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Einsatz ukrainischer Pflege- und Betreuungskräfte in Einrichtungen nach § 20a Infektionsschutzgesetz

Aufgrund des Krieges in der Ukraine fliehen derzeit viele Menschen nach Deutschland, die teilweise betreuungs- oder pflegebedürftig sind. Nicht selten kommen diese Menschen in (größeren) Gruppen und in Begleitung ihrer vertrauten ukrainischen Pflege- und Betreuungskräfte hier an. Um sie adäquat unterzubringen, werden derzeit verstärkt (auch) paritätische Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder Pflegeeinrichtungen angesprochen. Sollten sich diese bereitfinden, behinderte oder pflegebedürftige Ukrainer und Ukrainerinnen aufzunehmen und, um dafür zum Beispiel die personellen Kapazitäten aufzubauen und/oder die Sprachbarriere zu überwinden, die (mitgeflohenen) ukrainischen Pflege- und Betreuungskräfte einsetzen wollen, ergibt sich regelmäßig ein rechtliches Problem im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.

Bekanntlich mussten Personen, die in Einrichtungen nach § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) tätig sind, bis zum 15. März 2022 einen Impf- oder Genesenennachweis (oder ein ärztliches Zeugnis) im Hinblick auf das Coronavirus vorlegen. Anderenfalls sind die Einrichtungsleitungen gezwungen, dem zuständigen Gesundheitsamt eine entsprechende Meldung zu machen. Zu den von § 20a Abs. 1 S. 1 IfSG erfassten Einrichtungen gehören insbesondere Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie solche der Eingliederungshilfe. Wir haben hierüber ausführlich berichtet (siehe nebenstehenden Link).

Für Personen, die ab dem 16. März 2022 in den betroffenen Einrichtungen (erstmals) tätig werden sollen, was auf die ukrainischen Pflege- und Betreuungskräfte zutreffen würde, gilt jedoch § 20a Abs. 3 IfSG.

Danach haben solche Personen der Leitung der jeweiligen Einrichtung schon vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis vorzulegen. Eine Person, die keinen Nachweis vorlegt, darf (von vornherein) nicht in den betroffenen Einrichtungen beschäftigt oder tätig werden.

Wie Impf-, Genesenen- oder Testnachweise in der gesetzlich gebotenen Form auszusehen haben, regelt § 22a Abs. 1 und 2 IfSG im Einzelnen. Da etwa für einen Impfnachweis eine Impfung mit Impfstoffen erforderlich ist, die entweder von der Europäischen Union zugelassen sind oder die im Ausland zugelassen sind und die von ihrer Formulierung her identisch mit einem in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoff sind, werden ukrainische Begleitpersonen regelmäßig nicht in der Lage sein, einen solchen Nachweis zu erbringen, wozu ja auch eine bestimmte Anzahl von Einzelimpfungen gehört.

Demnach dürfen sie in den Einrichtungen nicht (aufgrund eines Arbeitsverhältnisses) beschäftigt oder sonst wie (zum Beispiel als Freiwillige, Ehrenamtliche oder wie auch immer bezeichnet) tätig werden. Das Gesetz lässt hier keinen (Auslegungs-)Spielraum zu.

Einrichtungen, die solche ukrainischen Kräfte gleichwohl tätig werden lassen, gehen deshalb ein hohes (haftungs-)rechtliches Risiko ein, vor allem, wenn es in der Folge zu einem Infektionsausbruch in der Einrichtung (im schlimmsten Fall sogar mit Todesfällen) kommen sollte. Bedenkt man die Umstände der hinter diesen vulnerablen Menschen liegenden Flucht, die Strapazen, der unvermeidliche Kontakt zu vielen Menschen und die (mutmaßlich) geringe Impfquote, liegt die Gefahr, dass sich einzelne infiziert haben, auch nicht fern.

Daher ist Einrichtungen, die nicht nur die Aufnahme von ukrainischen Pflegebedürftigen erwägen, sondern auch deren Begleitpersonen einsetzen wollen, dringend zu empfehlen, vorher Rücksprache mit dem UNION-Versicherungsdienst zu halten und sich schriftlich bestätigen zu lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Rahmen ein solches Tätigwerden nicht immunisierter ukrainischer Kräfte in den Einrichtungen, trotz der Anforderungen des  § 20a IfSG, vom Versicherer als (noch) versichertes Risiko behandelt wird.

Dieses rechtliche Problem ist auch schon in den Ländern bekannt und wurde zum Beispiel vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 25. März 2022 an die kommunalen Zusammenschlüsse zum Einsatz ukrainischer Betreuungskräfte in Bezug auf hilfe- und pflegebedürftige Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine folgendes erläutert:

„Einrichtungsbezogene Impfpflicht

In der derzeitigen Not-Situation hat die Sicherstellung einer grundlegenden angemessenen Versorgung und Betreuung der hier ankommenden hilfe- und pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine auch mit Blick auf die Wahrung ihrer Menschenwürde Priorität. Daher ist es aus Sicht des MAGS abweichend von den Vorschriften nach § 20a IfSG derzeit vorübergehend zu akzeptieren, wenn ukrainisches Pflege- und Betreuungspersonal jedweder Qualifikation zunächst auch ohne die eigentlich für ihre Tätigkeit vorgeschriebenen Nachweise nach § 20a IfSG eingestellt und tätig werden darf. Voraussetzung dafür ist, dass Pflege- und Betreuungspersonal ohne die entsprechenden Nachweise schnellstmöglich ein Impfangebot gemacht wird. Außerdem darf dieses ukrainische Pflege- und Betreuungspersonal ohne vollen Impfschutz ausschließlich Menschen mit Behinderungen versorgen und betreuen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Eine räumliche Trennung von ggf. weiteren in den Einrichtungen versorgten und betreuten Bewohnerinnen und Bewohnern der gleichen Einrichtung ist umzusetzen, bis ein vollständiger Impfschutz erreicht ist. Der vollständige Impfschutz ist bis 15.06.2022 nachzuweisen. Die Testpflicht nach § 4 Abs. 2 CoronaschutzVO gilt selbstverständlich auch hier.“

Diese Grundsätze sollen nach weiterer Auskunft des Ministeriums für die Betreuung behinderter und pflegebedürftiger geflohener Menschen aus der Ukraine durch ukrainische Geflohene auch in Einrichtungen der Pflege gelten, wenn die weiteren Voraussetzungen (räumlich getrennte Versorgung, Impfstatus aufbauen, etc.) erfüllt werden.

Einrichtungen sind deshalb gehalten, sich bei den für sie zuständigen Gesundheitsämtern zu erkundigen, wie deren Haltung zu dieser Frage ist beziehungsweise ob es bereits eine Positionierung dazu im jeweiligen Bundesland gibt.

Zu beachten ist jedoch, dass zum einen, wollten sich Einrichtungen auf eine solche länderweite (Ausnahme-)Regelung beziehen, sie die dort gegebenenfalls formulierten Voraussetzungen einhalten müssen (zum Beispiel schnellstmögliches Impfangebot, räumliche Trennung, etc.). Zum anderen verbleibt ein (Rest-)Risiko, auch wenn es in den Ländern Ausnahmebestimmungen geben sollte, da der Bund die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vollumfänglich gesetzlich regeln kann, wie es zum Beispiel in § 20a IfSG geschehen ist, wovon landesgesetzlich nicht abgewichen werden darf.

Zudem entscheiden auch nicht die Länder und deren Behörden (letzt-)verbindlich über haftungsrechtliche Fragen, sondern die gegebenenfalls von Geschädigten, die Schadensersatz fordern, angerufenen Gerichte. In jedem Fall sollte daher, vor einem Einsatz von ukrainischen Kräften, zunächst Rücksprache mit dem UNION-Versicherungsdienst gehalten werden, wie oben beschrieben.