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Ausgabe 05 | 2021
Schwerpunkt

Katastrophenschutz der Zukunft - Das sagen Mitglieder

"Was muss getan werden, um Katastrophen in Zukunft besser bewältigen zu können?" fragten wir Paritätische Mitgliedsorganisationen, die der Verband im Bündnis Aktion Deutschland Hilft vertritt.

Eine gute Vorbereitung auf Naturkatastrophen rettet Leben

Wenn eine Katastrophe eintrifft, wird die unüberschaubare Situation durch mangelnde Vorbereitung, Versorgung und gesellschaftliche Beteiligung extrem verschärft. Deshalb ist es wichtig, die Menschen in Risikogebieten zu stärken, damit sie im Ernstfall schneller handeln und regieren können. Frühwarnsysteme und die Einrichtung von Evakuierungs- und Notfallplänen, etwa für Schulen und Krankenhäuser, tragen zur Sicherheit bei. Darüber hinaus sind Vorsorgetrainings der Bevölkerung über richtiges Verhalten im Ernstfall eine unverzichtbare Investition, um Leben zu retten. Kinder, Ältere und Menschen mit Behinderungen müssen besonders mit einbezogen werden, denn sie brauchen im Ernstfall auch besondere Unterstützung.

Im Bundesstaat Uttarakhand, eine der seismisch aktivsten Regionen Indiens, bebt regelmäßig die Erde. Hier leistet das Kinderhilfswerk GLOBAL CARE inklusive Katastrophenvorsorge: Schülerinnen und Schüler von 15 Schulen, die Dorfbevölkerung von 20 Dörfern sowie Gesundheitspersonal werden auf Katastrophen vorbereitet und in Erster Hilfe sowie Such- und Rettungsmaßnahmen ausgebildet.

Für eine effektive Minimierung von Katastrophenrisiken müssen alle sozialen Gruppen einer Gesellschaft einbezogen werden. Durch die aktive Inklusion von Menschen mit Behinderung werden spezielle Bedürfnisse und Herausforderungen beachtet und individuelle Lösungen in die Katastrophenvorsorge integriert.

Während äußere Verletzungen in einer Katastrophe für jeden sichtbar sind, dürfen vor allem die seelischen Wunden insbesondere bei Kindern nicht außer Acht gelassen werden. Ein größeres Bewusstsein für die akute und langfristige psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern ist daher unabdingbar und daher auch ein wichtiger Aspekt der Notfallpädagogik. Hierfür ist im Krisen- und Katastrophenfall jedoch schnelles, unbürokratisches Handeln von essentieller Bedeutung. Eine gute Vernetzung und gezielte Absprachen sowie ein erweitertes Verständnis der Kernkompetenzen verschiedener Hilfsorganisationen sind daher genauso wichtig wie ein langfristiges, niederschwelliges psychosoziales Angebot für die Betroffenen vor Ort. Im Idealfall kann auf diese Weise auch „Hilfe zur Selbsthilfe“ ermöglicht werden.

Anlässlich der UN-Klimakonferenz im November in Glasgow fordern zivilgesellschaftliche Organisationen aus aller Welt deutliche Zusagen der Staatengemeinschaft, um auf die Herausforderungen der Klimakrise zu reagieren. Dazu ist es notwendig, dass die unverhältnismäßig starken Auswirkungen von Klima-Katastrophen auf einkommensschwache Bevölkerungsgruppen sowie auf am stärksten gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.

Es ist erwiesen, dass es für Menschen mit Behinderung im Katastrophenfall oft schwieriger ist, sich in Sicherheit zu bringen und humanitäre Hilfe zu erhalten und sie ein erhöhtes Risiko für Traumata, Verletzungen und Tod haben. Dennoch berücksichtigt das globale Katastrophenmanagement diese Ungleichheiten und Barrieren nicht ausreichend. Im gesamten Spektrum des Risikomanagements müssen dafür inklusive und barrierefreie Strategien unter Einbezug der lokalen Akteure entwickelt werden.

Dazu arbeitet Handicap International (HI) mit gefährdeten Gemeinschaften, Organisationen von Menschen mit Behinderungen, Katastrophenschutzdiensten, Regierungen und anderen im Katastrophenrisikomanagement tätigen NROs zusammen, um gefährdete Gruppen zu stärken und Veränderungen auf politischer und praktischer Ebene zu herbeizuführen. So hat HI zwischen 2016 und 2018 z.B. lokale Behindertenorganisationen auf den Philippinen dafür gestärkt. In Madagaskar wiederum hat HI inklusive lokale Frühwarnsysteme und Notfallpläne mit einem intersektionalen Ansatz unterstützt. Im Anbetracht der Klimakrise muss der Bedarf an humanitärer Hilfe durch frühzeitige und antizipierende inklusive Maßnahmen minimiert werden.

HelpAge Deutschland setzt sich als entwicklungspoliti­sches und humanitäres Hilfswerk für die Bedürfnisse und Rechte älterer Menschen weltweit ein, um Alters­armut und ­-diskriminierung zu mindern, menschliches Leiden zu lindern, Teilhabe zu fördern und Eigenpoten­ziale zu stärken. Unsere Projekte zielen auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit ab. HelpAge International besteht seit 1983 und ist ein welt­weit anerkanntes Netzwerk von Hilfsorganisationen zur Unterstützung älterer Menschen in Entwicklungs-­ und Schwellenländern, wie auch in Ländern des Nordens. Das Netzwerk arbeitet mit 80 Mitgliedsorganisationen und etwa 200 Partnern in über 60 Ländern und betreut ca. 10 Millionen ältere Menschen.

Dass Katastrophen kein Stereotyp für Entwicklungsländer sind, ist spätestens seit diesem Jahr in Deutschland klar geworden. Damit wurden auch die Herausforderungen der Hilfsorganisationen in der Begegnung dieser Katastrophen deutlicher denn je – sei es logistischer, ethischer, nachhaltiger oder finanzieller Art. Katastrophen bedingen prompte Reaktionen, was häufig dazu führt, dass die Bemühungen kurzfristig und kurzsichtig angelegt sind. Einerseits durch die Hilfsorganisationen, andererseits durch die bürokratischen Hürden hierzulande. Bei Katastrophen gehen alle Blicke in Richtung des Geschehens. Dabei ist die Herangehensweise in den Geberländern maßgeblich für den Umgang mit der Katastrophe. Der Ruf nach Entwicklung ist dort gewaltig. Starre Antragsformen und lange Abrufverfahren halten ab von akuter Unterstützung und sind Nährboden für berechtigte Kritik durch Betroffene oder lokale Partner. Die Antwort auf einen besseren Umgang mit Katastrophen liegt in flexibleren Budgets, dem LRRD (Linking Relief, Rehabilitation and Development) -Ansatz und – nicht zuletzt – dem Grand Bargain: Hilfe so lokal wie möglich und so international wie nötig zu gestalten.

LandsAid verfolgt konsequent diese Philosophie und vertraut der fachlich ausgeprägten Expertise der Menschen in den betroffenen Ländern. Wenn beim Zyklon in Simbabwe wieder der Damm bricht, dann werden neue Pflanzen gezüchtet, die das Flussbett natürlich stabilisieren und durch ihre hohe Saugfähigkeit einen Großteil der Wassermassen aufnehmen. Dies ist die praktische Umsetzung des LRRD Ansatzes. Mehr Kompetenz für die lokale Bevölkerung, weniger Macht und Bürokratie den ausländischen Helfern und Gebern ist wohl die Antwort auf Herausforderungen im Umgang mit Katastrophen.

Lara Kremin, Projektmitarbeiterin bei LandsAid e.V.

Lokale Strukturen stärken

Dürren und andere extreme Wetterereignisse werden durch den Klimawandel immer häufiger – auch in Europa. Was bei uns noch durch vorhandene Hilfsstrukturen abgemildert werden kann, trifft bereits seit Jahren viele Menschen in ärmeren Ländern deutlich härter, während sie viel weniger zu der Klimakrise beigetragen haben. SODI engagiert sich solidarisch für Klimagerechtigkeit für die betroffenen Menschen, um wie im Fall von Zyklon Idai im März 2019 in Mosambik, auch die Katastrophe nach der Katastrophe zu verhindern. Große Teile der Infrastruktur und 80 Prozent der Ernte wurden damals vernichtet.

Es ist wichtig, Schutzkonzepte partizipativ mit der Bevölkerung gemeinsam zu gestalten und somit den Ansatz der „Lokalisierung“ zu fördern. So ist sichergestellt, dass im Notfall im lokalen Kontext das Richtige unternommen werden kann. Werden in der Bevölkerung Kapazitäten zur Katastrophenhilfe aufgebaut, ist dies die effektivste Methode der Hilfe. Exemplarisch ist hier die Zusammenarbeit von SODI und der mosambikanischen Organisation Kubatsirana. Seit April 2021 setzen wir gemeinsam ein Projekt zur Ernährungssouveränität für die Betroffenen des Zyklons Idai um. In unserer Zusammenarbeit unterstützen wir Kleinbäuer*innen, sich mithilfe von nachhaltigen Ansätzen gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen: Resilientes Saatgut, Agrarökologie und gestärkte Ökosysteme mildern die Verluste durch Dürren oder starke Regenfälle ab. Zudem spielen funktionierende Gemeinschaften mit Komitees zur Verbesserung der Infrastruktur oder zum Risikomanagement eine wichtige Rolle. Sie stehen zum Beispiel mit Wetterdiensten und Behörden in Kontakt, um Gemeinden frühzeitig zu warnen.

Kubatsirana/SODI

TERRA TECH Förderprojekte e.V. vertritt die Ansicht, dass das Wichtigste bei der Verbesserung im Umgang mit Katastrophen ist, dass die Lokalkräfte so ausgebildet werden, dass sie nach einer Katastrophe schnell und effektiv tätig werden können. Im Moment ist es leider oft der Fall, dass zunächst externe Kräfte organisiert werden müssen, die Hilfe leisten können. Das ist jedoch weniger wirkungsvoll, dauert länger und ist zudem kostspieliger als die Ausbildung der Lokalkräfte. Wir plädieren also dafür die Menschen vor Ort zu befähigen sich selbst zu helfen und Katastrophenversorgung zu leisten!

Der Paritätische bei der Aktion Deutschland Hilft

Aktion Deutschland Hilft e.V. ist ein Bündnis von 23 deutschen Hilfsorganisationen, die im Bereich der Katastrophenhilfe und -vorsorge tätig sind. Das Bündnis wurde 2001 mit dem Ziel gegründet, bei großen Katastrophen und Notsituationen im Ausland – wie Naturkatastrophen, Hungersnöten oder gewaltsamen Konflikten – gemeinsam schnelle und effektive Hilfe leisten zu können. In Ausnahmefällen, wie z. B. im Rahmen des Hochwassers 2021 in Deutschland, ist Aktion Deutschland Hilft auch im Inland tätig.

Seit der Gründung hat das Bündnis bislang in über 50 sogenannten gemeinsamen Einsatz- und Informationsfällen mehr als eine halbe Milliarde Euro Spenden gesammelt, um mit Hilfsmaßnahmen und -gütern die Betroffenen vor Ort unterstützen zu können. Zusätzlich zu den Spendenaufrufen bei Katastrophen und Notsituationen sammelt Aktion Deutschland Hilft seit 2011 auch für die Katastrophenvorsorge.

Aktion Deutschland Hilft gehört u.a. der Arbeiter-Samariter-Bund an. Der Paritätische Gesamtverband vertritt zudem 10 seiner Mitgliedsorganisationen bei ADH, ist selbst jedoch nicht operativ im Bereich der Katastrophenhilfe oder -vorsorge tätig. Mehr Informationen auf unserer Schwerpunktseite.

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