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Aktuelle Hinweise für die Beratungspraxis zum Thema Geflüchtete aus der Ukraine

Die Rechtslage für geflüchtete Menschen aus der Ukraine klärt sich zunehmend. Mittlerweile hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat Anwendungshinweise für die Umsetzung des EU-Ratsbeschlusses zur sog. "Massenzustrom-Richtlinie" erlassen, deren wichtigste Inhalte wir unten erläutern.

Darüber hinaus ist mittlerweile klar, dass Geflüchtete aus der Ukraine seit dem 16.3.2022 nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Wichtig zu wissen ist aber, dass aus der Ukraine Geflüchtete sich weiterhin eigenständig sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der EU visumsfrei an ihren Wunschort begeben dürfen und dies zur Vermeidung bürokratischer Hürden schon vor einer Registrierung tun sollten.

Auch wenn noch nicht alle Fragen zum Rechtsstatus von aus der Ukraine geflüchteten Menschen abschließend geklärt sind, so geben die Anwendungshinweise des BMI vom 14. März 2022 doch wichtige Hinweise für die Beratungspraxis.

Einige wichtige Aspekte im Überblick:

Zu 1. – 4. Begünstigter Personenkreis
Die Anwendungshinweise erweitern den durch den Ratsbeschluss bereits begünstigten Personenkreis, der von einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG profitieren kann.

Im Ergebnis können jetzt folgende Personen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 AufenthG erhalten:

  • ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten,
  • Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben (also GFK-Status, subsidiären Schutz oder nationalen Schutz)
  • Familienangehörige der zuvor genannten Personen, wobei hierunter nicht nur die Kernfamilie, sondern auch nichtverheiratete Lebenspartner*innen und sonstige Verwandte fallen können, die zuvor im Familienverband in einem Abhängigkeitsverhältnis gelebt haben
  • Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, wenn sie nachweisen können, dass sie sich vor dem 24. Februar 2022 auf der Grundlage eines nach ukrainischem Recht erteilten gültigen unbefristeten Aufenthaltstitels rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, und nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzukehren,
  • Sonstige nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, wenn sie sich am 24. Februar 2022 nachweislich rechtmäßig, und nicht nur zu einem vorübergehenden Kurzaufenthalt, in der Ukraine aufgehalten haben und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können
  • Zuvor genannte Personen, die nicht lange vor dem 24. Februar 2022, als die Spannungen zunahmen, aus der Ukraine geflohen sind oder die sich kurz vor diesem Zeitpunkt (z. B. im Urlaub oder zur Arbeit) im Gebiet der EU befunden haben und die infolge des bewaffneten Konflikts nicht in die Ukraine zurückkehren können.

Zur Klärung der Frage, ob Drittstaatsangehörige sicher und dauerhaft in ihre Herkunftsland zurückkehren können, sollen die Ausländerbhörden prüfen, ob Duldungsgründe gem. §§ 60 oder 60a AufenthG (nicht Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung) vorliegen. Hierzu wird es voraussichtlich noch weitere Anwendungshinweise geben.

Zu 6. Familiennachzug

Der Familiennachzug richtet sich nach § 29 Abs 4 AufenthG, die Sicherung des Lebensunterhalts ist keine Voraussetzung.

Zu 8.1 Antrag und Registrierung

  • Es muss bei der zuständigen Ausländerbehörde (also am Wohn - oder Aufenthaltsort) ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 AufenthG gestellt werden.
  • Es besteht Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Dieser besteht auch schon vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bzw Antragstellung bei der ABH. Das Nachsuchen um Leistungen beim Sozialamt gilt als "Schutzbegehren" und damit beginnt der Anspruch auf Leistungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG.

Zu 8.2 Aufenthaltstitelwahl und Wechsel des Status

  • Es kann statt der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 auch unmittelbar eine andere Aufenthaltserlaubnis beantragt werden, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind (z. B. als Fachkraft, für das Studium usw.).
  • Nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis § 24 AufenthG ist der Spurwechsel in grundsätzlich jede andere Aufenthaltserlaubnis möglich. Das BMI schreibt dazu, es gebe dafür „keine Beschränkungen“. Dies entspricht jedoch nicht ganz der aktuellen Rechtslage, denn gem. § 19f Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sind einige Aufenthaltserlaubnisse für den Spurwechsel gesetzlich gesperrt (u. a. § 16b Abs. 1 und 5 - Studium, § 17 Abs. 2 – Studienbewerbung, § 18 Abs. 2 – Blaue Karte, § 18d – Forschung). Hier gibt es noch Klärungsbedarf.

Zu 8.3. Aufenthaltstitel

  • Die Aufenthaltserlaubnis soll für den Zeitpunkt der Einreise (frühestens 4. März 2022) bis zum 04. März 2024 erteilt werden, sie ist gebührenfrei.
  • Wenn kein ukrainischer Pass oder Passersatz vorliegt, soll ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.
  • Die Erwerbstätigkeit ist sowohl in der Aufenthaltserlaubnis als auch bereits in der Fiktionsbescheinigung zu gestatten, es besteht kein Ermessen der ABH
  • Die Änderung bzw. Streichung einer möglichen Wohnsitzauflage richtet sich analog nach § 12a Abs. 5 AufenthG (Streichung bei versicherungspflichtiger Beschäftigung eines Familienmitglieds mit mind. 15 Wochenstunden und 785 Euro Nettoeinkommen / bei Ausbildung oder Studium eines Familienmitglieds / wenn Angehörige der Kernfamilie an einem anderen Ort wohnen / Änderung in weiteren Härtefällen).
  • Mit § 24 ist die Zulassung zum Integrationskurs möglich. Dies soll auch schon mit der Fiktionsbescheinigung gelten.

9. Verhältnis zum Asylverfahren

Besonders wichtig ist der folgende Hinweis: Allein die Äußerung eines Schutzbegehrens genügt nicht dafür, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Asylverfahren eröffnet und durchgeführt wird. Für die Durchführung eines Asylverfahrens ist ein Asylantrag beim BAMF erforderlich. Ausländer, die mit der Bitte um Unterstützung (Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung) ein Schutzbegehren äußern und nach § 91a AufenthG registriert werden, befinden sich dementsprechend noch nicht in einem Asylverfahren, was gemäß § 32a Absatz 1 Satz 1 AsylG ruhen würde.