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Der Paritätische nimmt zu den pflegerelevanten Änderungsanträgen zum Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) Stellung.

Besondere Kritik übt der Paritätische an den Vorschlägen zur Finanzierung der Pflege. Es fehlt nach wie vor eine wirksame Regelung zur Deckelung der Eigenanteile bei den Pflegekosten, die alle Betroffenen wirklich entlastet. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht weder eine angemessene Begrenzung, noch eine echte Deckelung der Eigenanteile bei den Pflegekosten vor. Stattdessen ist lediglich ein Zuschuss vorgesehen, der nun zwar nach langem Ringen für alle Pflegeheimbewohner*innen ab dem ersten Tag in Höhe von ganzen 5 % im ersten Jahr gelten soll, aber auch wenn damit schließlich die Hälfte der Bewohner*innen bedacht werden, die ansonsten komplett leer ausgegangen wären, bleibt angesichts der selbst vom BMG angegebenen Steigerung der Eigenanteile von 130 €, die aufgrund der neuen Tarifregelungen erwartet werden, dieser durchschnittliche Zuschuss von 40 € sprichwörtlich der Tropfen auf den heißen Stein. 

Auch der Kompromiss zur Entlohnung von Pflegekräften fällt weit hinter die Ankündigungen zurück. Die tariflichen Regelungen wirken kraftlos und kompliziert. Im Unterschied zum ursprünglich von Arbeitsminister Hubertus Heil angestrebten Modell eines einheitlichen Mindesttarifs für die Pflege wird mit den aktuellen Vorschlägen ein Flickenteppich im System der Entlohnung entstehen.
Die gesamte Finanzierung der Reformpunkte ist nicht gesichert. Schätzungsweise entstehen Kosten von 2,5 – 2,8 Mrd. €, denen tatsächlich mit dem Steuerzuschuss und der Anhebung der Beitragssätze für Kinderlose nur 1,4 Mrd. € gegenüberstehen. Die Pflegekassen haben auch keine nennenswerten Rücklagen mehr. Allerdings ist der Pflegevorsorgefond mit 8 Mrd. € prall gefüllt. Die Verwendung dieser Mittel für die Reformpunkte scheint ausweglos zu sein. Die Bundesregierung muss für eine hinreichende Gegenfinanzierung Sorge tragen. In der ohnehin schwierigen Lage sind ansonsten in den kommenden Jahren ausschließlich Spargesetze in der Pflege zu erwarten, mit denen die Pflegesituation sicherlich nicht verbessert werden kann. 
Die Einschätzungen führen unweigerlich zu dem am 01.07. 2021 auslaufenden Corona-Schutzschirm für die Pflege. Dieser wird weiterhin gebraucht, wie auch die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der durch die Bank für Sozialwirtschaft (BfS) durchgeführten Umfrage zu den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie in der Senioren- und Langzeitpflege eindeutig zeigen. Demnach müssen insbesondere stationäre Einrichtungen und Tagespflegen weiterhin mit Auslastungsdefiziten infolge von gesetzlichen Auflagen, Nachfrageeinbrüchen und Personalausfällen durch Krankheit sowie Kindernotbetreuung umgehen. Trotz Schutzschirm verzeichnet ein hoher Anteil der Einrichtungen pandemiebedingte, nicht auskömmlich kompensierte Ertragsausfälle in Höhe von fünf bis 20 Prozent aufgrund wegfallender Investitionskosten. In den Einrichtungen wurde während der Pandemie Unglaubliches geleistet und die Pandemie sowie deren Auswirkungen sind noch nicht vorbei. Der Schutzschirm muss entsprechend bis zum Jahresende verlängert werden, um dies zu würdigen, die Einrichtungen nicht im Stich zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben wieder auf die Beine zu kommen.
Begrüßt wird ausdrücklich, dass im Gegensatz zu den Vorschlägen des im Arbeitsentwurfs von einer Beschränkung der Sachleistungen in der Tagespflege neben der ambulanten Pflege, der Nutzbarmachung von ambulanten Sachleistungen für andere nicht zugelassenen Anbieter sowie von einer Einschränkung der Flexibilität von Verhinderungspflege abgesehen wurde. Gerade die Möglichkeit, Verhinderungspflege stundenweise in Anspruch zu nehmen, ist für Familien mit behinderten Kindern von besonderer Bedeutung, da hierdurch kurzfristige Auszeiten von der Pflege im Pflege- und Familienalltag realisiert werden können. Entlastung kann nur effektiv sein, wenn sie flexibel, je nach individuellem Bedarf, genutzt werden kann. Gleichwohl werden die Leistungen der Tagespflege und der Verhinderungspflege nicht erhöht, was im Kontext steigender Kosten einer Rationierung gleichkommt.

Stellungnahme