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Ausgabe 03 | 2025: Ankommen und Willkommen
Schwerpunkt
Pauline Nadim Ducos (rechts) bei der Arbeit.
Interview

Hilfe für Geflüchtete mit Behinderung

Unsere Mitgliedsorganisation Handicap International hilft überall auf der Welt Menschen mit Behinderung. Wir sprachen mit Pauline Nadim Ducos, die in Uganda für die Organisation vor Ort ist, über kulturelle und finanzielle Herausforderungen.

Pauline, erzähl bitte etwas von dir und was dich persönlich motiviert, mit Menschen mit Behinderung für Handicap International in Uganda zu arbeiten.

Ich bin Programmdirektorin für Uganda bei Handicap International. Das bedeutet, dass ich den Überblick über das ganze Land habe. Mein Arbeitsplatz ist in Uganda. Handicap International ist eine der Organisationen, die hier zum Thema Behinderung arbeiten. Wir leisten dort unmittelbar Hilfe, fokussieren uns aber inzwischen mehr auf langfristige Veränderungen. Warum ich mit Menschen mit Behinderungen arbeiten möchte? Das hat auch mit meinem persönlichen Hintergrund zu tun. Meine Mutter arbeitete in einer Berufsschule für Hörgeschädigte. Auch ich selbst habe eine Einschränkung beim Hören, ebenso wie viele Menschen in dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Man könnte sagen, dass ich mit Menschen mit Einschränkungen aufgewachsen bin und die vielen Herausforderungen, die sie im Leben haben, kenne. Das hat mich vorbereitet auf den Job bei Handicap International. Und warum ich in Uganda arbeiten wollte? Mich hat der humanitäre sowie der Flüchtlingskontext interessiert. Dazu konnte ich in Uganda arbeiten.

Wie kann man die aktuelle Situation in Uganda beschreiben? Und warum flüchten so viele Menschen aus dem Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo dorthin?

Zunächst einmal: Es flüchten nicht nur Menschen aus dem Südsudan und dem Kongo. Aber ja, die Mehrheit kommt aus dem Kongo. Wenn man sich die Grenzverläufe auf der Karte von Uganda ansieht, kann man gut sehen, wo die Unterkünfte der Geflüchteten sind. Im Süden sind viele Menschen aus der Demokratischen Republik Kongo, die von dort vor bewaffneten Konflikten geflohen sind. Viele haben sexualisierte Gewalt während des Krieges erlebt. Viele von ihnen waren zuvor in Ghana und haben einen langen Weg hinter sich. Seit Jahresbeginn leben fast 135.000 geflüchtete Menschen in Uganda. Das ist ein Anstieg um 22 Prozent in einem Jahr. Im Norden von Uganda befinden sich viele Geflüchtete aus dem Südsudan. Auch sie flüchten vor Konflikten und vor Armut. Früher kamen auch viele Geflüchtete aus Ruanda, Burundi, Äthiopien und weiteren Staaten. Wichtig ist dabei zu wissen, dass etwa 60 Prozent aller afrikanischen Geflüchteten in Uganda sind. Uganda ist also das wichtigste Flüchtlingsland auf dem afrikanischen Kontinent. Der Grund ist, dass hier eine offene Politik gegenüber Geflüchteten herrscht. Sie können hier schnell sesshaft werden, haben ein Arbeitsrecht, bekommen kostenlos Gebiete, auf denen sie sich Häuser bauen dürfen und können sich frei bewegen. Das ist in anderen afrikanischen Staaten nicht so. In Kenia beispielsweise dürfen Geflüchtete sich nicht frei bewegen.

Welche besonderen Herausforderungen haben Geflüchtete mit Behinderungen in Uganda?

Eine Menge. Zunächst einmal erleben sie viele, teils auch kulturell bedingte Stigmatisierungen, die sich in unsensiblen Verhaltensweisen ausdrücken. Ein Beispiel: Eine unserer Klientinnen mit einer Sehbeeinträchtigung ging zu einer Hebamme und musste sich fragen lassen, warum sie denn schwanger sei, als ob eine Frau, die nicht gut sehen kann, keine Kinder kriegen sollte. Eine weitere Beeinträchtigung sind Zugangsbarrieren. Die wenigsten öffentlichen Gebäude oder Transportmittel in Uganda sind barrierefrei. Dann gibt es zahlreiche Kommunikationsprobleme. Sprachkurse werden selten speziell für Menschen mit Behinderungen angeboten, Bücher gibt es kaum in Braille-Schrift und kaum Informationen in leichter Sprache. Die Politik in Uganda ist schon bemüht, dass Problem zu lösen, aber es gibt immer noch einiges zu tun. Und natürlich gibt es intersektionell bedingte Barrieren. Eine Frau mit Behinderung zu sein ist nicht dasselbe wie ein Mann mit Behinderung zu sein. Eine Frau mit Behinderung bekommt dazu noch mehr geschlechtsspezifische Gewalt zu spüren als eine Frau ohne Behinderung. Eine geflüchtete Person mit Behinderung erfährt insgesamt mehr Diskriminierung als eine ohne Behinderung. In Uganda gibt es auch engagierte Organisationen, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzen. Aber spezielle Interessengruppen für Geflüchtete mit Behinderung gibt es noch nicht. Auch Vernetzungen zwischen Geflüchteten und Einheimischen mit Behinderung in Uganda sehe ich noch nicht.

Wie sieht deine Arbeit und die Hilfe, die du bietest, genau aus?

Wir bieten verschiedene Projekte an. Derzeit sind es insgesamt zehn. Eins davon ist die inklusive Bildung, mit der wir dafür sorgen möchten, dass die Schulen mehr Zugänge für Menschen mit Behinderung bieten. Besonders Mädchen und Teenagerinnen unterstützen wir dort mit genderbasierten Programmen. Außerdem treten wir an die Lehrer*innen heran, um sie zum Thema Behinderung zu sensibilisieren. Natürlich unterstützen wir die Schulkinder mit Behinderung auch direkt, etwa indem wir gehbehinderten Kindern Rollstühle geben und mit ihnen auch den Gebrauch üben. Wir bieten auch Sprachtherapie an. Für Erwachsene bieten wir inklusive Gesundheitshilfe an und unterstützen Menschen mit Behinderung bei Fragen zu Sexualität. Wir sind selbst keine Gesundheitsorganisation, arbeiten aber mit Kolleg*innen aus diesem Bereich zusammen und unterstützen sie auch. Wir vermitteln ihnen Basiswissen zu Kommunikation und sensibilisieren. Außerdem haben wir einen 3D-Drucker, der individuelle Prothesen herstellt. Damit reisen wir auch in andere Länder. Wir betreiben auch Physiotherapie-Einrichtungen und helfen bei der frühkindlichen Entwicklung. Auch Eltern helfen wir dabei, ihre Kinder mit Behinderung zu unterstützen und sie auch gegen Stigmatisierungen von außen zu wappnen. Das machen wir nicht nur vor Ort, sondern vernetzen uns und andere auch, indem wir beispielsweise im April beim Disability Global Summit in Berlin waren und die deutsche und die ugandische Botschaft zusammengebracht haben zum Thema Behinderung.

Zum Schluss möchte ich noch einmal auf das World Food Programm zu sprechen kommen, welches letztes Jahr stark zusammengekürzt wurde. Wie sehr beeinflusst das eure Arbeit?

Es betrifft unsere Klient*innen mehr als unsere Arbeit, die aber leider sehr stark. Durch die Kürzungen der US-Regierung bekommen jetzt eine Million Geflüchtete von einer Woche auf die andere keine Unterstützung mehr. Viele Kürzungen wirken sich auf Programme zur Unterstützung Geflüchteter bei ihrer Ankunft im Aufnahmeland aus. 53 Prozent aller Haushalte, in denen mindestens ein Mensch mit Behinderung lebt, sind von den Kürzungen betroffen und erhalten gar nichts mehr. Es wird versucht, dies irgendwie zu kompensieren, aber eine nachhaltige Lösung gibt es nicht. Viele versuchen jetzt, dringend Geld zu verdienen, aber Arbeitsplätze sind manchmal einen ganzen Tag Fußweg entfernt. Das ist für Menschen mit Behinderung ohne Hilfe nicht zu schaffen, auch nicht für die Angehörigen, denn dann können sie ihr behindertes Familienmitglied ja nicht mehr unterstützen, wenn sie den ganzen Tag arbeiten gehen. In der Folge besuchen weniger Kinder die Schulen, weil sie ihre Eltern durch Betteln oder Arbeit finanziell unterstützen müssen. Selbstmorde haben ebenfalls zugenommen, da so viele Menschen verzweifelt sind. Und es gibt mehr Bedarf nach psychologischer Hilfe.

Das Interview führte und übersetzte Philipp Meinert

Contributing to DRC Refugees Crisis Response in Uganda : HI-ARD work under INSPIRE Project (CDCS)

Ein Bericht über die Arbeit von HI in Uganda.

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