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Kongress zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter vom 6. bis 7.12.2016 im CCB Berlin

Zweck des zweiten IQ-Kongresses war ein fachlicher Austausch von Experten zum Thema Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Im Vorfeld konnten sich Teilnehmende Projekte der Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Berlin anschauen. Diese waren zum Beispiel das Projekt „querstadtein“, in dem Geflüchtete als Stadtführer ihre ganz persönlichen Orte in Berlin vorstellten, sowie das Projekt ARRIVO, das sich der Arbeitsvermittlung Geflüchteter, durch Beratung und persönlichen Kontakt zu Arbeitgebern, zum Ziel gesetzt hat. Im Verlauf des Kongresses fanden zudem vier Paneldiskussionen und zahlreiche Workshops zum Thema Migration und Arbeit statt.

Im Rahmen der Eröffnungsrede hob Thorben Albrecht, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, die besondere Stellung der berufsspezifischen Sprachförderung, die beidseitige Motivation zur Integration und das Engagement, insbesondere das der Kleinen und Mittleren Unternehmen, für die Arbeitsmarktintegration hervor. Eine gute Qualifizierung Geflüchteter sei die Voraussetzung für gute Arbeit, wenngleich dies ein langwieriger Prozess und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.

Das erste Diskussionspanel stand unter dem Motto: „Deutschland erzählen“ und sollte das deutsche Selbstverständnis bezüglich Differenz und Vielfalt diskutieren. Einleitend gab Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, Politikwissenschaftler und Soziologe an der Fachhochschule Münster, einen Impulsvortrag, in dem er zu der pointierten Aussage „Gelungene Integration erhöht das Konfliktpotenzial einer Gesellschaft“ kam. Eine gute Integration ermögliche eine erhöhte Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen und damit zu einer Meinungsvielfalt. Umso wichtiger sei daher eine ausgeprägte, konstruktive Streitkultur nach dem Vorbild Kanadas, welche sich durch das Motto „Einheit in Vielfalt“ definiere. Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor merkte zudem an, Deutschland habe ein Rassismus Problem und forderte dahingehend eine bessere Aufklärung, sowie ein gemeinsames Leitbild von Einheimischen und Eingewanderten, das sich an einer offenen, freien, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft orientiere.

Themen des zweiten Panels waren Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt und welche Einwandererstaaten in dieser Hinsicht als Vorbild für Deutschland dienen könnten. Wichtig sei gleichermaßen die Unterstützung von heimischen Unternehmen und Neuankommenden und die Berücksichtigung der Bedürfnisse beider Gruppen. Als gelungenes Beispiel hierfür wurde insbesondere Kanada erwähnt. Zu diesem Thema fand eine Paneldiskussion mit zahlreichen Diskutanten aus der Wissenschaft, der Verbände, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) statt. Dr. Linda Manning (Universität Ottatwa) betonte, man müsse Arbeitgeber und Eingewanderte auf interkulturelle Herausforderungen vorbereiten. Henry Akanko (Director der Initiative Hire Immigrants Ottawa) hob die individuellen Beziehungen zu Arbeitgebern, zusätzlich zur formalen Arbeitsvermittlung, hervor. Alexander Wilhelm (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) forderte auch nach der Einstellung Geflüchteter eine gezielte Beratung von Unternehmen. Prof. Lesleyanne Hawthorne (Universität Melbourne) betonte den Lernbedarf an berufsspezifischer Sprache und Alltagssprache beim Spracherwerb und forderte in dieser Hinsicht mehr staatliches Engagement und höhere Investitionen. Für Michael van der Cammen (BA) sind die Anerkennung von Berufsabschlüssen und das Erlernen der deutschen Sprache für die Arbeitsmarktintegration zentral. Gleichzeitig betonte er, im Gegensatz zu Thorben Albrecht, Großunternehmen hätten durch ihre Struktur und ihre Ressourcen größere Erfahrungen mit der Integration und Qualifizierung von Geflüchteten.

Die dritte Paneldiskussion fand unter dem Motto: „Faire Arbeit für Alle“ statt und sollte insbesondere die Frage beleuchten, inwiefern Migrantinnen und Migranten Diskriminierungen am Arbeitsmarkt ausgesetzt sind und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Simone Solka (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) forderte ein qualifikationsadäquates Einsetzen Geflüchteter in den Arbeitsmarkt und befand den Ausländeranteil von 25% in der Leiharbeitsbranche als problematisch, solange diese Arbeitsverhältnisse nicht als Sprungbrett in eine reguläre Beschäftigung dienten. Dr. Albin Dearing (EU-Grundrechtsagentur) merkte in diesem Zusammenhang an, dass die meisten Zugewanderten im Niedriglohnsektor froh seien, überhaupt eine Beschäftigung gefunden zu haben und insofern ihre Situation nicht als prekär betrachteten.

Das vierte Diskussionspanel beschäftigte sich mit der Verantwortung der Medien bei der Berichterstattung über Geflüchtete. Innerhalb der Diskussion konstatierte Bettina Köster (Deutschlandfunk) eine Tendenz zur gefühlten Wahrheit. Journalisten müssten daher zunehmend in einen Dialog mit Lesern, Hörern und Nutzern treten, ihr Vorgehen erklären und außerdem in einem engeren Kontakt mit den Reportern vor Ort stehen. Dr. Jobst Paul (Institut für Sprach- und Sozialforschung in Duisburg) mahnte zudem, bestimmte Begriffe und Sprachbilder transportierten bestimmte Sichtweisen. So würden von der Verwaltung genutzte Begriffe, wie „schlechte Bleibeperspektive“ ein negatives Bild über die Betroffenen aus diesen Staaten hervorrufen. Rob Mc Neil (Medienanalyst) und Dr. Mark Terkessidis (Migrationsforscher) kritisierten zudem die enorme Macht der Medienunternehmen und einen Stil der Boulevardberichterstattung, der eher einem Unterhaltungsjournalismus gleiche.

Zentrale Aussagen, die innerhalb der zahlreichen Workshops getroffen wurden, waren zum einen, dass das Ehrenamt, vor allem die Ausbildungsbegleitung, eine große Rolle bei der Arbeitsmarktintegration spielt. Zum anderen sei die Anerkennung von Berufsabschlüssen keine rechtliche Frage, sondern eine Frage der Kultur

Link zur IQ-Gesamtdokumentation mit Berichten, Impressionen, Videos:

http://tinyurl.com/IQKongress2016-Dokumentation.