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Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat am 15.12.21 die Ausbildungsmarktbilanz 2021 vorgestellt

Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2021. Analysen auf Basis der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge und der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 30. September 2021

Die vom BIBB veröffentlichte Analyse basiert auf der Erhebung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Die Einmündung in vollzeitschulische Berufsausbildungen findet hier keine Berücksichtigung. Erst in den Berufsbildungsbericht 2022 gehen auch die Daten aus der Schulstatistik ein, so dass ein umfassender Blick auf das Ausbildungsjahr 2021 möglich ist.

Es handelt sich hier um einen Blick auf die Situation der dualen Ausbildung in 2021.

Abgeschlossene Ausbildungsverträge

Im Jahr 2021 sind 473.100 neue duale Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, das sind zwar 5.600 mehr als in 2020 (+ 1,2 %), aber im Vergleich zum Jahr 2019 sind mehr als 52.000 betriebliche Ausbildungsverhältnisse verloren gegangen (2019 waren es noch 525.000 Verträge).

Ausbildungsplatznachfrage

Die Zahl der jungen Menschen, die eine duale Berufsausbildung in 2021 nachfragten, ging im Vergleich zu 2020 nochmals um 4.800 (- 0,9 %) auf 540.900 zurück. In 2019 waren es noch 599.000 junge Menschen, die eine duale Ausbildung anstrebten. In 2020 und 2021 haben sich in der Summe fast 60.000 junge Menschen weniger um eine betriebliche Ausbildung beworben. Die Ausbildungs­platznachfrage erreichte damit einen neuen Tiefstand seit 1992, als erstmals Daten für das wiedervereinigte Deutschland vorlagen.

Ganz besonders stark ist der Rückzug der jungen Frauen aus der dualen Berufsausbildung zu beobachten, diese Entwicklung hatte allerdings schon vor der Pandemie eingesetzt und wird wahrscheinlich in den beiden Pandemiejahren auch noch durch den Rückgang an Ausbildungsplätzen in Berufsbereichen befördert, in denen junge Frauen traditionell häufiger vertreten waren (z.B. Hotel- und Gaststättengewerbe). 2020 war ein stärkerer Rückgang der Ausbildungsverträge bei jungen Frauen (11,5 % ) zu beobachten als der Rückgang bei den abgeschlossenen Verträgen der jungen Männer (10,6 %), in 2021 stieg die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse von jungen Frauen im Vergleich zu 2020 mit 0,8 % weniger stark an als die der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse der jungen Männer mit 1,4 %. Nur 32 % der Bewerber*innen um eine betriebliche Ausbildungsstelle sind 2021 weiblich, 2019 waren es noch 39 %, 2017 noch 40 %, eine Tendenz, die unabhängig vom Pandemiegeschehen und ihren Auswirkungen auf dem Ausbildungsmarkt schon länger zu beobachten war.

Erfolglose Bewerber*innen

Von den Jugendlichen, die sich um einen Ausbildungsplatz im Betrieb beworben haben, gingen 67.800 Jugendliche leer aus, das sind 12,5 % aller Ausbildungsplatznachfragenden in 2021. Dieser Anteil ist gegenüber 2020 leicht gesunken und hat das Niveau von 2019 fast wieder erreicht, da waren es 12,3 % oder 73.721 erfolglos suchende Jugendliche, in 2020 waren es noch 14,3 % aller registrierten Ausbildungsplatzbewerber*innen oder 78.200 Jugendliche. Seit 2013 bewegt sich dieser Anteil zwischen 13 und 14 %, 2018 und 2019 lag er seit Jahren wieder unter 13 %. Die Entwicklung ist grundsätzlich eine, die auch ohne Pandemie von der Tendenz her zu beobachten war, in 2020 war sie sicherlich auch pandemiebedingt besonders hoch.

Doch variiert die Quote der erfolglosen Ausbildungsplatznachfrage beträchtlich zwischen den Regionen. Auf Ebene der Bundesländer rangierte die Quote von 6,5 % in Bayern und 8,0 % in Thüringen bis 23,1 % in Berlin und 17,2 % in Brandenburg. Damit blieben die beiden Länder mit der höchsten und der niedrigsten Quote im Vergleich zum Vorjahr unverändert.

Ausbildungsplatzangebote

Das Angebot anAusbildungsstellen lag 2021 bei 536.200, darunter 520.000 ungeförderte betriebliche Ausbildungsplätze, das sind 7.500 ungefördertebetriebliche Ausbildungsplätze mehr sowie 1.300 geförderte Ausbildungsplätze (insg. +1,7 %) mehr als in 2020, aber 44.000 weniger als 2019 (564.000 angebotene Ausbildungsstellen).

Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen stieg und erreicht mit 63.200 ein neues Rekordniveau. Das entspricht einem weiteren Anstieg um 3.200 (+ 5,4 %) im Vergleich zu 2020, schon in den Jahren zuvor (auch vor der Pandemie) war die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen stetig gestiegen (2019: 53.100, 2020: 59.900).

Beschrieben sind hier bundesweite und zusammengefasste Tendenzen. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Berufen und Regionen, wie schon in den Vorjahren zu sehen war. Auf Ebene der Bundesländer zeigt sich in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit jeweils 17,6 % die höchste und in Hamburg mit 2,4 % die geringste Quote. Auch in den beiden anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen lag die Quote mit 7,7 % und 7,0 % deutlich unter dem Durchschnitt. Und die Tendenz der steigenden Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze lässt sich mit einer Ausnahme in 2019 seit 2009 verfolgen, ist also keine Entwicklung, die durch Corona ausgelöst wurde.

Angebots-Nachfrage-Relation[1]

Ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau in Zeiten des Nachfrageüberhangs stieg von 2009 an das Verhältnis von Ausbildungsplatzangebot zu -nachfrage sowohl in Ost- als auch Westdeutschland stetig an. Die Marktlage wurde somit ausgeglichener und der erhebliche Nachfrageüberschuss, der 2009 bestand, wurde sukzessive immer weiter abgebaut. Im Bundesdurchschnitt stieg die Angebots-Nachfrage-Relation im Jahr 2021 deutlich von 96,6 im Vorjahr auf 99,1 – ein neuer Höchstwert seit erstmaliger Berechnung der Kennzahl im Jahr 2007. Diese Entwicklung ist dem zahlenmäßig großen Rückgang an Bewerber*innen und dem leichten Wiederanstieg der angebotenen Ausbildungsstellen in 2021geschuldet.

Von den 154 Agenturbezirken liegt diese Angebots-Nachfrage-Relation in 87 Bezirken in diesem Jahr über 100 und in 28 Bezirken davon sogar über 110. Im Vergleich zu 2020, wo ein fast gleichgroßer Rückgang der Ausbildungsplatzangebote und der Ausbildungsbewerber*innen stattfand, gibt es in 2021 eine für die Jugendlichen entspanntere Lage. Doch vergleicht man selbst die aktuelle Situation mit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes aus 1980, so ist im Bundesdurchschnitt noch lange keine Angebots-Nachfragerelation von 112,5 erreicht.[2]

Passungsprobleme / Matchingprobleme

Die wachsende Zahl von unbesetzten Ausbildungsstellen und die stetig steigende Zahl an erfolglosen Bewerber*innen um einen Ausbildungsplatz verweist erneut auf das Stellenbesetzungsproblem. Passungsprobleme stellen insofern am Ausbildungsmarkt weiterhin eine zentrale Herausforderung dar.

Die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt werden neben regionalen auch durch berufliche Ungleichgewichte getrieben. Es gibt sowohl starke Besetzungs- als auch starke Versorgungsprobleme. So gibt es z. B. auch Besetzungsprobleme in den so genannten „Hauptschülerberufen“. Hier ist zum einen zu beobachten, dass die Ausbildungsverträge trotz dieses Anforderungsprofils häufig von Jugendlichen mit höheren Bildungsabschlüssen unterschrieben werden. Zum anderen sollten die seit Jahren betroffenen Branchen die Attraktivität und die soziale Anerkennung der Berufe steigern, um mehr Interessent*innen zu motivieren.

Fazit:

Der leichte Anstieg bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in 2021 zeigt, wie sehr sich die Betriebe und Ausbildungsverantwortlichen anstrengen, auch in diesen schwierigen Zeiten an der dualen Ausbildung festzuhalten. Dennoch ist spürbar, dass die Verunsicherung bei Betrieben und Jugendlichen aufgrund der Corona-Pandemie auch im Jahr 2021 nach wie vor hoch ist. Große Sorge bereitet der weitere Rückgang auf der Nachfrageseite, ein eindeutiger Beleg dafür, dass das Interesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an der dualen Berufsausbildung durch offene Beratungsangebote der Jugendberufsagenturen und durch individuelle Begleitung stärker unterstützt werden muss, gerade in Pandemiezeiten. Fast 60.000 junge Menschen haben in den Jahren 2020/2021 den Weg in die Institutionen nicht gefunden und sollten zeitnah Unterstützungsangebote erhalten. Es ist wichtig, dass wir den Kontakt hier schnellstmöglich herstellen. Große Sorge muss uns aber auch bereiten, dass seit 2019 fast 45.000 betriebliche Ausbildungsplätze verloren gegangen sind. Dieser Trend ist nicht nur coronabedingt, er ist schon seit 2011 zu beobachten, lediglich die Jahre 2017/2018 haben diese Tendenz mit einem leichten Anstieg unterbrochen.


[1] In der erweiterten Definition.

[2]Laut Urteil vom Bundesverfassungsgericht aus 1980 zur Rechtmäßigkeit der Ausbildungsplatzabgabe werden zu einer ausreichenden Ausbildungsplatzwahl für die Jugendlichen auf 100 Jugendliche mindestens 112,5 Ausbildungsplätze benötigt, um die Berufswahlfreiheit von Jugendlichen zu gewährleisten. Danach müsste die Angebots-/Nachfragerelation folglich mindestens 112,5 % betragen. (BVG, Zweiter Senat,10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77) Und zur Realisierung ist es durchaus verfassungsrechtlich zulässig eine Ausbildungsplatzabgabe gesetzlich zu verankern.

„Wenn der Staat in Anerkennung dieser Aufgabenteilung den Arbeitgebern die praxisbezogene Berufsausbildung der Jugendlichen überläßt, so muß er erwarten, daß die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitgeber diese Aufgabe nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten und damit so erfüllt, daß grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhalten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das gilt auch dann, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe nicht mehr ausreichen sollte.“ (BVG, Zweiter Senat,10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77)