Liebe Leser*innen
der Kaffee am Morgen, der uns wach macht, das Glas Wein am Abend, bei dem wir abschalten oder vielleicht sogar die Pille oder das Pulver, wenn man am Wochenende feiern geht? All dies sind, nach einer weiten Definition, Drogen: Mittelchen jeglicher Art, die uns aufputschen oder runterbringen können – je nachdem, wie wir es gerade wollen. Sie können problematische Auswirkungen auf unseren Alltag haben, müssen es aber nicht.
Drogen sind längst Teil unserer Kultur. Allem voran die „Volksdroge“: Über die Hälfte aller Deutschen trinkt mindestens einmal im Monat Alkohol in nicht unbedenklicher Menge. Neun Prozent aller Deutschen haben in den letzten 12 Monaten das (noch weitgehend) illegale Cannabis konsumiert und nach zahlreichen Polizeistatistiken zu urteilen steigt der Konsum von Kokain, MDMA oder Crystal Meth ebenfalls an.
Als Verband der Wohlfahrtspflege ist dieser Konsum für uns schon lange ein Thema. Zahlreiche Mitglieder in der Beratung und in der Selbsthilfe helfen Menschen, deren Drogengebrauch ein kritisches Maß erreicht hat. Hier können wir in den letzten Jahrzehnten einen interessanten Wandel beobachten: Es geht weg vom Dogma der Abstinenz und der Verteufelung des Konsums, hin zu harm reduction: akzeptierende Arbeit und Schaffung von Angeboten für Abhängige, mit denen diese ohne dauerndes Schuldgefühl leben können.
Nicht jeder Drogenkonsum muss automatisch problematisch sein. Hier gilt die alte Binse, dass es auf die Dosis ankommt. Erzieherische Maßnahmen bei erwachsenen Menschen haben sich in der Vergangenheit als wenig nützlich erwiesen. Repressives staatliches Vorgehen ebenso wenig. Und was in der praktischen Arbeit vor Ort schon lange bekannt ist, kommt in der Regierungspolitik auch nach und nach an. Nach vielen Anläufen scheint eine Cannabislegalisierung durch die derzeitige Bundesregierung in greifbarer Nähe, und das sogenannte „Drug Checking“ wird in immer mehr Bundesländern durchgeführt.
Trotzdem sind Drogen natürlich auch eine ernsthafte Herausforderung für uns. Zwischen 2012 und 2021 hat sich die Zahl der drogenbedingten Todesfälle in Deutschland von ca. 900 auf 1800 verdoppelt. Höhere Dosierungen chemischer Drogen, schnellere Verfügbarkeit ohne größere Hürden durch „Messenger-Dienste“ und eine neue Welle der Konsumglorifizierung in jugendaffiner Popkultur wie Rap sind mögliche Gründe. Auch hier muss die Wohlfahrtspflege wachsam sein.
In dieser Ausgabe unseres digitalen Mitgliedermagazins schauen wir auf die praktische Arbeit mit Drogen und befragen natürlich auch Menschen, die Erfahrungen mit Drogen gemacht haben, sowohl direkt als auch indirekt. Sowohl der therapeutische als auch der kreative Ansatz wird hier vorgestellt. Aber es kommen auch diejenigen zu Wort, die sich prinzipiell für ein drogenfreies Leben entschieden haben. Wieder einmal ist für jeden und jede was dabei.
Nun bleibt mir nur noch zu sagen: Sie sind selbst dafür verantwortlich, was und wieviel Sie zu sich nehmen. Aber Sie wissen, dass immer Hilfe in der Nähe sein sollte, gegebenenfalls auch bei unseren Mitgliedsorganisationen.
Herzlich, ihr