Zum Hauptinhalt springen

BAGFW nimmt Stellung zum Gesetzentwurf der Ampel-Parteien anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Am 25. März 2020 hat der Deutsche Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt und zuletzt am 25. August 2021 das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite beschlossen. Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt aufgrund von § 5 Absatz 1 Satz 3 IfSG mit Ablauf des 24. November 2021 als aufgehoben, sofern der Deutsche Bundestag bis dahin keinen Beschluss über die Fortgeltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite trifft.

 

Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP legten nun einen Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite (EpiLage) vor. Der Gesetzentwurf orientiert sich maßgeblich an den zuvor vorgelegten Eckpunkten der Ampelparteien zur Beendigung der EpiLage und ist der Fachinformation als Anlage beigefügt.

Die drei Fraktionen stellen im Gesetzentwurf fest, dass die Voraussetzungen für eine erneute Feststellung der EpiLage insbesondere unter Berücksichtigung des Impffortschritts nicht weiter vorliegen. Gleichzeitig wird beobachtet, dass das Infektionsgeschehen besonders in Regionen mit geringerer Impfquote zunimmt und auch die Anzahl an Impfdurchbrüchen steigt. Zudem kündigen die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an, verpflichtende Tests und ein Monitoring auch für Boosterimpfungen in bestimmten Einrichtungen (z. B. in der Altenpflege) einführen sowie zielgerichtete Zuschläge für Krankenhäuser, die Covid-19 Patient*innen versorgen, ermöglichen zu wollen. Auch soll in den weiteren parlamentarischen Beratungen die Einführung der 3G-Regel am Arbeitsplatz sowie die Rückkehr zu kostenlosen Testmöglichkeiten auf den Weg gebracht werden.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass trotz Auslaufen der EpiLage die meisten für die Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege existenziellen Schutzschirme sichergestellt und verlängert werden. Am Donnerstag, den 11. November 2021, wird nach aktuellem Stand die erste Lesung im Bundestag stattfinden. Am darauffolgenden Montag, den 15. November 2021, soll es zur Anhörung kommen, zu der voraussichtlich auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) geladen wird. Am Dienstag, den 16. November 2021, ist die zweite/ dritte Lesung vorgesehen, sodass der Bundesrat am 19. November 2021 in einer diesbezüglichen Sondersitzung tagen wird.

Der Gesetzentwurf sieht im Detail folgende Anschlussregelungen an die Aufhebung der EpiLage vor:

  1. Die bisherige Regelung des § 28a Absatz 7 IfSG, die den Ländern ermöglichte, sämtliche Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Absatz 1 IfSG bei einer konkreten Gefahr einer epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-19 in dem jeweiligen Land nach einer Feststellung des jeweiligen Landesparlaments vorzusehen, wird ersetzt. In § 28a Absatz 7 Satz 1 IfSG wird stattdessen ein neuer bundesweit einheitlicher Maßnahmenkatalog geschaffen, der unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis zum 19. März 2022 zur Anwendung kommen kann. Er ist angesichts der gegenwärtigen Phase der Pandemiebekämpfung auf weniger eingriffsintensive Maßnahmen beschränkt.
     
  2. Die Regelung des § 36 Absatz 3 IfSG wird dahingehend angepasst, dass Arbeitgeber in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 Beschäftigtendaten zum Impf- und Serostatus der Beschäftigten in Bezug auf COVID-19 unabhängig vom Bestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite in jedem Fall bis zum Ablauf des 19. März 2022 verarbeiten können. Auch die Regelung des § 56 Absatz 1a IfSG wird entsprechend auch nach Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite eine Übergangsregelung bis zum 19.03.2022 vorsehen.
     
  3. Die bereits für das Jahr 2021 getroffenen Sonderregelungen zum Kinderkrankengeld werden in das Jahr 2022 hinein verlängert, um die nach wie vor auftretenden COVID-19-bedingten Schwierigkeiten bei der Betreuung von Kindern zu mildern. Die Ausdehnung des Leistungszeitraums wird zeitlich auf das Jahr 2022 begrenzt. Die in § 21 Absatz 4 Nummer 5 Bundesausbildungsförderungsgesetz geregelte vorübergehende Freistellung von Einkommen aus Tätigkeiten BAföG-Geförderter in systemrelevanten Bereichen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie bleibt auch nach Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite noch bis zum 31. März 2022 weiter anwendbar. Es wird eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung vorgesehen, mit der die Geltungsdauer auch nach dem 31. März 2022 bei Bedarf noch weiter verlängert werden kann.
     
  4. Mit einer Verlängerung des vereinfachten Zugangs zu den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie der erleichterten Vermögensprüfung im Kinderzuschlag bis zum 31. März 2022 wird sichergestellt, dass diejenigen, die weiterhin unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie leiden, auch künftig möglichst einfach und schnell die nötige Unterstützung erhalten. Die jährliche Mindesteinkommensgrenze nach dem Künstlerversicherungsgesetz wird auch für das Jahr 2022 ausgesetzt.
     
  5. Mit der Ergänzung des § 18 Absatz 3 des Arbeitsschutzgesetzes und der Neufassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung werden die Vorgaben zum betrieblichen Infektionsschutz für einen Übergangszeitraum von drei Monaten befristet fortgeführt. Die grundlegenden Vorgaben, wie z. B. die Kontaktreduzierung, die Testangebotspflicht sowie die Verpflichtung zur Erstellung und Aktualisierung betrieblicher Hygienekonzepte in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sowie der Verweis auf die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, Handlungsempfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und die Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger werden beibehalten. Um das Risiko einer Infektion im Betrieb zu senken, sollen Betriebe dazu beitragen, den Anteil der geimpften Beschäftigten zu erhöhen. Zu diesem Zweck wird für die Arbeitgeber eine Impfunterstützungspflicht beibehalten, durch die Schutzimpfungen der bei ihnen Beschäftigten unter bestimmten Bedingungen während der Arbeitszeit ermöglicht werden.
     
  6. Zur Abwehr einer Gefahr sozialer und wirtschaftlicher Härten für besonders von COVID-19 betroffene Gruppen wird mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sichergestellt, dass die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und für eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf notwendigen Regelungen im Pflegezeitgesetz, Familienpflegezeitgesetz und im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) auch nach Beendigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite und über den 31. Dezember 2021 hinaus gelten.
     
  7. Die Ermächtigung für das Bundesministerium für Gesundheit, den Zeitraum, in dem coronabedingte Anpassungen von Vergütungsvereinbarungen zwischen den Trägern der zugelassenen Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen und den Krankenkassen erfolgen dürfen, durch Rechtsverordnung zu verlängern (§ 111 Absatz 5 Satz 6 und § 111c Absatz 3 Satz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch), wird auf den 19. März 2022 ausgedehnt. Mit der Änderung der Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für Vereinbarungen zur wirtschaftlichen Sicherung der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen wird von der geänderten Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht.
     
  8. Der Gesetzentwurf sieht die Fortführung von Sonderregelungen in der pflegerischen Versorgung bis zum 31. März 2022 vor. Um die daraus entstehenden Mehraufwendungen aus Bundesmitteln refinanzieren zu können, wenn dies zur finanziellen Stabilisierung der sozialen Pflegeversicherung notwendig werden sollte, wird die Verordnungsermächtigung des § 153 SGB XI auf das Jahr 2022 erstreckt.
     
  9. Der Entwurf sieht zudem verschiedene Änderungen und Ergänzungen der Vorschriften der §§ 275, 277 bis 279 und 281 StGB vor: Zum einen soll die Vorschrift des § 275 StGB um einen Absatz ergänzt werden, der die Eintragung unrichtiger Impfdokumentationen in Blankett-Impfausweise ausdrücklich unter Strafe stellt. Zum anderen sollen – insbesondere aus Gründen der Rechtsklarheit – durch Änderungen in den §§ 277 bis 279 StGB Konstellationen vom Anwendungsbereich der darin normierten Tatbestände ausgenommen werden, die bereits durch § 267 StGB erfasst sind. Daneben soll in den §§ 277 bis 279 StGB die Begrenzung des Kreises von Täuschungsadressat*innen entfallen. Des Weiteren soll der Gebrauch fremder Gesundheitszeugnisse ausdrücklich von § 281 StGB erfasst werden.
     
  10. Durch die Verlängerung des Sicherstellungsauftrags nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) bis zum Ablauf des 19. März 2022 wird sichergestellt, dass die soziale Infrastruktur erhalten bleibt und soziale Dienstleistungen auch nach dem Ende der erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch erbracht werden können.

Die BAGFW hat zum vorliegenden Gesetzentwurf Stellung genommen. Die Stellungnahme ist der Fachinformation ebenso als Anlage beigefügt.

Die wichtigsten Punkte der Stellungnahme nachfolgend in Kürze:

  1. Die BAGFW begrüßt das Ziel, weitgehende Freiheitsbeschränkungen im Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen zu halten und deshalb zu revidieren, wenn die allgemeine Lage dies rechtfertigt. Stetig steigende Infektionszahlen und Hospitalisierungsraten zeigen allerdings, dass die Pandemie bei Weitem noch nicht vorüber ist. Aus diesem Grund verlangen die aus den Grundrechten abzuleitenden Schutzpflichten sowohl der Bevölkerung im Allgemeinen als auch der Beschäftigten, die mit vulnerablen Gruppen arbeiten, weiterhin wirksame Schutzmaßnahmen.
     
  2. Aus diesem Grund begrüßt die BAGFW, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Arbeitsschutzverordnung weiterhin den Schutz der Beschäftigten vor Ansteckungen bei ihrer Berufsausübung und die Abfederung sozialer Risiken, z. B. durch die Fortzahlung des Kinderkrankengelds, sicherstellt.
     
  3. Ebenso wird die Verlängerung des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung bewertet sowie die Verlängerung vieler weiterer Unterstützungsleistungen, wie insbesondere die Sonderregelungen zur flexibleren Inanspruchnahme von Pflegezeit und Familienpflegezeit in § 16 Familienpflegezeitgesetz und § 9 Pflegezeitgesetz sowie die Sonderregelung zum Pflegeunterstützungsgeld, positiv bewertet.
     
  4. Die BAGFW begrüßt insbesondere, dass der Gesetzentwurf die weiterhin sehr angespannte Lage von Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege berücksichtigt und die Schutzschirme für die Sozialwirtschaft umfassend verlängert. Dass die wirtschaftlichen Belastungen der Einrichtungen gerade nicht zeitgleich mit der epidemischen Lage von nationaler Tragweite enden, belegen bereits die Einschätzungen des Gesetzentwurfs zum Erfüllungsaufwand (vgl. S. 7). Insbesondere der Pflegeschutzschirm nach SGB XI, die Schutzschirme nach SGB V sowie das SodEG haben sich seit Beginn der Pandemie bewährt und es der sozialen Infrastruktur ermöglicht, während der zurückliegenden Pandemie-Monate trotz erheblicher Belastungen für Menschen in Not bereitzustehen, diese zu unterstützen und zu beraten. Ihre Verlängerung bis zum 31. März 2022 bzw. 19. März 2022 (SodEG) sorgt für die weiterhin notwendige Absicherung der sozialen Infrastruktur.
     
  5. Die vorgesehene Verlängerung des Schutzschirms für stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen gem. § 111 Absatz 5 Satz 6 SGB V-E zur Vergütungsanpassung bis zum 19. März 2022 wird ausdrücklich begrüßt. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass diese Regelungen nicht für Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen nach dem SGB VI greifen und es hier daher einer weiteren Regelung bedarf. Insbesondere die Maßnahmen der Kinder- und Jugendrehabilitation sowie der Suchtrehabilitation sind hiervon betroffen.