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Armut im Blick: Expertise zu den Zwischenergebnissen der amtlichen Armutsberichterstattung für 2022

Der Paritätische Gesamtverband interpretiert mit einer neuen Expertise die aktuellen Erstergebnisse des Mikrozensus-Kernprogramms für 2022.

Nach den Erstergebnissen auf Grundlage des Mikrozensus-Kernprogramms ist die Armut in Deutschland im Jahr 2022 von 16,9 auf 16,7 Prozent gesunken. Besonders stark ist der Rückgang demnach in Berlin (von 20,1 auf 17,3 Prozent), in Hessen (18,5 auf 17,7 Prozent) und in Sachsen (17,0 auf 16,4 Prozent). In fünf weiteren Bundesländern hat die Armut abgenommen. In acht Bundesländern dagegen gab es einen Anstieg der Armut, am stärksten in Hamburg (17,5 auf 19,3 Prozent), Saarland (17,6 auf 18,9 Prozent) und in Schleswig-Holstein (15,6 auf 16,9 Prozent). Nach den Erstergebnissen ist die Armut im im Osten relativ stark gesunken, und zwar um 0,9 Prozentpunkte, während sie im Westen nahezu stabil war (Rückgang um 0,1 Prozentpunkte).

Der Rückgang der Armut im Jahr 2022, auf den die Erstergebnisse verweisen, könnte unter anderem ein Effekt der Mindestlohnerhöhung sein. Der Mindestlohn stieg zum 01.01.2022 von 9,60 Euro auf 9,82 Euro, zum 01.07.2022 auf 10,45 Euro und zum 01.10.2022 auf 12 Euro. Auch der stärkere Rückgang der Armut im Osten ließe sich so erklären. Schließlich dürften wegen der Beschäftigungsstruktur Beschäftigte in Ostdeutschland stärker von der Erhöhung profitiert haben als Beschäftigte im Westen.

Nach den Erstergebnissen ist die Armut in den meisten demografischen Gruppen im Jahr 2022 gesunken. Besonders stark war demnach der Rückgang bei Selbstständigen (-1,6 Prozentpunkte) und bei Niedrigqualifizierten (-0,9 bzw. -1,1 Prozentpunkte). Gestiegen ist dagegen die Armut bei Alleinerziehenden (0,6 Prozentpunkte) und bei Kindern (0,3 Prozentpunkte).
 

Wichtige methodische Hinweise

Mit dem Ziel, erste Ergebnisse schneller bereitzustellen, veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Zahlen zur Einkommensarmut in Deutschland, ebenso wie auch andere Ergebnisse aus dem Mikrozensus, in zwei Schritten: im Frühjahr werden Erstergebnisse veröffentlicht, später folgen Endergebnisse. Hierbei stellten sich in der Vergangenheit erhebliche Unterschiede zwischen den Erst- und Endergebnissen heraus.

Vor diesem Hintergrund sind die inzwischen vorliegenden Erstergebnisse für das Jahr 2022 mit großer Vorsicht zu betrachten. Endgültige Schlüsse zur Armutsentwicklung im Inflationsjahr 2022 können aus ihnen nicht gezogen werden.

Die Zahlen zur Armut beziehen sich auf die Verteilung der im Mikrozensus abgefragten Haushaltseinkommen. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren, äquivalenzgewichteten Nettoeinkommens hat, gilt als arm. Diese Definition berücksichtigt keine Kaufkraft, sie ist gegenüber den Preissteigerungen des Jahres 2022 “naiv”.