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GVWG Regelungen SGB V

Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) beschlossen. Am 25.06.2021 ist das Gesetz vom Bundesrat gebilligt und am 19.07.2021 schließlich im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Nachfolgend informieren wir über die relevanten Änderungen im SGB V, über das Gesundheitsausgaben- und -personalstatistikgesetz (GAPStatG) sowie die relevanten Änderungen im Transplantationsgesetz (TPG).

GVWG Artikel 1 – Änderungen des SGB V:

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF): Neben der Förderung individueller Betriebe können nun auch überbetriebliche Netzwerke zur BGF von den regionalen Koordinierungsstellen der Krankenkassen gefördert werden. In regionalen, überbetrieblichen Netzwerken können insbesondere solche Betriebe für BGF sensibilisiert und unterstützt werden, die (noch) nicht über die notwendigen Ressourcen für die Implementierung von betrieblichen Gesundheitsförderungsmaßnahmen verfügen (§ 20b Absatz 3 & 4).

Ambulante medizinische Vorsorgeleistungen: Bei Nichtausreichen der Vorsorgeleistungen nach § 23 Absatz 1 müssen die Krankenkassen aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen bzw. bei Bedarf eine Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung finanzieren. Diese Leistungen wurden von Ermessens- zu Pflichtleistungen umgewandelt (§ 23 Absatz 2 Satz 1 & Absatz 4 Satz 1).

Ärztliche Zweitmeinung: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt jährlich mindestens zwei weitere Eingriffe, für die ein Anspruch auf Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung besteht (§ 27b Absatz 2 Satz 1).

Tabakentwöhnung: Wurde bei gesetzlich Versicherten eine schwere Tabakabhängigkeit festgestellt und nehmen diese an einem evidenzbasierten Programm zur Tabakentwöhnung teil, erhalten sie einen Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der vorherigen Behandlung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung möglich (§ 34 Absatz 2).

Übergangspflege im Krankenhaus: Sofern im Anschluss an die Krankenhausbehandlung im häuslichen Kontext erforderliche Leistungen der Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach SGB XI nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden können, erbringt die Krankenkasse Leistungen der Übergangspflege im behandelnden Krankenhaus. Diese umfassen die Versorgung mit
Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Der Anspruch besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung. Die Übergangspflege hat die Aufgabe, die in Aussicht genommene ambulante oder stationäre Versorgung vorzubereiten, zu unterstützen und zu fördern. Der GKV-SV, der PKV sowie die DKG vereinbaren das Nähere zur Dokumentation des Vorliegens der Voraussetzungen für die Übergangspflege, d. h. dass bestimmter Nachsorgebedarf besteht und kein entsprechender Leistungserbringer zur Verfügung steht bzw. die Versorgung anderweitig nicht gesichert werden kann (§ 39e).

Festzuschuss Zahnersatz: Der Festzuschuss von 70 % bleibt bestehen, selbst wenn der/ die Versicherte im Kalenderjahr 2020 pandemiebedingt nicht an den obligatorischen Prophylaxeuntersuchungen teilgenommen hat bzw. teilnehmen konnte. Dieser Zuschuss kann von den Krankenkassen weiterhin auf 75 % erhöht werden, sofern ersichtlich ist, dass der/ die Versicherte seine/ ihre Zähne gut gepflegt hat und in den letzten 10 Jahren (ausgenommen Kalenderjahr 2020) die Prophylaxeuntersuchung in Anspruch genommen hat (§ 55 Absatz 1).

Ambulante Krebsberatungsstellen: Die gesetzliche Förderung seitens der Krankenkassen wird ab dem 1. Juli 2021 mit Wirkung vom 1. Januar 2021 von 21 Millionen auf 42 Millionen Euro verdoppelt (§ 65e Absatz 1 Satz 1). Zudem werden künftig psychosoziale Beratungsstellen gefördert (§ 65e Absatz 2 Satz 1). Dadurch bleiben insbesondere Krebsberatungsstellen in Trägerschaft des öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie gemischte Beratungsangebote oder psychoonkologische Dienste an stationären Einrichtungen nicht förderfähig, soweit eine klare räumliche und personelle Trennung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden kann. Die Kriterien zur Definition und Abgrenzung der förderfähigen Einrichtungen werden durch den GKV-SV unter Einbeziehung des PKV näher ausgearbeitet (§ 65e Absatz 2 Satz 4 Nummer 1).

Bis zum 1. September 2021 soll der GKV-SV unter Beteiligung der zuständigen Landesbehörden das Nähere zur Berücksichtigung von Finanzierungsbeiträgen von Ländern und Kommunen sowie zur Erfassung und zentralen Veröffentlichung der geförderten ambulanten Krebsberatungsstellen bestimmen (§ 65e Absatz 2 Satz 4 Nummer 6 & 7).

Der Förderzeitraum von drei Jahren bleibt erhalten, jedoch darf die GKV-Förderung 80 % der zuwendungsfähigen Ausgaben je ambulanter Krebsberatungsstelle nicht übersteigen. Krebsberatungsstellen, die mit Wirkung vom 1. Januar 2020 gefördert wurden, können ab dem 1. Juli 2021 rückwirkend zum 1. Januar 2021 eine Erhöhung ihres Förderbetrags beantragen (§ 65e Absatz 3).

Probatorische Psychotherapie-Sitzungen nach Krankenhausbehandlung: Im Hinblick auf eine lückenlose Versorgung beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung können die zur Einleitung einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung erforderlichen probatorischen Sitzungen bereits frühzeitig, also auch schon während des Krankenhausaufenthalts, in den Räumen des Krankenhauses oder in der vertragsärztlichen Praxis durchgeführt werden (§ 92 Absatz 6a Satz 2).

Reha-Schutzschirm: Bei Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, die vor dem 1. Januar 1989 stationäre medizinische Leistungen für die Krankenkassen erbracht haben, gilt ein Versorgungsvertrag in dem Umfang der in den Jahren 1986 bis 1988 erbrachten Leistungen als abgeschlossen. Durch die Änderung im GVWG wird die Übergangsvorschrift bis zum 31. Dezember 2025 befristet. Dadurch soll ab dem Jahr 2026 eine Gleichbehandlung aller Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen erreicht werden (§ 111 Absatz 3).

Die Krankenkassen werden ferner dazu verpflichtet, in Zusammenarbeit mit den maßgeblichen Trägerverbänden der medizinischen Reha- und Vorsorgeeinrichtungen auf Bundesebene, Grundsätze einer (pandemiebedingten) leistungsgerechten Vergütung zu verhandeln und diese bis zum 15. Juli 2021 zu vereinbaren (§ 111 Absatz 7 Satz 1 Nummer 2)

Auch bei Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartigen Einrichtungen, die vor dem 1. August 2002 stationäre medizinische Leistungen für die Krankenkassen erbracht haben, gilt ein Versorgungsvertrag in dem Umfang der im Jahr 2001 erbrachten Leistungen als abgeschlossen (§ 111a Absatz 2 Satz 1). Auch hier wird durch die Änderung im GVWG wird die Übergangsvorschrift bis zum 31. Dezember 2025 befristet (§ 111a Absatz 2).

Ebenso sind der GKV-SV und die für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation maßgeblichen Verbände auf Bundesebene verpflichtet, in Rahmen­empfehlungen Grundsätze einer leistungsgerechten Vergütung und ihrer Strukturen zu vereinbaren. Neu ist, dass die Rahmenempfehlungen kurzfristig bis zum 15. Juli 2021 vereinbart werden sollen, um den Verhandlungen über Vergütungsverträge zugrunde gelegt werden zu können (§ 111c Absatz 5 Satz 1 Nummer 2).

Notfallversorgung Ersteinschätzungsverfahren: In der aktuellen Legislaturperiode blieb die notwendige Reform der Notfallversorgung leider aus. Lediglich eine kleine Änderung wurde mit dem GVWG aufgenommen. So muss der G-BA binnen 12 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes Vorgaben zur Durchführung einer qualifizierten und standardisierten Ersteinschätzung des medizinischen Versorgungsbedarfs von Hilfesuchenden, die sich im Notfall an ein Krankenhaus wenden, beschließen (§ 120 Absatz 3b Satz 1). Insbesondere soll dabei auch festgelegt werden, welche Qualifikation das medizinische Personal haben muss, um eine solche Ersteinschätzung vornehmen zu dürfen (§ 120 Absatz 3b Satz 3 Nummer 1), wann und wie bei der Feststellung des Nichtvorliegens eines sofortigen Behandlungsbedarfs ärztliches Personal einbezogen werden muss (§ 120 Absatz 3b Satz 3 Nummer 2) und wann und wie eine Weiterleitung an die Terminservicestelle, Notdienstpraxen oder die vertragsärztliche Versorgungsstruktur erfolgen soll (§ 120 Absatz 3b Satz 3 Nummer 4 & 5).

Mitberatungsrecht der Patientenorganisationen in den Zulassungsausschüssen: Das Mitberatungsrecht der Patientenorganisationen in den Zulassungsausschüssen wird an das Mitberatungsrecht der obersten Landesbehörden in den Zulassungsausschüssen angepasst. Dies betrifft die folgenden beiden Anwendungsfälle: (1) Entscheidungen über die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze auf Grundlage der Entscheidungen der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden und (2) Verlegung eines Vertragsarztsitzes oder einer genehmigten Anstellung. Beide Anwendungsfälle stellen gleichermaßen versorgungsrelevante Entscheidungen der Zulassungsausschüsse dar. Mit der vorgesehenen Änderung erfolgt eine Anpassung, um die Patientenvertretungen auch bei diesen versorgungsrelevanten Entscheidungen zu beteiligen (§ 140f Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe c & d).

GVWG Artikel 15 – Gesundheitsausgaben- und -personalstatistikgesetz (GAPStatG):

Gesundheitspersonalstatistik: Die Gesundheitspersonalstatistik erhebt das Personal als Beschäftigungsverhältnisse und Vollzeitäquivalente nach Einrichtungen, Beruf, Geschlecht, Alter und Beschäftigungsart. Sie wird auf Grundlage von Bundesstatistiken, Daten aus allgemein zugänglichen Quellen und einer gezielten Datenerhebung bei zweckmäßigen öffentlichen Institutionen erstellt. Die Erhebung erfolgt höchstens einmal im Jahr (§ 4).

Regionales Gesundheitspersonalmonitoring: Die Statistik erfasst das Personal als Beschäftigungsverhältnisse pro Kreis oder kreisfreier Stadt in ambulanten und stationären sowie teilstationären Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen sowie im öffentlichen Gesundheitsdienst nach Berufs- oder Hochschulabschluss, ausgeübtem Beruf, Tätigkeits- oder Funktionsbereich, Geschlecht, Geburtsjahr und Beschäftigungsart. Ebenso erfasst die Statistik das Personal als Vollzeitäquivalente pro Kreis oder kreisfreier Stadt in ambulanten und stationären sowie teilstationären Pflegeeinrichtungen nach Einrichtungsart, Berufs- oder Hochschulabschluss, Tätigkeitsbereich, Arbeitsanteil für die Pflegeeinrichtung sowie Geschlecht und Geburtsjahr.

Durch das Monitoring kommt es auch zur Erfassung und Verarbeitung der Anzahl von
Patient/-innendaten sowie Pflegebedürftigen. Die Daten werden pro Kreis bzw. kreisfreie Stadt erhoben und nach Geschlecht, Geburtsjahr, Behandlungs-/ Wohnort, Sitz und Art der Einrichtung, Leistung, Pflegegrad, Diagnose und Verweildauer erfasst (§ 5).

GVWG Artikel 15d – Änderung des Transplantationsgesetz (TPG):

Da Erklärungen zur Organ- und Gewebespende zukünftig auch im Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende abgegeben werden können, ist diese Form der Abgabe einer Erklärung ebenso von der Ärztin/ dem Arzt zu berücksichtigen wie andere schriftlich abgegebene Erklärungen. Durch die Änderungen darf (1) eine Abfrage beim Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende auch in Behandlungssituationen, in denen der nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms des möglichen Organ- oder Gewebespenders unmittelbar bevorsteht oder als bereits eingetreten vermutet wird, erfolgen (TPG § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2) sowie (2) eine Auskunft bei den behandelnden Ärzt/-innen des/ der möglichen Organ- und Gewebespenders/-in eingeholt werden (TPG § 7 Absatz 3).

Verfügt ein Entnahmekrankenhaus nicht über ärztliches Personal, das für die Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bei einem/-r Patient/-in qualifiziert ist und es auch anderweitig nicht in der Lage ist, dieser Verpflichtung nachzukommen, vermittelt die Koordinierungsstelle nach § 11 TPG qualifiziertes ärztliches Personal. Die Koordinierungsstelle organisiert hierfür einen Rufbereitschaftsdienst, der sicherstellen muss, dass regional und flächendeckend jederzeit ärztliches Personal zu diesem Zweck zur Verfügung steht. Entsprechende Krankenhäuser müssen sich auf Anfrage der Koordinierungsstelle am Rufbereitschaftsdienst beteiligen.
Die teilnehmenden Krankenhäuser erhalten einen Anspruch auf einen angemessenen Kostenausgleich, teilnehmende Ärzt/-innen erhalten einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung sowie eine Einsatzpauschale (TPG § 9a Absatz 2).

Das GVWG ist am 19.07.2021 in Kraft getreten mit den folgenden Ausnahmen der oben aufgeführten Regelungen:

  1. Festzuschuss Zahnersatz (SGB V § 55 Absatz 1) à Tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2021 in Kraft.
     
  2. Gesundheitspersonalstatistik und Regionales Gesundheitspersonalmonitoring à Tritt am 01.10.2021 in Kraft
     
  3. Änderung des TPG (§ 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 sowie Absatz 3) à Tritt am 01. März 2022 in Kraft.