Umsetzungsgesetz zur EU-Asylrechtsreform im Bundestag: Paritätischer fordert Verbesserungen im parlamentarischen Verfahren
Am heutigen Tag findet im Bundestag die erste Lesung des Umsetzungsgesetzes der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) statt. Der Paritätische weist in diesem Zusammenhang auf drastische rechtliche Verschärfungen für Schutzsuchende hin und fordert die Abgeordneten auf, Verbesserungen zu beschließen, die ein faires Asylverfahren sowie eine humane Aufnahme von Schutzsuchenden sicherstellen. Geschlossene Zentren, Haft für Kinder sowie weitere Leistungseinschränkungen dürfen nicht Gesetz werden.
Gegenstand der Lesung ist der Regierungsentwurf zur GEAS-Umsetzung, der gravierende rechtliche Verschlechterungen für die Betroffenen vorsieht. Der Verband gab bereits zum Referentenentwurf eine kritische Stellungnahme ab (siehe die Verlinkung rechts). Die Abgeordneten des Bundestags müssen das parlamentarische Verfahren nutzen, um ein humanes und rechtsstaatliches Asylverfahren zu schaffen, in dem die Prüfung eines Schutzanspruchs und nicht die Abschreckung von Schutzsuchenden im Mittelpunkt steht.
Im Folgenden weist der Paritätische auf besonders problematische Aspekte des Gesetzesentwurfs hin:
Aufnahmeeinrichtungen für Verfahren bei Sekundärmigration
Zukünftig soll es spezielle Aufnahmeeinrichtungen für Schutzsuchende geben, die sich nicht in dem für sie zuständigen Mitgliedsstaat aufhalten. Das dürfte den größten Teil derjenigen betreffen, die über die Binnengrenze nach Deutschland kommen und einen Asylantrag stellen. Kennzeichnend für diese Einrichtungen sind längere Wohnverpflichtungen und die Möglichkeit des Verhängens besonders gravierender Formen von Bewegungseinschränkungen, bei denen Personen die Aufnahmeeinrichtung nicht verlassen dürfen.
Der Paritätische spricht sich klar gegen die Schaffung dieser neuen Aufnahmeeinrichtungen sowie die Einführung von Bewegungseinschränkungen aus. Diese wirken sich negativ auf den psychischen und körperlichen Zustand der Betroffenen aus und verhindern Ankommen und Integration auch derer, die langfristig in Deutschland bleiben. In jedem Fall muss der Zugang zu Rechtsberatung und -auskunft sowie zur Feststellung und Versorgung besonderer Schutzbedarfe gewährleistet werden.
Asylgrenzverfahren
Mit der GEAS-Reform wurden neue Asylgrenzverfahren eingeführt, die innerhalb von 3 Monaten abgeschlossen sein müssen und für deren Dauer eine „Fiktion der Nicht-Einreise“ gilt. Um dies umzusetzen, werden Personen in geschlossenen Einrichtungen festgehalten, aus denen eine Einreise nach Deutschland nicht möglich sein wird. Aus Sicht des Paritätischen stellen diese Verfahren eine de facto Haft dar, die wenn überhaupt nur in den durch EU-Recht zwingend vorgegebenen Fälle vorgenommen werden sollte.
Haft
Im Gesetzesentwurf sind zahlreiche Formen von Haft normiert, unter anderem eine „Asylverfahrenshaft“ oder Haft in den neuen Überprüfungsverfahren an den Außengrenzen sowie im Inland, die ebenfalls nicht zwingend durch EU-Recht vorgeschrieben sind. Der Paritätische plädiert dafür, jegliche Formen von Haft im Asylverfahren gesetzlich auszuschließen, da sie mit gravierenden Rechtseingriffen und negativen Folgen für die Betroffenen einhergehen.
Vulnerable Personen und Kinder
Ein besonderes Anliegen ist dem Paritätischen auch die Situation von vulnerablen Personen, wie Frauen, Kindern, LGBTIQ* sowie Schutzsuchenden mit Traumata oder Behinderungen. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei gute Verfahren zur Identifizierung von besonderen Bedarfen und deren Berücksichtigung im Rahmen der gesamten Aufnahme sowie des Asylverfahrens. Der Paritätische spricht sich in diesem Kontext für eine gesetzliche Regelung aus, dass die Durchführung von Vulnerabilitätsprüfungen und Gesundheitskontrollen stets durch geschultes Personal zu erfolgen hat. Darüber hinaus bedarf es einem bundesweit einheitlichen, systematischen und flächendeckenden Verfahren zur Identifizierung von Schutzbedarfen. Die Feststellung und Versorgung von Schutzbedarfen darf nicht Einschränkungen der Bewegungsfreiheit verhindert werden.
Zur besonderen Situation von Kindern hat der Paritätische gemeinsam mit anderen Organisationen ein Gutachten zu kinderrechtlichen Aspekten der GEAS-Reform in Auftrag gegeben und ein Positionspapier mit zehn zentralen Forderungen erstellt (siehe die Verlinkungen rechts). Hierzu zählt u.a. der Ausschluss von Haft und haftähnlichen Bedingungen für Kinder sowie die verbindliche Identifizierung von Schutzbedarfen und eine kindgerechte Unterbringung. Hierbei braucht es auch eine Absenkung der Höchstverweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen und Zentren für Sekundärmigration. Bei unbegleiteten Minderjährigen muss die Erstzuständigkeit der Jugendämter gesetzlich garantiert werden und die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates für das Asylverfahren nur dann gelten, wenn diese nachweislich dem Kindeswohl dient. Schnell- und Grenzverfahren dürfen im Falle von Kindern generell keine Anwendung finden.
Asylbewerberleistungsgesetz
Geplant sind darüber hinaus auch verschiedene Verschärfungen im Asylbewerberleistungsgesetz, darunter Sanktionen bei ausfälligem Verhalten in der Aufnahmeeinrichtung, beim Verstoß gegen Bewegungseinschränkungen oder in verschiedenen Stadien des Verfahrens, insbesondere bei ablehnenden Bescheiden. Auch der von zahlreichen Gerichten als rechtswidrig eingestufte Leistungsausschluss bei Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaats bleibt erhalten.
Die durch die GEAS Reform vorgesehene Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Kindern soll nach den aktuellem Gesetzesentwurf nur für Kinder im Asylverfahren Anwendung finden. Die Regelung muss aus Sicht des Verbandes jedoch für alle Kinder gelten, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten - wie es auch die UN-Kinderrechtskonvention vorschreibt.
Arbeitsverbote
Im Gesetzesentwurf werden die geltenden Arbeitsverbote für bestimmte Gruppen zeitlich verkürzt. Von einer allgemeinen Reduzierung der Dauer des Arbeitsverbots, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, kann jedoch kaum die Rede sein. In der Praxis werden sich weiterhin viele Asylsuchende lange ohne Arbeitserlaubnis in Deutschland aufhalten. Zudem drohen nun bspw. zukünftig nachträgliche Arbeitsverbote im Klageverfahren, auch wenn während des Asylverfahrens gearbeitet werden durfte.
Der Paritätische hat sich seit je her gegen Arbeitsverbote ausgesprochen. Sie hindern Ankommen und Integration, fördern Frustration und psychische Belastung und sind überdies angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels auch gesellschaftlich nicht zielführend. Durch die nun vorgesehenen Änderungen dürften Arbeitgeber angesichts der Unsicherheit beim Fortbestehen der Arbeitserlaubnis zusätzlich von einer Anstellung abgeschreckt werden.