
„Der Ton ist rauer geworden“
Mit Antragsprozessen kennt sich Birgit Gericke aus. Als Geschäftsführerin ist sie für die BBAG am Standort Brandenburg/Havel tätig. BBAG steht für Bildung, Begegnung, Austausch – gemeinsam. Der Verein arbeitet an drei Standorten. Zu den Angeboten zählen etwa Deutschkurse auf allen Niveaus, Beratungs- und Integrationsangebote für Migrant:innen und geflüchtete Personen, Bildungsangebote zu Europa, Internationale Begegnungen und Städtepartnerschaften, aber auch Angebote der Erwachsenenbildung sowie eigenfinanzierte Sportkurse. Für den größten Teil ihrer Angebote erhält die Organisation Zuwendungen aus Bundes- und Landesmitteln, von der EU sowie von den Kommunen. Und jedes Mal gilt es neu, für Leistungen und Erhalt und angemessene Finanzierung der Personalstellen zu kämpfen. „Wir haben mehr als 30 Jahre Erfahrung in unseren Arbeitsfeldern und sind als erfolgreiche und verlässliche Organisation bekannt und vernetzt. Wir fördern Bildung und Integration mit mittlerweile rund 30 Mitarbeitenden auf der Basis diverser Förderprogramme. Dazu gehört auch die direkte Umsetzung staatlicher Aufgaben wie der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte. Aber wir haben keinerlei institutionelle Förderung. Somit gibt es an keiner Stelle längerfristige finanzielle Sicherheit – weder für den Träger noch für die Angestellten. Eine Kontinuität der Angebote kann so kaum gewährleistet werden. Projekte und Angebote rotieren im 1-3 Jahresrhythmus. Projektbezogene Antragstellungen und Abrechnungen auf der Basis sehr unterschiedlicher Regelwerke kosten immens Energie und Arbeitszeit, welche bei der Umsetzung der Inhalte häufig schmerzhaft fehlen.“ fasst sie die grundsätzliche Situation ihres Trägers zusammen.
Hinzu kommen die enger werdenden Abrechnungsregeln der Projekte. Basiskosten von Vereinen, von Geschäftsführung über Finanzbuchhaltung bis zur anteiligen Flurmiete, aber auch die Kosten für Weiterbildungen von Projektmitarbeitenden sind kaum und immer seltener in angemessenem Umfang abrechenbar. Eigenanteile bis zu 10 Prozent, die durch die Träger einzubringen sind, um staatliche Aufgaben umzusetzen, widersprechen jeder Logik. Da werden Projektanträge auch mal nicht gestellt.

Die politischen Veränderungen auf Bundesebene, gepaart mit den Problemen bei der Erarbeitung eines neuen Bundeshaushalts, führen zu einer Zuspitzung der Lage, welche sich besonders im Deutschsprachkursbereich niederschlägt. Bewährte Kursformate wurden gestrichen oder stark reglementiert. Beispielhaft seien hier die Berufssprachkurse (BSK) auf den Niveaustufen A2, B1/B2 und C1 genannt. Dieses Kursformat ist essenziell, um die nötigen Deutschkenntnisse für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erwerben. Trotz vieler Anmeldungen durch potenzielle Teilnehmende und Zuweisungen durch das Jobcenter lässt das BAMF derzeit kaum Kurse starten. Ein alternativ vom BAMF entwickeltes Angebot ist organisatorisch jenseits großer Städte kaum umsetzbar, viel zu kurz für profunden Spracherwerb und bietet durch das Fehlen einer Abschlussprüfung die Möglichkeit, ein Zertifikat für weitere berufliche und aufenthaltsrechtliche Perspektiven zu erwerben. Hier wird Integration in qualifizierte Berufe verunmöglicht. Sprachschulen können so trotz immensem Bedarf aus Wirtschaft und Zielgruppe ihre Angebote nicht umsetzen. Dieser Zustand, gepaart mit intransparenten und sehr kurzfristigen Aussagen des BAMF zu zukünftigen Plänen im Kursbereich, verunmöglicht Trägern wie der BBAG eine gute langfristige inhaltliche Planung, was auch zu finanziellen Unsicherheiten führt.
Dabei braucht es zugewanderte Arbeitskräfte dringend. So wird das Beschäftigungswachstum in der Pflege laut Aussage der Bundesregierung seit 2022 ausschließlich von Ausländerinnen und Ausländern getragen. Nach acht und mehr Jahren Aufenthalt in Deutschland sind 86 Prozent der Männer mit Fluchthintergrund erwerbstätig. Das sind fünf Prozent mehr als der Durchschnitt aller in Deutschland lebenden Männer, wie eine Studie zur Arbeitsmarktintegration 2024 im Auftrag der Arbeitsagentur zeigt.„An diese Erfolge könnte angeknüpft und Angebote weiterentwickelt und ausgebaut werden, z.B. um auch Frauen mehr mitzunehmen. Stattdessen werden sie nun durch Sparmaßnahmen und Planungsunsicherheiten torpediert.“ so die Wirtschaftsgeographin.
Die BBAG kämpft – wie andere Organisationen im Arbeitsfeld Integration und Migration im Land Brandenburg – weiter. Erst im Sommer traf sie sich mit Bundestagsabgeordneten, um für ihre Angebote und eine ernstgemeinte integrative Willkommenskultur zu werben.