
Mehr als nur Deutsch lernen
Die FAU ist in Sondershausen und damit einer kleinstädtischen Gegend mit einem eher geringen Migrant*innen-Anteil angesiedelt. Warum sind Sie mit Ihrem Angebot nicht in einer Großstadt, wo der Anteil in der Regel deutlich höher ist?
Rauschenbach: Das hat organisatorische Gründe. Die FAU ist eine Gesellschaft der Kommune Sondershausen und der Stadt Greußen. Ursprünglich wurden wir mal als Beschäftigungsgesellschaft gegründet, um die große Arbeitslosigkeit vor Ort abzufedern. Mit der Zeit sank hier die Zahl der Arbeitslosen, aber es gab weiterhin den Wunsch der Kommunen, dass mit Langzeitarbeitslosen gearbeitet wird. Und davon haben halt einige einen Migrationshintergrund und denen machen wir verschiedene spezielle Angebote. Neben den sog. MiA-Kursen betreiben wir ein Stadtteilzentrum in einem Viertel, in dem viele Migrant*innen leben. Dort bieten wir Beratungsangebote speziell für die Integration in Arbeit.
Was genau sind MiA-Kurse?
Rauschenbach: Das ist ein niedrigschwelliger Kurs für migrantische Frauen. Das wäre meine Erklärung in einem Satz. Für alles weitere würde ich an meine Kollegin Frau Schäfer übergeben. Die weiß mehr.
Schäfer: MiA steht für “Migrantinnen einfach stark im Alltag“ und ist ein Sprach- und Integrationskurs. Wir unternehmen viele Sachen mit den Frauen. Es ist wichtig, dass sie nicht nur zu Hause sitzen, sondern auch mal raus kommen, Deutsch lernen und untereinander Kontakte knüpfen. Und darum geht es bei MiA. Über den Paritätischen haben wir vier Kurse zugewiesen bekommen. Diese bieten wir immer Montag und Freitag an. Oft kommen auch externe Besucher*innen. Kürzlich war zum Beispiel die Mitarbeiterin eines Frauenhauses zu Gast, die über die Rechte von Frauen in Deutschland aufgeklärt hat, oder eine Frau von der Ausländerbehörde, die etwas zur Schulpflicht in Deutschland erklärt hat. Wir machen auch Ausflüge in die Umgebung.

Wie kommen die MiA-Kurse bei den Klientinnen an?
Schäfer: Sehr gut. Am Anfang waren viele schüchtern, aber sie haben sich geöffnet. Viele treffen sich jetzt auch außerhalb der Gruppe und helfen sich gegenseitig. Einige Frauen verbringen dann auch das Wochenende miteinander und unterstützen sich zum Beispiel bei Amtsterminen.
Wie sind Sie auf das Angebot aufmerksam geworden?
Rauschenbach: Wir sind erst über den digitalen Rundbrief des Paritätischen erstmalig auf die MiA-Kurse gestoßen. Der Verband hat dafür geworben und unsere Koordinatorin im Landesverband hat uns darauf aufmerksam gemacht. Und die Kurse passten gut zu uns. Sie ergänzen sich etwa ganz gut mit unseren Programmen für russische Spätaussiedlerinnen und ukrainischen Geflüchtete. Und es ist für ein Förderprogramm ziemlich unkompliziert zu handhaben. Da dachten wir, wir probieren es mal. Jetzt haben wir insgesamt fünf MiA-Kurse, die wir anbieten, und für uns sind sie mittlerweile unverzichtbar.

In Thüringen ist die AfD sehr stark. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit im Migrations- und Integrationsbereich aus?
Rauschenbach: Es ist kompliziert. Wir haben hier in Thüringen eine schwierige Grundstimmung in der Bevölkerung. Wir achten bei der FAU sehr genau darauf, dass wir die Integrationskurse professionell absolvieren und deren Ziele erreichen. Natürlich ist man als Anbieter solcher Kurse auch ein Stück weit politisch. Von unseren Gesellschaftern, die ja Kommunen sind, in denen auch AfD-Vertreter sitzen, haben wir bisher zum Glück keinerlei Einschränkungen bekommen. Im Gegenteil. Die meisten freuen sich über unsere Projekte, weil wir hier einen Bedarf abdecken, den das BAMF nicht abdeckt. Geflüchtete müssten ohne uns teilweise jahrelang auf einen Sprach- oder Integrationskurs warten. Die Lücke füllen wir. Klar, ich muss hier auch mal gegen populistische Phrasen anargumentieren und zur Versachlichung beitragen. Aber Facebook ist ja nicht die Gesamtbevölkerung. Trotzdem merken wir, dass es hier trotz Fachkräftebedarf schwierig ist, Menschen mit Migrationsgeschichte zu vermitteln. Gerade von kleineren Unternehmen haben wir schon die Rückmeldung bekommen, dass die Mitarbeiter keine Kollegen mit Migrationshintergrund wollen. Bei manchen Unternehmen ist das bei guter Ausbildung und Deutschkenntnissen kein Problem.
Das Interview führte Philipp Meinert
