Berufliche Bildung muss sich verändern, damit die digitale Transformation der Arbeitswelt gelingt – Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ des Deutschen Bundestages schließt ihre Arbeit ab
Die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ hat ihre dreijährige Arbeit abgeschlossen und einen umfassenden rund 600-seitigen Bericht vorgelegt. Die Kommission wurde vom Deutschen Bundestag mit dem Auftrag eingesetzt, die Entwicklungsperspektiven der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der künftigen digitalisierten Arbeitswelt zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für zukünftige politische Entscheidungen zu formulieren. Es ist eine Liste mit rund 300 Empfehlungen – von der Berufsorientierung über die Ausbildung bis hin zur Weiterbildung – zusammengekommen. Diese sind teilweise, aber nicht immer im Konsens formuliert worden.
Ausgangspunkt ist dieser: Der Megatrend der digitalen Transformation wird – gepaart mit voranschreitender Globalisierung und demografischem Wandel – zu grundlegenden Veränderungen in der Arbeitswelt führen. Neuorientierungen und Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation von Unternehmen und veränderte Arbeitsprozesse führen dazu, dass sich die Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen an Beschäftigte verändern werden. Zur Frage, ob es im Zuge der Digitalisierung mehr oder weniger Arbeitsplätze in Deutschland geben wird, gibt es unterschiedliche Prognosen. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist kein massiver Beschäftigungsabbau zu befürchten. Allerdings wird es zu Verschiebungen zwischen Branchen und Berufen kommen und der Mismatch auf dem Arbeitsmarkt zunehmen. Daher muss ein immenser Kompetenzaustausch politisch vorbereitet und flankiert werden, so die Kommission. „In einem kontinuierlichen Prozess sind Millionen von Menschen in Deutschland neu oder zusätzlich zu qualifizieren.“ (S. 51)
Erwerbstätige müssen durch die „berufliche Bildung vorbereitet und durch sie befähigt werden, den Wandel zu meistern. An der bestehenden Beruflichkeit als zentrales Organisationsprinzip von Arbeit wird auch wegen ihrer sozialintegrativen Funktion festgehalten, doch Beruflichkeit muss zukünftig als ein lebensbegleitender Prozess verstanden werden, der über die Ausbildung hinaus eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung umfasst. Eine umfassende und angemessen grundständig ausgerichtete Ausbildung ist das Fundament. Sie ist Basis und gewährleistet die Anschlussfähigkeit an die notwendige lebensbegleitende Fort- und Weiterbildung“, so eine der zentralen Aussagen des Berichts.
Die Berufsbildung hat dabei verstärkt solche Kompetenzen zu fördern, die digital transformierende Arbeitsplätze erfordern, aber auch Bildung im Sinne einer umfassenden Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.
Der Bericht geht in einem Schwerpunkt der Frage nach, welche Entwicklung berufsbildende Schulen nehmen müssen, um einen positiven Beitrag hierfür zu leisten.
Die Kommission empfiehlt die Auflage eines „DigitalPakts Berufsbildende Schulen“ von Bund, Ländern und Kommunen, der allen berufsbildenden Schulen nachhaltig eine verlässliche Finanzierung digitaler Lernausstattung und -infrastruktur und die Qualifizierung des Lehrpersonals ermöglicht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich mit der Veröffentlichung des Enquete-Berichts hinter die Forderung nach einem solchen DigitalPakt gestellt. Ein Teil der Kommissionsmitglieder möchte in diesem „DigitalPakt Berufsbildende Schulen“ nur öffentliche Schulen einbeziehen, ein anderer Teil der Kommission hingegen auch Schulen in freier Trägerschaft. Zu prüfen ist laut Kommissionsbericht, wie es auch andere Einrichtungen, etwa den SGB II/III/VIII-Bildungsträgern und Einrichtungen der Jugendberufshilfen ermöglicht werden kann, an dieser Förderung zu partizipieren.
Empfohlen wird die Stärkung regionaler Netzwerke, in die alle örtlichen Berufsbildungsakteure (Schulen, Betriebe, ÜBS, Bildungsträger) einbezogen sind, um gemeinsam am jeweiligen Bedarf orientierte Aus- und Weiterbildungsstrategien zu entwickeln sowie innovative Lernzentren und berufsfeldübergreifende Experimentierräume zur Kompetenzentwicklung und Profilbildung in der digitalen Arbeitswelt auszubauen (z. B. Lernfabriken, FabLabs).
Technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen sollen in einer angemessenen kurzen Frist durch (Teil-)Novellierungen in die Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrpläne sowie in die didaktischen Konzepte übernommen werden. Um ihre Potenziale noch besser auszuschöpfen, muss die Digitalisierung intensiver in die Ausbildung integriert werden, etwa durch die Schaffung weiterer Zusatz- und Wahlqualifikationen für Auszubildende. Als essenziell wird der Aufbau eines kontinuierlichen Monitorings der einzelnen Berufsfelder angesehen.
Für die Sozial- und Erziehungsberufe wird u. a. eine Konzeption von bundesweit abgestimmten Ausbildungsgesetzen empfohlen. Es soll eine komplette Abschaffung der Erhebung von Schulgeld in einigen Berufsausbildungen – insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Soziales – geben. Von Teilen der Kommission wird empfohlen, einen Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung in allen Berufsgesetzen des Bundes und der Länder zu verankern. Dies gilt insbesondere für die schulische Berufsausbildung in den Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen. Ein Teil der Kommission spricht sich außerdem dafür aus, die Instrumente der Assistierten Ausbildung und der Berufseinstiegsbegleitung -wie in der dualen Berufsausbildung- auch für die Ausbildung in den Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen einzusetzen.
Während der Kommissionsarbeit wurde die Forderung nach einer „Ausbildungsgarantie“ für junge Menschen intensiv diskutiert mit dem Ergebnis von zwei unterschiedlichen Positionen. Die eine Position bildet die Forderung nach Einführung einer gesetzlich verankerten Ausbildungsgarantie nach dem Vorbild Österreichs ab. Ein anderer Teil der Enquete-Kommission spricht sich dafür aus, die Ausbildungsgarantie weiterhin im Sinne einer Chancengarantie und des in der Allianz für Aus- und Weiterbildung vereinbarten Pfades in Ausbildung umzusetzen.
Ein Teil der Mitglieder der Enquete-Kommission fordert einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung mit beruflicher Freistellung und finanzieller Absicherung in den Weiterbildungsphasen. An diesen Überlegungen knüpfen sich Forderungen etwa der SPD oder der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen nach Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung.
Bei der Vergabe arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen wäre verstärkt auf die Qualität der technischen Ausstattung sowie der methodischen und didaktischen Konzepte der Bildungsanbieter zu achten. Die sozialpartnerschaftlichen Bemühungen um einen Tarifvertrag in der Weiterbildungsbranche sollen nach Ansicht der Mehrheit der Mitglieder der Enquete-Kommission fortgesetzt werden, um die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Weiterbildungsbranche zu verbessern. Weitergehende Forderungen nach einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag oder einem Tariftreue- und Vergabegesetz sind in der Kommission strittig geblieben.
Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission (Drucksache 19/30950) ist am 22. Juni 2021 an den Bundestagspräsidenten übergeben worden.
Abruf unter: https://www.bundestag.de/ausschuesse/weitere_gremien/enquete_bb