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Ausgabe 03 | 2025: Ankommen und Willkommen
Schwerpunkt
Wer in Deutschland als geflüchtete Person eine Ausbildung macht, hat bessere Chancen, hierzubleiben (Symbolbild)

Ein Abend zwischen Heimat, Hoffnung und Freude

Der Bonner Verein AsA – Ausbildung statt Abschiebung unterstützt junge Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Doch steigende bürokratische Hürden, gestrichene Fördermittel und langwierige Passbeschaffungen erschweren die Arbeit zunehmend.

Ein lautes Stimmengewirr drängt aus den offenen Fenstern eines zweigeschossigen Hinterhofgebäudes in Bonn, hallt von den gegenüberliegenden Häuserwänden wider – getragen von einem Teppich aus Musik, Trommeln und Stimmen. Beim Betreten des Hauses schlägt einem ein schwerer Duft entgegen: Koriander, Kurkuma, Nelken. Es ist Länderabend beim Verein Ausbildung statt Abschiebung (AsA). Alle drei Monate findet er statt, organisiert von den Jugendlichen selbst. Heute steht Guinea im Mittelpunkt.

Einer der Jugendlichen, die diesen Abend gestalten, ist Algassimou. Er trägt eine fliederfarbige Tunika aus seidig glänzendem Stoff mit eingestickten Blumen und lila Rand – traditionelle Kleidung aus seiner Heimat. Während der Beamer sein Gesicht zur Hälfte beleuchtet, berichtet er zusammen mit zwei Freunden über Geschichte, Sprachen und Bodenschätze seines Landes.

„Wir haben viel Bauxit, Diamanten, Eisen – eigentlich müsste es keine armen Guineer geben“, sagt Thierno und fügt trocken hinzu: „Leider haben wir eine schlechte Regierung.“
Das Publikum – viele seiner Landsleute, Geflüchtete, Ehrenamtliche – applaudiert, einige filmen mit dem Handy.

Mit 15 allein zwischen Erwachsenen

Für Algassimou ist dieser Abend sichtbar wichtig: Das Gewand hat er sich extra für diesen Abend besorgt – er trägt es mit Stolz. Im Flur, auf dem Weg zur Küche, drängen sich die Gäste – es gibt traditionell guineisch Essen. Neben Algassimou steht Johanna Strohmeier, Geschäftsführerin des Vereins. Ihre Augen ruhen auf ihm, sie kennt seine Geschichte.

„Er ist 2019 nach Deutschland gekommen. Damals hat das Jugendamt ihn als volljährig eingestuft – obwohl er gesagt hat, dass er 15 ist“, erzählt sie. Das hatte drastische Folgen: Er wurde nicht wie ein Jugendlicher behandelt, sondern wie ein erwachsener Geflüchteter – ohne Schulplatz, ohne Förderung. „Er wurde einfach nicht richtig aufgefangen.“ Sie sagt deutlich: „Wenn man junge Menschen ohne jede Begleitung irgendwohin steckt, ist das menschenverachtend.“

Erst als sein Onkel Jahre später eine Geburtsurkunde aus Guinea beschaffen konnte, wurde sein Alter offiziell anerkannt. Doch dann begann das nächste Warten: auf den Pass. „Ohne Pass gibt es keine Arbeitserlaubnis, keine Ausbildung, keine Perspektive." Ein langer Prozess für den Verein und auch Algassimou. Jetzt, mit 21 Jahren, macht er eine Ausbildung zur Fachkraft Gastronomie – der Verein hat auch hier vermittelt.

Algassimou und Johanna Strohmeier vor der Küche in den Vereinsräumen: Die meisten sind hier vertraut und per du.

„AsA ist zuhause und Johanna wie eine Familie", sagt Algassimou. Der 21-Jährige wirkt glücklich und das Haus in Bonn wie ein geschützter Ort. Im oberen Stock hängen Fotogirlanden an den Wänden: Jugendliche am Strand, auf Freizeiten, an einer Tischtennisplatte. An normalen Tagen finden hier Sprachkurse von A1 bis B2, Alphabetisierung, Bewerbungstrainings, Empowerment-Workshops, Rechtsberatung und Freizeitprojekte statt. 150 Ehrenamtliche engagieren sich, über 350 Jugendliche kommen regelmäßig.

„Es kommt ja niemand freiwillig.“

Einer von ihnen ist Barry. Er ist im dritten Ausbildungsjahr zum Koch. Heute steht er in der Küche und verteilt Essen: Maisbrei, Süßkartoffeln mit Okra, Putengericht mit rotem Palmöl, Garam Masala, Kurkuma, Koriander, Nelken. Drei Stunden hat er gekocht.

Seine Ausbildungspatin Sabine begleitet ihn seit drei Jahren. „Ich helfe beim Lernen, bei Dingen, die kompliziert sind“, sagt sie. Manchmal auch bei Behördenbriefen oder Prüfungen. Eine davon musste Barry wiederholen – nicht, weil er sie nicht konnte, sondern weil er eine Frage sprachlich nicht verstanden hatte.

Sabine steht jetzt im Gemeinschaftsraum mit einem vollen Teller. Neben ihr tanzen dreißig junge Männer, ausgelassen, laut, mit großen, weiten Bewegungen. Lebensfreude füllt den Raum, die Musik ist dröhnend. „Es ist doch sinnvoll, dass die Jugendlichen hier eine Ausbildung machen“, sagt Sabine. „Es kommt ja niemand freiwillig.“

Später, als Barry den letzten Teller ausgegeben hat, kommt Sabine mit ihrem leeren zurück. Sie lächelt, sieht ihn an: „Du hast gut gekocht.“ Dann umarmt sie ihn zum Abschied.

Viele Stunden haben Thierno, Barry und Algassimou (v.l.) in Vorbereitung für den guineischen Abend gesteckt.

Auch Geschäftsführerin Johanna Strohmeier hat gegessen. „Das ist so lecker“, sagt sie, lächelt. Einige der Rezepte hat sie schon in ihre eigene Küche übernommen. Dann wird sie wieder ernst: „AsA gibt es seit fast 25 Jahren. Aber der Name ist aktueller denn je.“

Denn: Die politischen und finanziellen Bedingungen haben sich verschärft. Viele Sprachkurse wurden gestrichen, Förderprogramme eingestellt. Zwar bekommt AsA noch Landesmittel, aber der Konkurrenzdruck sei enorm. „Die Antragsflut bei Stiftungen ist riesig – alles wird schwieriger.“

Das Aufenthaltsrecht sei komplexer denn je. Die Beratung werde nicht nur von den Jugendlichen gebraucht – sondern auch von den Betrieben, in denen sie arbeiten. „Auch die Arbeitgeber brauchen uns. Es fehlt an Wissen, an rechtlicher Klarheit, an Begleitung.“

Abschiebung wegen fehlendem Arbeitsvertrag

Und immer wieder: das Problem mit den Pässen. Johanna spricht auch von politischem Gegenwind.

„Wir erleben immer wieder die Androhung von Abschiebungen, häufig auch rechtswidrig.“ Sie berichtet von Fällen, in denen Jugendliche aus der Ausbildung heraus abgeschoben werden sollten oder in denen über Jahre keine Arbeitserlaubnis erteilt wurde.

Aktuell befinden sich etwa 100 Jugendliche bei AsA in Ausbildung. Johanna sagt offen: „Wir nehmen gezielt die auf, die ein unsicheres Aufenthaltsstatut haben. Andere haben bessere Chancen.“ Denn genau dort, wo staatliche Strukturen versagen, fange AsA auf – mit Beratung, Begleitung und dem, was den meisten fehlt: Vertrauen.

Der Abend klingt langsam aus. Stimmen und Lachen wehen noch aus dem Haus. Im Hof bleibt ein Hauch von Gewürzen in der Luft.

Annabell Fugmann

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