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European Care Strategy am 7. September 2022 veröffentlicht

Als einen weiteren Schritt zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) hat die Europäische Kommission am 7. September 2022 ihre Empfehlung zur European Care Strategy vorgelegt.

Das Ziel ist, hochwertige, bezahlbare und leicht zugängliche Pflege- und Betreuungsdienste in der gesamten Europäischen Union zu gewährleisten. Zudem soll die Strategie sowohl die Situation der Betreuungs- und Pflegebedürftigen als auch die Situation derjenigen, die sich professionell oder informell um sie kümmern, verbessern.

Die Europäische Kommission empfiehlt und stellt fest:

"Hochwertige, bezahlbare und gut zugängliche Betreuungs- und Pflegedienste mit besseren Arbeitsbedingungen und besserer Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben

Erschwingliche und gut zugängliche Betreuungs- und Pflegedienste von hoher Qualität kommen allen Altersgruppen zugute. So wirkt sich die Teilnahme an der frühkindlichen Bildung positiv auf die Entwicklung der Kinder aus und verringert auch im späteren Leben das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung. Die Langzeitpflege ermöglicht es Menschen, die aufgrund ihres Alters, einer Krankheit und/oder einer Behinderung im Alltag auf Hilfe angewiesen sind, ihre Eigenständigkeit zu bewahren und in Würde zu leben. Doch für viele Menschen sind solche Dienste nach wie vor nicht erschwinglich, nicht verfügbar oder nicht zugänglich.

Investitionen in Pflege und Betreuung sind wichtig, um Fachkräfte für diesen Sektor zu gewinnen, der bislang häufig durch schwierige Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne gekennzeichnet ist. Investitionen sind außerdem bedeutend, um den Arbeitskräftemangel zu beheben und um das Potenzial des Sektors zur Konjunkturbelegung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen auszuschöpfen.

Zugleich tragen Investitionen in hochwertige Pflege und Betreuung dazu bei, die Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter zu verbessern und insbesondere das geschlechtsspezifische Einkommens- und Rentengefälle abzubauen. Denn bislang tragen Frauen hier nach wie vor die Hauptlast: 90 Prozent der professionellen Pflege- und Betreuungskräfte sind Frauen, und 7,7 Millionen Frauen sind wegen Pflege- und Betreuungsaufgaben nicht erwerbstätig.

Zur Bewältigung dieser Probleme schlägt die Kommission konkrete Maßnahmen vor: Sie will die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, den Zugang zu hochwertigen und erschwinglichen Betreuungs- und Pflegeangeboten zu verbessern sowie die Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in diesem Sektor zu verbessern.

Frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung

Die Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten die 2002 festgelegten Ziele für frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung – die sogenannten „Barcelona-Ziele“ – überarbeiten, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern. Die bisherigen Ziele sehen vor, dass die Mitgliedstaaten für 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren und für 90 Prozent der Kinder zwischen drei Jahren und dem gesetzlichen Einschulungsalter Kinderbetreuung anbieten sollen. Die Kommission schlägt nun ehrgeizige, aber realistische neue Ziele vor. Bis 2030 sollen mindestens

Darüber hinaus empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten unter anderem,

  • bezahlbare, gut zugängliche und hochwertige Kinderbetreuung sowohl in städtischen als auch in ländlichen und benachteiligten Gebieten sicherzustellen;
  • einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung einzuführen, der idealerweise nahtlos an das Ende eines des bezahlten Urlaubs aus familiären Gründen anknüpft; gezielte Maßnahmen umzusetzen, um die Teilnahme von Kindern aus benachteiligten Verhältnissen, mit Behinderungen oder mit besonderen Bildungs- oder Betreuungsbedürfnissen an der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung zu ermöglichen und zu verstärken und ihre Teilnahmequote an diejenige der Gesamtheit der Kinder anzugleichen;
  • die Zahl der Wochenstunden zu prüfen, die die Kinder in der Betreuung verbringen, und dafür zu sorgen, dass die Kinderbetreuung während eines ausreichenden Zeitraums zur Verfügung steht, sodass die Eltern in angemessenem Umfang einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, und
  • eine gerechtere Aufteilung der Kinderbetreuungspflichten zwischen den Elternteilen zu fördern, und zwar durch Bekämpfung von Geschlechterstereotypen und Unterstützung familienfreundlicher Arbeitszeitregelungen.

Langzeitpflege

Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, nationale Aktionspläne aufzustellen, um die Verfügbarkeit, die Zugänglichkeit und die Qualität der Pflege für alle Menschen in der EU zu verbessern, z. B. durch Folgendes:

  • sicherstellen, dass Personen mit Langzeitpflegebedarf rechtzeitig umfassende und bezahlbare Pflegeleistungen erhalten, die ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen,
  • ein umfassenderes und vielfältigeres Angebot an Langzeitpflegediensten bereitstellen (häusliche Pflege, gemeindenahe Pflege und stationäre Pflege), geografische Unterschiede beim Zugang zu Langzeitpflege beseitigen, barrierefreie digitale Lösungen für die Erbringung von Pflegediensten schaffen und den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu Langzeitpflegediensten und -einrichtungen gewährleisten,
  • hohe Qualitätskriterien und -standards für Anbieter von Langzeitpflege festlegen,
  • pflegende Angehörige und Nahestehende (häufig Frauen und Familienmitglieder der Pflegebedürftigen) durch Schulungen, Beratung sowie psychologische und finanzielle Hilfen unterstützen und
  • eine angemessene und nachhaltige Finanzierung der Langzeitpflege mobilisieren, unter anderem aus EU-Mitteln.

Faire Arbeitsbedingungen und Berufsbildung für Betreuungs- und Pflegepersonal

Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und mehr Menschen – insbesondere Männer – für den Betreuungs- und Pflegesektor zu gewinnen, wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

  • Tarifverhandlungen und den sozialen Dialog zu fördern, um angemessenere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen;
  • für die Einhaltung höchster Standards hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu sorgen;
  • Weiterbildungsangebote für Pflege- und Betreuungskräfte zu entwickeln;
  • Geschlechterstereotypen im Bereich Betreuung und Pflege zu bekämpfen und entsprechende Kommunikationskampagnen durchzuführen;
  • das IAO-Übereinkommen 189 über Hausangestellte zu ratifizieren und umzusetzen.

Die Kommission wird ihrerseits

  • die Einrichtung eines neuen sektoralen sozialen Dialogs für Sozialdienstleistungen auf EU-Ebene prüfen;
  • die Einrichtung einer Kompetenzpartnerschaft im Rahmen des Kompetenzpakts für die Langzeitpflege fördern;
  • Projekte und Forschungsvorhaben finanzieren, um den sozialen und wirtschaftlichen Wert der Arbeit im Betreuungs- und Pflegesektor und die Arbeitsbedingungen zu bewerten;
  • die Anwendung der EU-Standards für die Arbeitsbedingungen überprüfen;
  • eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Zulassungsbedingungen und Rechte von Langzeitpflegekräften aus Nicht-EU-Ländern vornehmen und die Durchführbarkeit von Programmen auf EU-Ebene prüfen, um Pflegekräfte anzuziehen und
  • die Möglichkeiten bekannt machen, die das Programm Erasmus+ Fachkräften in der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung bietet.

Nächste Schritte

Die Vorschläge der Kommission für Empfehlungen des Rates werden nun von den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Annahme durch den Rat erörtert. Die Vorschläge sehen vor, dass die Mitgliedstaaten die Kommission ein Jahr nach der Annahme der Empfehlungen über die Maßnahmen zu deren Umsetzung unterrichten. Für jede Empfehlung wird die Kommission innerhalb von fünf Jahren einen ausführlichen Bericht mit einem Überblick über den Stand der Umsetzung vorlegen. Zudem wird die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters die politischen Entwicklungen weiter beobachten sowie Reformen und Investitionen durch verfügbare EU-Mittel unterstützen.

Quelle: Pressemeldung der Europäischen Kommission vom 07.09.2022