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Ausgabe 04 | 2022: Wohlfahrt Kreativ
Verbandsrundschau
Von links nach rechts: Katja Schwarz (Paritätischer NRW), Christoph Eckhardt (Facharbeitskreis Nachqualifizierung) und Tina Hofmann (Paritätischer Gesamtverband).
Veranstaltungsbericht

Schubkraft von vielen Seiten nötig

Erkenntnisse aus der Paritätischen Tagung „Gestärkt durch Bildung auf dem Weg nach oben“ zur Fort- und Weiterbildung von Arbeitslosen.

Verbunden mit der Absicht, den geltenden Vermittlungsvorrang abzuschaffen, aufgrund dessen die Jobcenter Arbeitslose häufig in eine lediglich kurzfristige Helfertätigkeit vermitteln, steht die Reform des Hartz IV-Systems zu einem Bürgergeld kurz bevor. Zukünftig soll genauer hingeschaut werden, ob Hartz IV-Empfänger*in alternativ mit einer Fort- und Weiterbildung gefördert und so langfristig besser Fuß auf dem Arbeitsmarkt fassen können. 

Welche Weichenstellungen muss es in der Politik und Praxis geben, damit diese Idee funktionieren kann? Das war eine Leitfrage der Paritätischen Tagung „Gestärkt durch Bildung auf dem Weg nach oben“ am 02. Juni 2022 in Frankfurt am Main. Im Fokus müsste insbesondere eine Fort- und Weiterbildung, die zum Berufsabschluss führt stehen, doch damit wurde zuletzt noch nicht einmal jede*r 60. Arbeitslose von seinem Jobcenter gefördert, wie sich aus den  präsentierten Daten von Frau Dr. Lang, Wissenschaftlerin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), erkennen ließ.

Eine Frau steht an einem schwarzen Pult und referiert. Hinter ihr ist ein Balkendiagramm an die Wand projeziert.
Frau Dr. Lang von IAB stellt Ergebnisse vor.

Herr Nehring, Geschäftsführer des Jobcenters Hildesheim, berichtete über Ergebnisse einer Befragung seines Jobcenters unter Hartz IV-Empfänger*innen.  Danach interessieren sich viele für eine Fort- und Weiterbildung und haben sich  auch schon längere Zeit damit befasst. Für einen neuen „Weiterbildungsschub“ müssten in den Jobcentern aber erst die Voraussetzungen geschaffen werden, machte Herr Nehring klar. Bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Hartz IV-System ist in den Jobcentern nicht das notwendige Spezialwissen zu dem Thema verankert worden. Beratungskompetenzen müssten neu aufgebaut und die Betreuungsschlüssel verbessert werden. Arbeitsagenturen und Jobcenter halten sich aktuell mit der Ansprache von potentiellen Teilnehmenden zu stark zurück, so mehrfache Rückmeldungen.

Was in der Praxis gemeinnütziger Bildungsträger gut funktioniert, um Arbeitslose mit geringen Bildungsvoraussetzungen erfolgreich zum Berufsabschluss zu führen, berichtete u.a. Sascha Eberhardt aus der Gemeinnützigen Gesellschaft für Integration, Beschäftigung und Ausbildung (GIBA), Rottenburg. Sie organisiert Aus- und Weiterbildungen in Metallberufen. Alle Qualifizierungen starten mit einer ausgeklügelten Eingangsanalyse. Die dann folgende Förderung ist individuell zugeschnitten. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die besonders enge Kooperation mit Betrieben, denn der Bildungsträger setzt Auftragsfertigung und Ausbildungsmodule für Betriebe um.

Wie Langzeitarbeitslose im Erwachsenenalter erfolgreich mit dem sog. “Frankfurter Weg zum Berufsabschluss“ geführt werden können, präsentierte Volker Tollkühn, smart work frankfurt gGmbH. Der Ansatz überzeugt v.a. durch das integrierte Lernen im Arbeitsprozess und die langjährig gelebte Kooperation des Trägers mit Kammern, Jobcenter, Stadt, Arbeitsagenturen u.a. Akteuren. Letzteres ist andernorts keinesfalls so ausgeprägt vorhanden, wie die Diskussion zeigte; unter Bildungsträgern herrscht im Wettbewerb nicht selten ein „Fressnapfdenken“, so Herr Nehring. Einige Arbeitslose scheuen aus finanziellen Gründen vor einer Weiterbildung zurück mit der Frage, ob sie die damit einhergehenden finanziellen Mehrbelastungen schultern können und sich die Weiterbildung in Zukunft tatsächlich auszahlt.

Wenn die Teilnehmer*innen der Weiterbildung mit Beginn ihrer Qualifizierung bereits einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz in einem Helferberuf erhalten und berufsbegleitend zum Berufsabschluss geführt werden, können diese Hemmnisse aufgefangen werden, so Christoph Eckhardt, Sprecher des Facharbeitskreises Nachqualifizierung e.V. und Werner Fuhrmann, der ein entsprechendes Beispiel mit dem „Modellprojekt Pflege“ des Quaz.Ruhr in Bochum für die Ausbildung zum/zur Pflegefachassistent*in präsentierte. Klar zu sein scheint aber auch: Für derartige Modelle lassen sich wohl am leichtesten Arbeitgeber finden, die wie etwa in der Pflegebranche oder dem Handwerk längerfristig einen hohen Fachkräftebedarf decken müssen.

Tina Hofmann ist Referentin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

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