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Ausgabe 03 | 2023: Sucht & Drogen
Schwerpunkt
Rhobbin bei einem Auftritt
Interview mit Musiker Rhobbin

Drogenfrei durch Selbsthilfe

Rhobbin war viele Jahre lang drogenabhängig. Durch eine Selbsthilfegruppe fand er einen Ausweg. Mit seiner Musik drückt er sich aus und will anderen Mut machen."

Rhobbin, du hast zwei sehr unterschiedliche Karrieren: Deine Drogenkarriere und deine Musikkarriere. Kannst du den Ablauf von beiden mal beschreiben?

Tatsächlich sind beide ursprünglich eng miteinander verwoben. Ganz genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Drogen haben den Effekt, dass sie die Erinnerung verwaschen. Ich denke, ich war in der achten oder neunten Klasse, als ich sowohl mit Hiphop als auch mit Drogen angefangen habe. Meine Einstiegsdroge war Cannabis. Ich bin in eine Neuköllner Oberschule gegangen, in der sowohl Drogen als auch Hiphop sehr präsent waren. Ich bin an beides, ich sage mal, aufgeschlossen rangegangen (lacht). Vielleicht auch naiv rangegangen.

Mit der Hiphop-Musik ging es Ende der 90er und zu Beginn der Nuller Jahre ein bisschen aufwärts. Es gab zu dieser Zeit einen Hiphop-Boom in Berlin. In diesem Hiphop-Untergrund hatte ich mit meiner damaligen Crew ein bisschen Erfolg. Man kannte uns und wir hatten auch Auftritte. Da nahm der Drogenkonsum immer mehr zu. Unser Konsum hat die Gruppe aber auch zerstört. Ich war auch schon ab der 10. Klasse abhängig, habe also jeden Tag konsumiert. Aber spätestens mit 19 und 20 haben die Drogen alles andere in den Hintergrund rücken lassen. Ich bin ein klassischer Polytox, ich habe später fast alles genommen. Musik wurde irgendwann zur Nebensache und ließ sich auch kaum noch machen. Der Kontakt mit Familie, die mir eigentlich gutgetan hat, ist abgebrochen.

Dann hast du dich aber an die Selbsthilfe gewendet. Wie kam es dazu?

In der Selbsthilfegruppe sagen wir immer, dass man einen Tiefpunkt erreichen muss, um das Geschenk der Verzweiflung zu bekommen. Dieses Geschenk habe ich 2010 bekommen. Meine letzten Konsumjahre waren sehr von den chemischen Drogen geprägt, aber 2010 durfte ich dann clean werden. Mit der Musik hat sich auch alles verändert. Ich hatte plötzlich wieder die Energie, um Musik zu machen. Vorher habe ich nur Energie in meine Selbstzerstörung gesetzt, aber jetzt wieder für meinen kreativen Output und Selbstverwirklichung. Das war ganz klar aufgrund der Selbsthilfe. Ich hatte zuvor schon etliche Drogentherapien, Entgiftungen und so weiter, gemacht. Die haben bei mir nie geholfen und ich bin immer wieder rückfällig geworden.

Was hat die Selbsthilfe für dich besser gemacht als die klassischen Entzüge?

Es gab ein kontinuierliches Daily Basic Programm. Ich bin in den ersten 90 Tagen jeden Tag zu einem Treffen gegangen. Ich hatte ja auch jede Menge Zeit. Teilweise bin ich sogar zweimal täglich gegangen. Vormittags und auch abends. Und das hat mich clean gehalten. Es war faszinierend Menschen zu sehen, die sozusagen in der freien Wildbahn clean sind. Wenn ich unter einer Käseglocke mit anderen Süchtigen saß, sind davon 90 Prozent immer wieder rückfällig geworden. Und da war auch die sehr positive Energie in der Selbsthilfe. Unter Nichtbetroffenen hat man ja dieses Klischee, dass Selbsthilfegruppen Jammerrunden sind, in denen sich jeder nur beklagt. Das war da gar nicht so. Es gab unglaubliche Unterstützung und Begeisterung. Wenn jemand eine bestimmte Zahl von Tagen clean war, haben wir immer Schlüsselanhänger verteilt und dann haben alle geklatscht. Das hatte eine sehr motivierende Energie. Und in der Selbsthilfe haben dir nicht irgendwelche Leute erklärt, wie du dein Leben zu führen hast. Wo ich hingehe, halten wir Monologe. Da kann sich jeder für sich das Beste rausnehmen, ohne dass es einem wie einer Keule übergebraten wird. Das fand ich auch sehr gut.

Würdest du sagen, dass Künstler*innen eher gefährdet sind, süchtig zu werden?

Was sich auf jeden Fall beobachten lässt ist, dass es sehr, sehr viele Künstler und kreative Leute in meiner Selbsthilfegruppe gibt. Ergo scheint es so zu sein, dass es gerade kreative Leute auch oft treffen kann. Kreativität geht mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen einher. Das ist natürlich nur, wie ich mich wahrnehme. Über mich selbst kann ich sagen, dass ich als Kind und laut meiner Mutter, auch autistische Züge hatte. Und jede Medaille hat auch zwei Seiten. Die kreative Seite geht oft mit der Schattenseite einher, dass man schlecht mit sich selber klarkommt und soziale Beziehungen auch oft irgendwie schwierig sind. Und ich denke, dass die Drogen ein Weg der Selbstmedikation sind, um sich gesellschaftstauglicher und für Freunde attraktiver zu sein oder keine Ahnung.

Du bist ja outspoken zu dem Thema. Warum ist es dir so wichtig, öffentlich über deine Sucht zu sprechen und sogar ein Lied darüber zu machen?

Ich glaube, ich bin manchmal so ein bisschen theatralisch und dramatisch. Das war schon relativ früh ein Teil meines Lebens. Auf meinem zweiten Album „Schwarze Kreide“ sind zwei meiner ganz klassischen Songs drauf, die ich immer live spiele, auch in der Selbsthilfe: Einmal „Nie allein“, da geht es darum, unter 1000 Gleichgesinnten zu sein und daraus Energie zu ziehen. Und „Sinn meines Lebens.“ Das Lied beschreibt, wie ich erkannt habe, dass ich diese cleane Erfahrung in meiner Musik verarbeiten kann. Ich sehe mich als jemanden, der vielleicht auch ein Gesicht für die Selbsthilfe sein kann. Das möchte nicht jeder, weil Drogensucht im Gesellschafts- und Berufsleben eher tabuisiert wird.

Rhobbin - Zusammen [Musikvideo]

Und wie genau bist du zu diesem Gesicht geworden?

Anja, eine gute Freundin von mir, die damals die junge Selbsthilfe gemacht hat, hat mich gefragt, ob ich bei ihrer Kampagne für die Junge Selbsthilfe dabei sein wollte. Man wollte das Image der Selbsthilfe verbessern und zeigen, dass Selbsthilfe mehr ist als Stuhlkreis und rumjammern. Da war ich sofort Feuer und Flamme, weil ich ein extrovertierter Typ bin und auch keine Hemmungen habe, mich zu zeigen. Ich glaube, dass es wichtig ist zu zeigen, was Selbsthilfe für eine unglaubliche positive Macht haben kann und dass das auch mehr publik zu machen.

Gabs denn irgendwann einmal Bedenken deinerseits, die mal öffentlich anzusprechen und erst einmal „der Ex-Junkie“ zu sein?

Bisher werde ich ja nicht als der Typ von der Selbsthilfe auf der Straße erkannt (lacht). Ja, als es los ging und ich mich immer mehr öffentlich gezeigt habe, hatte ich Arbeitsverhältnisse, in denen ich das unter den Kollegen ganz offen kommuniziert habe, schon allein um mich zu schützen. Wenn dann auf Firmenfeiern Sekt ausgeschenkt wird, würde gar keiner auf die Idee kommen, mir ein Glas anzubieten. Es gab aber auch schon Arbeitgeber, die mir gesagt haben, dass ich meine Suchtgeschichte besser nicht kommunizieren soll und es sich vielleicht negativ auswirkt. Das habe ich sofort respektiert und dann nicht publik gemacht.

Zum Abschluss noch einmal eine etwas leichtere Frage: Was können wir in naher Zukunft künstlerisch sehen und erwarten von dir?

Ich hoffe auf noch ganz viele Auftritte im Bereich der Jungen Selbsthilfe. Das sind aber alles mehr Wünsche und Hoffnungen, die ich habe. Bevor durch Corona 2020 keine Auftritte mehr möglich waren, hatte ich immer mal wieder Auftritte in weiterer Entfernung. Wir sind schon mal außerhalb von Brandenburg in angrenzenden Bundesländern aufgetreten, aber ich fände es toll, mal nach Süd- oder Norddeutschland zu kommen. Denn den meisten Impact hat es immer noch, wenn du wirklich live irgendwo auftrittst. Dann berührst du die Leute am meisten. Es ist schön, Livevideos zu machen und zu streamen. Das ist cool, dass es das gibt. Aber mehr live zu spielen, wäre ein Traum von mir. Mal sehen, ob das bald klappt.

Die Fragen stellte Philipp Meinert

Weitere Infos

Rhobbin bei Instagram, auf Soundcloud und Bandcamp sowie bei Youtube.

Wer Rhobbin direkt kontaktieren möchte, kann dies unter rhobbin82(at)googlemail.com tun.

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