Balu und Du
„Ich ging mit der Erwartung an das Projekt, Moglis Leben zu ändern, dabei veränderte er meins.“ Balu und Mogli, die beiden Helden aus dem Dschungelbuch, kommen aus ganz unterschiedlichen Welten und werden doch schnell Freunde, die voneinander lernen. Nach dem Vorbild des Kinderbuchklassikers funktioniert auch das Mentoringprogramm „Balu und Du“: Engagierte junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren übernehmen als Balu eine Patenschaft für ein Grundschulkind (Mogli) aus sozial herausfordernden Umständen. Das Programm, das 2001 als Modellprojekt in Köln und Osnabrück startete, ist mittlerweile an fast 90 Standorten in Deutschland und Österreich aktiv. In Bremen wird es seit 2008 durch die Freiwilligen-Agentur Bremen umgesetzt.
Einmal wöchentlich treffen sich die Balus mit ihren Moglis – mindestens ein Jahr lang. Durch persönliche Zugewandtheit und aktive Freizeitgestaltung helfen die Balus den Kindern, sich zu entwickeln und die Herausforderungen des Alltags zu meistern. Zeit und Aufmerksamkeit, die bei diesen Kindern sonst oft zu kurz kommt. Und wie das Zitat der Bremerin Sarah oben zeigt, profitieren beide Seiten von dieser Patenschaft.
Die gemeinsame Zeit gestalten die Balus mit ihrem Mogli ganz unterschiedlich. Oft sind es die kleinen Momente, die große Wirkung entfalten: Da gibt es Mark, der sich endlich Schuhe und Helm zubinden kann, weil sein Balu Aljoscha es ihm mit Geduld beigebracht hat. Oder Mohammed, der Antje zum Lachen bringt, weil er ihre Redewendungen übernimmt und sie mit den eigenen Argumenten schlägt. Chelsea, deren Hand beim Erkunden der neuen Schule Halt suchend in die von Mirjam gleitet. Der schüchtern wirkende Nico, der an der Seite von Michaela im Selbstbehauptungskurs das Brett durchtritt.
Über die Hälfte der Freundschaften hat über das Programm hinaus Bestand, einige Balus haben sogar noch Kontakt zu ihren Moglis, wenn diese selbst schon erwachsen sind. In Bremen sind seit 2008 bereits mehr als 280 Balu-Mogli-Tandems entstanden, aktuell sind 80 Balus und Moglis gemeinsam unterwegs. Das Programm federt Chancenungerechtigkeit ab, erkennt Begabungen und fördert die positive Entwicklung der Kinder. Diese werden von Bremer Lehrer*innen vorgeschlagen, zum Beispiel wenn sie allgemein schüchtern und zurückhaltend sind, keine Freunde haben, zu Hause kaum wahrgenommen werden oder viel Verantwortung zu Hause übernehmen.
Die Bremer Balus nutzen die Freiwilligen-Agentur als „emotionale Tankstelle“, hier können sie unter pädagogischer und psychologischer Begleitung Belastendes loswerden, sich austauschen und neu ausrichten. Denn manchmal werden sie auch mit heiklen Themen konfrontiert, etwa wenn die Moglis in Übergangswohnheimen leben oder der Aufenthaltsstatus der Familie unklar ist.
Die zum 20. Jubiläum geplanten Feierlichkeiten fielen Corona zum Opfer, das Geld für die Geburtstagsparty fließt nun in die Unterstützung der bundesweiten Programmarbeit.
Lisa Schwarzien ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Paritätischen Bremen.