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Digitale Teilhabe armer Menschen: Der Paritätische fordert Hilfen zur digitalen Ausstattung einkommensschwacher Haushalte

In einer aktuellen Positionierung stellt der Vorstand des Paritätischen Gesamtverbands klar: Die technische Ausstattung in Form mobiler Endgeräte sowie der Zugang zum Internet, um diese in ausreichender Weise zu nutzen, gehört heute zum soziokulturellen Existenzminimum, muss für alle gewährleistet sein und darf nicht am Mangel finanzieller Ressourcen scheitern.

Die Digitalisierung verändert unsere Art zu arbeiten und zu leben und das gesellschaftliche Miteinander tiefgreifend. Die Corona-Krise hat Digitalisierungsprozesse noch einmal beschleunigt. Für diejenigen, die Zugang zum digitalen Raum haben, eröffnet sich auch in der Krise eine Vielzahl von Möglichkeiten der Kommunikation und Bewältigung des Alltags: von Familienchatgruppen, E-Government, Online-Shopping und Lieferservices über digitales Homeschooling bis hin zu Video-Fitnesstraining. Für diejenigen, die keinen Zugang haben, wird der gesellschaftliche Ausschluss größer.

Digitale Hardware und Internetzugang gehören inzwischen zweifelsfrei zum soziokulturellen Existenzminimum.

Sie sind eine Voraussetzung für:

  • den Zugang zu Nachrichten und Informationen,
  • den Zugang zu Hilfe, Beratung und Schutz in Not und Krisen,
  • Bildungs- und Berufschancen,
  • soziale und kulturelle Teilhabe (Kommunikation, Geselligkeit)
  • und politische Partizipation und gesellschaftliches Engagement.


Gleichzeitig mangelt es insbesondere armutsbetroffenen Menschen an der elementaren technischen Ausstattung. Nach einer Umfrage unter Mitgliedsorganisationen im Rahmen des aktuellen Pilotprojektes des Paritätischen zur digitalen Teilhabe armutsbetroffener Menschen ist die mit Abstand größte Zugangshürde für ihre Klient*innen der Mangel an eigener Hardware.

Immerhin erkennt die Bundesregierung inzwischen (knapp 30 Jahre nach Einführung des Mobilfunks in Deutschland) auch ein Mobiltelefon als Grundbedarf an und berücksichtigt im neuen Regelbedarfsermittlungsgesetz erstmals entsprechende Verbrauchsausgaben für die elektronische Kommunikation zur Nutzung von Festnetzanschlüssen für Telefon und Internet mit Flatrate-Tarifen. Die auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2018 ermittelten Verbrauchsausgaben dürften jedoch hinter den aktuellen, unter den Bedingungen der Corona-Pandemie steigenden Ausgaben für digitale Kommunikation zurückbleiben.

Dazu kommt die chronische Unterdeckung des Regelbedarfs, der mit aktuell 446 Euro für einen alleinlebenden Erwachsenen – wie vom Paritätischen und anderen Expert*innen wiederholt nachgewiesen – insgesamt viel zu niedrig ist, um auch nur eine gesunde und ausgewogene Ernährung oder ein Mindestmaß an Teilhabe sicherzustellen.

Größere Anschaffungen langlebiger Produkte wie bspw. eines Kühlschranks oder eben eines Computers sind in dem aktuellen Konstrukt des pauschalierten Regelbedarfs überhaupt nicht adäquat abgebildet. So sind für den “Kauf und die Reparatur von Festnetz- und Mobiltelefonen sowie anderer Kommunikationsgeräte” derzeit 2,96 Euro (!) im Regelsatz berücksichtigt. Im Falle der Notwendigkeit einer Neuanschaffung wäre der*die Betroffene also im Zweifel faktisch auf die Inanspruchnahme eines Darlehens angewiesen, für dessen Rückzahlung im Regelsatz keinerlei Puffer vorhanden sind.

Dass bezüglich der digitalen Ausstattung armutsbetroffener Haushalte Handlungsbedarf besteht, hat die Bundesregierung jüngst im Zusammenhang mit der Debatte um die Benachteiligung armer Schüler*innen beim Homeschooling selbst eingestehen müssen: Auf massiven Druck aus der Zivilgesellschaft und nach einem einschlägigen Gerichtsurteil, in dem Betroffene entsprechende Hilfe im Einzelfall einklagten, sind Jobcenter seit Februar diesen Jahres angehalten, für das Homeschooling notwendige Laptops für arme Schüler*innen unter bestimmten Voraussetzungen zu finanzieren.

Der Paritätische Gesamtverbands fordert:

Die technische Ausstattung in Form mobiler Endgeräte sowie der Zugang zum Internet, um diese in ausreichender Weise zu nutzen, gehört heute zum soziokulturellen Existenzminimum, muss für alle gewährleistet sein und darf nicht am Mangel finanzieller Ressourcen scheitern.

Der Paritätische untermauert daher seine Forderung nach der Wiedereinführung der Gewährung einmaliger Leistungen in der Grundsicherung und stellt klar, dass dies auch die Kostenübernahme für notwendige technische Ausstattung zur gleichberechtigten digitalen Teilhabe umfassen muss.

Die Regelsätze sind auf ein bedarfsgerechtes, armutsfestes Niveau anzuheben, das auch laufende Verbrauchsausgaben zur Sicherstellung digitaler Teilhabe angemessen berücksichtigen muss.

Die oben skizzierte Positionierung wurde am 19.03.2021 vom Vorstand des Paritätischen Gesamtverbands beschlossen.

Hier als PDF:210319_Pos-digitaleTeilhabe-Armutsbetroffener.pdf