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Ausgabe 05 | 2022: Selbsthilfe
Schwerpunkt
privat
Junges Engagement für die Selbsthilfe

Influencerin Mandy Fleer im Interview

Mandy Fleer ist seit einigen Jahren in der Selbsthilfe aktiv und setzt sich für einen vorurteilsfreien Blick auf psychische Erkrankungen und das Thema Selbsthilfe ein. Mit uns hat sie über ihr Engagement, auch für die Aktionswoche Selbsthilfe 2022, gesprochen.

Was ist Ihre ganz persönliche Definition von Selbsthilfe?

Selbsthilfe bedeutet für mich Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen, dieses Gefühl verstanden zu werden, weil man ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Und für mich persönlich mittlerweile vor allem mein Engagement und meine Ehrenämter im Bereich Selbsthilfe, sich dafür einzusetzen die ganzen Vorurteile über Selbsthilfegruppen abzubauen und der Kontakt mit anderen, vor allem jungen Aktiven aus der Selbsthilfe, auch Themen- und Krankheitsübergreifend.

Wie sind Sie zur Selbsthilfe gekommen?

Ich bin vor mittlerweile 5 Jahren zur Selbsthilfe gekommen. Ich wusste zunächst nicht, was das eigentlich ist. Meine damalige Therapeutin hat zu mir gesagt, ob das nicht etwas für mich wäre? Dass ich mir mal überlegen sollte, ob mir das nicht vielleicht helfen würde. Ich habe dann gegoogelt und auch die Website einer Gruppe in meiner Stadt gefunden, die sich mit dem Thema soziale Phobien beschäftigt. Ich habe mir die Website ganz oft durchgelesen und draufgeschaut und wäre auch gern hingegangen, aber ich habe es mich irgendwie nicht getraut. Vor allem weil da stand, dass da 20 Leute sind und die Vorstellung, in eine Gruppe zu kommen, wo sich alle schon kennen und man ist neu. Gerade auch bei dem Thema soziale Ängste ist das dann eh noch mal schwieriger und das war dann für mich einfach nicht möglich da hinzugehen.

Ein paar Monate später habe ich dann in der Facebookgruppe meiner Uni in Braunschweig einen Beitrag gesehen, dass Leute gesucht werden für eine Gruppe für junge Erwachsene zum Thema Depressionen. Und wenn man Interesse hat dabei zu sein, dann sollte man sich an die Kontaktstelle wenden. Das war eigentlich nicht direkt mein Thema, aber das war für mich die einzige Möglichkeit hinzugehen, weil ich wusste, die Gruppe ist dann neu und die Leute kennen sich noch nicht. Deshalb dachte ich: Jetzt oder nie und habe mich bei der Kontaktstelle gemeldet und war auch bei dem ersten Treffen. So bin ich dann zu meiner ersten Selbsthilfegruppe gekommen.

FH Bielefeld (Gestaltung)

Zunächst haben Sie also Selbsthilfeangebote in Anspruch genommen und mittlerweile engagieren Sie sich auch aktiv in der Selbsthilfe…

Ich war einige Monate in der Gruppe zum Thema Depressionen. Und dann gab es die Einladung zum Bundestreffen der jungen Selbsthilfe, ich meine das war im November 2017. Auf jeden Fall sind dann die Gruppenleiterin und ich zusammen dahin gefahren und dort habe ich zum ersten Mal gesehen, wie groß und vielfältig Selbsthilfe ist. Ich war dann ganz beeindruckt davon, wie viele junge Leute es gibt, die alle super engagiert sind und gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollen. Dort sind verschiedene Projekte und Ideen entstanden, zum Beispiel auch die Idee für den Lebensmutig. Junge Selbsthilfe Blog, für den ich schreibe. Bei dem Bundestreffen haben sich Leute zusammen gefunden in verschiedenen Arbeitsgruppen und wir haben auch über das Treffen hinaus weiter an den Themen gearbeitet. Das war auch für mich der Beginn meines ehrenamtlichen Engagements.

Momentan ist es so, dass ich noch keine Gruppe wieder gefunden habe. Als ich in einer anderen Stadt studiert habe, war ich in einer Selbsthilfegruppe und dort auch bei einem Stammtisch junge Selbsthilfe. Seit ich wieder in der Heimat zurück bin, habe ich es leider noch nicht geschafft, wieder zu einer Gruppe zu gehen.

Was möchten Sie Menschen mit auf den Weg geben, die sich nicht trauen, den ersten Schritt zu wagen, um zum Beispiel eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen?

Ich würde sagen, es ist für die meisten Menschen schwierig und eine große Herausforderung und kostet viel Überwindung, zum ersten Mal zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen. Und ich merke selbst, obwohl ich schon in verschiedenen Gruppen war und super viel Bezug zu dem Thema habe, es trotzdem schwer ist, wieder in eine neue Gruppe zu gehen.

Und wenn es das erste Mal ist, ist es sicher noch viel schwieriger. Mir hat immer geholfen, mir vorzustellen, dass es den anderen ja auch so geht. Die können das dann auch nachfühlen, dass der erste Schritt dahin zu gehen und die nächsten Male noch schwierig sein können. Was ich auch wichtig finde ist, dass es keinen Zwang gibt. Wenn man merkt, es harmoniert in der Gruppe nicht, es passt für einen nicht, dann muss man nicht mehr hingehen oder kann sich an die Kontaktstelle wenden und schauen, ob es noch eine andere Gruppe gibt.

In den Gruppen, in denen ich war, gab es auch keinen Druck, sich direkt total intensiv einbringen zu müssen. Ich saß da wochenlang die meiste Zeit schweigend da und habe eher zugehört und das ist auch vollkommen ok. Gerade am Anfang kann jeder verstehen, wenn man da nur sitzt, sich das anschaut, zuhört, weil es einfach Zeit braucht, bis man angekommen ist, sich wohl fühlt und Vertrauen zu den anderen aufgebaut hat, um dann seine eigenen Themen einzubringen.

Ein Tipp wäre, sich vor Beginn mit dem*der Gruppenleiter*in zu treffen. Mit dem*der Gruppenleiter*in hat man meist sowieso vorher Kontakt, um mehr über die Gruppe zu erfahren und wie die Treffen ablaufen. Man kann sich dann 10 oder 15 Minuten vor Beginn treffen und anschließend gemeinsam zu dem Treffen mit der Gruppe gehen. Das hat es für mich immer leichter gemacht, weil man eben nicht allein in eine Gruppe kommt, in der sich eventuell schon alle kennen und an einen Ort, den man nicht kennt.

Anna Evgen

Warum unterstützen Sie die Aktionswoche Selbsthilfe 2022?

Ich unterstütze die Aktionswoche Selbsthilfe, weil ich finde, dass es ein tolles Event ist. Ich finde es super, dass das Thema dadurch mehr Aufmerksamkeit erfahren soll und hoffentlich auch wird. Es gibt leider immer noch viele Leute, die nicht wissen, dass es dieses Angebot überhaupt gibt oder schlimmstenfalls nur irgendwelche Vorurteile haben.

Und ich hoffe, dass durch die Aktionswoche mehr Menschen von der Selbsthilfe erfahren und auch merken, wie vielfältig Selbsthilfe ist, wie viele verschiedene Angebote es gibt, dass es super viele verschiedene Themen gibt, zu denen Selbsthilfegruppen existieren. Es wäre super, wenn mehr Menschen Selbsthilfe als Hilfsmöglichkeit für sich selbst in Betracht ziehen würden.

Kurz gesagt, ich bin dabei, weil ich es sehr gut finde, die Aufmerksamkeit auf das Thema Selbsthilfe zu lenken und Vorurteile diesbezüglich abzubauen.

Mit welchen Aktivitäten begleiten Sie die Aktionswoche Selbsthilfe?

Ich werde bei der digitalen Auftaktveranstaltung am 1. September dabei sein und diese auf meinem Instagram-Account begleiten. Auch die gesamte Aktionswoche werde ich aktiv online begleiten. Ich werde täglich auf ausgewählte Veranstaltungen hinweisen, um meine Follower*innen über die spannenden Events zu informieren.

Außerdem werde ich mich auf Instagram jeden Tag mit einem Thema zur Selbsthilfe beschäftigen, zum Beispiel damit, wie man sich ehrenamtlich in der Selbsthilfe engagieren kann oder welche Formen der Selbsthilfe es gibt. Ich freue mich auch auf das “Bullshit-Bingo”, welches wir kurz vor der Aktionswoche starten werden. Damit möchte ich auf bestehende Vorurteile bezüglich der Selbsthilfe aufmerksam machen und Menschen dazu anregen, diese mal zu überdenken. Und super wäre es natürlich auch, wenn die Menschen Ihre Erfahrungen auf Social Media teilen würden, auch zu der Frage, was Selbsthilfe für sie persönlich bedeutet.

Was braucht die Selbsthilfe aus Ihrer Sicht, um noch besser aufgestellt zu sein?

Die Selbsthilfe braucht mehr finanzielle Mittel für Projekte jeglicher Art und vor allem Personal. Es existieren oft nur Projektstellen für Leute, die in der Selbsthilfe aktiv sind bzw. arbeiten. So gibt es viele Veränderungen zum Beispiel in den Kontaktstellen, auch beim Personal, und das ist manchmal schwierig mit dem Vertrauen, wenn man dann immer wieder mit anderen Mitarbeiter*innen dort zu tun hat.

Mehr Austausch in jeglicher Hinsicht zwischen Kontaktstellen und Leuten, die in Selbsthilfegruppen aktiv sind, würde ich ebenfalls sehr gut finden, um Bedarfe noch besser zu verstehen. Und generell mehr themenübergreifender Austausch innerhalb der Selbsthilfe.

Das Interview führte Stefanie Köhler

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Wir sind Parität-Blogbeitrag von Mandy Fleer

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Website von Mandy Fleer: http://mutsammlerin.de/

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