gehst mit dem Thema an die Öffentlichkeit, auch offensiv auf Social Media. Warum? 

Der eigentliche Grund, warum ich meinen Blog „Claudias Cancer Challenge“ gestartet habe, war ein ganz profaner. Ich habe immer mal vergessen, meinen aktuellen Gesundheitszustand mitzuteilen. Und dann haben die Leute interessiert nachgefragt, wie es denn jetzt bei mir weitergeht oder was bei den Untersuchungen rausgekommen ist. Deshalb habe ich dann angefangen, über meine Krankheit zu bloggen und habe alle, die wollten, in meine Cancer Reality mitgenommen. Was eigentlich nur für Familie und Freunde geplant war, ist dann immer größer geworden. Plötzlich wurde der Blog auch für andere metastasierte Betroffene und ihr Umfeld interessant. Geplant war das von mir nie, aber mittlerweile folgen mir Tausende Menschen auf meinen Social-Media-Accounts. Das ist schon viel für einen Blog, der keinen leichten Lifestyle-, Reise- oder Foodcontent anbietet, sondern der auch die harte Realität über das Leben mit Krebs abbildet. Und natürlich tut es auch mir gut, weil ich gemerkt habe, dass der Austausch auf meinem Blog vielen hilft und mir gespiegelt wurde, dass ich einigen Menschen Mut mache. Das gibt natürlich auch mir etwas zurück. Ich glaube, dass es wichtig ist, zu sehen, wie andere Menschen ähnliche Krisensituationen meistern – da kann man sich immer Inputs fürs eigene Leben mitnehmen. Wenn ich Mutmacherin für andere Betroffene sein darf, so freut mich das sehr.

Privat
Claudia Altmann-Pospischek

Gibt es auch Kritik an Deiner Arbeit? 

Wenig. Ich habe selten einen Shitstorm bekommen. Es gibt Menschen, die manches anders sehen als ich, was völlig legitim ist, oder finden, dass ich für eine Krebspatientin zu fröhlich unterwegs bin. Aber ich bin einfach jemand, der das Glas immer halb voll und nicht halb leer sieht. Der sich auf das konzentriert, was er noch kann und nicht auf das, was er nicht mehr kann. Ich bin seit fast 12 Jahren Palliativpatientin. Ich genieße mein Leben und will noch so viel sehen, machen und Spuren hinterlassen. Es sind gerade schwierige Zeiten mit meinem Progress in der Leber und auch daran lasse ich die Menschen teilhaben – das bedeutet für mich Authentizität. Und ich glaube, deshalb halten mir die Menschen die Treue.  

Was würdest Du den Leuten raten, die auch ein Schicksal haben und damit gern an die Öffentlichkeit gehen wollen? 

Ich würde immer sagen: Mach alles, was dir guttut! Ich glaube, dass über die Krankheit schreiben oder reden ganz wichtig ist, weil es eine Art von Verarbeitungsstrategie darstellt. Ein Ventil, das manchmal geöffnet werden muss. Und: Wer schreibt, der bleibt. Andere können von den geteilten Erfahrungen profitieren, sich auf den Plattformen austauschen, sich mit anderen Betroffenen vernetzen und können mit all den Inputs den Weg ein wenig gestärkter fortsetzen. Das Gefühl „Du bist nicht allein“ tut einfach gut. Ich hätte es mir 2013 sehr gewünscht, dass da jemand gewesen wäre, der das macht, was ich tue. Heute gibt es zum Glück ganz viele Angebote und Cancer Blogger. Und je mehr Menschen über Krebs schreiben und reden, desto besser. Denn: Es liegt noch immer ein dunkler Schleier über der Krankheit, den wir lüften müssen. Alle – Hand in Hand – mit unseren Worten und Schilderungen. 

Gibt es denn auch etwas, was Du nicht teilen würdest und was wirklich privat ist? 

Ich teile nicht alles und überlege mir durchaus, was ich teile. Manchmal bin ich sehr überrascht davon, was sich die Menschen alles merken. Dazu eine kleine Geschichte: Vor einigen Monaten war ich gemeinsam mit Peter, meiner Mama und meiner besten Freundin und Breast Care Nurse Lisa im Theater. Da kam jemand zu uns und meinte, wir hätten die Wohnung meiner Mutter aber schön neu hergerichtet. Ich habe davor ein paar Fotos davon gepostet, weil mir das Renovieren so viel Spaß gemacht hatte – als Ablenkung. Und dann hat sie auch noch Peter und Lisa erkannt. Da dachte ich schon: Wow! Das habe ich als sehr schön und herzlich empfunden. Aber ja, ich überlege mir schon, was ich teile und was nicht und wie es ankommen könnte. Ich werde hin und wieder von Menschen angesprochen. Einmal ist jemand aus der Straßenbahn gesprungen, einmal hat sich jemand in Berlin auf der Rolltreppe umgedreht und einmal hat mich jemand bei einem Konzert in London angesprochen. Immer wunderbar-wertschätzende Begegnungen. 

Welche Erfahrungen hast Du mit der traditionellen Selbsthilfe? 

Sehr gute. Ich engagiere mich in unterschiedlichen Organisationen und da habe ich das Gefühl, dass Krebsbetroffene den Austausch suchen und brauchen. Sie wollen Informationen, sind auf der Suche nach Schwarmwissen, möchten ihre Probleme loswerden oder vielleicht auch einfach nur in den Arm genommen werden. Und sie sind dankbar zu sehen, dass auch andere mit dieser Erkrankung einen Weg gefunden haben. Und auch das Gemeinschaftsgefühl – irgendwo dazuzugehören – spielt eine enorme Rolle. Außenstehenden muss man vieles erklären, aber Krebsbetroffene wissen – in der Community herrscht sofort großes Verständnis. Ich schätze diesen Austausch enorm und habe schon jede Menge Freundschaften geschlossen. Die Menschen glauben oft, die Selbsthilfe ist ein Trauerverein und es wird nur über Probleme geklagt. Aber das stimmt überhaupt nicht. Z. B. gerade in der Frauenselbsthilfe Krebs, in der ich aktiv bin, wird so viel gelacht, geherzt, getanzt. Ich kann allen Betroffenen nur raten, in eine Selbsthilfeorganisation zu gehen, dort aktiv zu werden und sich zu öffnen. Da wird man sehr reich beschenkt.

Das Interview führte Philipp Meinert

Weitere Infos

Claudia's Cancer Challenge auf Facebook und auf Instagram.

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