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Koordinierungsstelle des Bundes für Heimkinder aus der Ukraine gestartet – viele Fragen der Unterbringung und Betreuung noch offen

Ankommende Gruppen von ukrainischen Heimkindern werden über eine Koordinierungsstelle in der Verantwortung des BMFSFJ registriert und in die Bundesländer umverteilt. SOS Kinderdorf stellt dafür eine Hotline zur Verfügung. Kapazitätsmeldungen für Unterbringungen werden an die örtlichen Jugendämter bzw. Landesverteilstellen gemeldet.

Über 100.000 Kinder und Jugendliche leben in der Ukraine in Heimen. Der Krieg bedroht auch sie massiv und es bedarf im Zweifel der Unterbringung und Betreuung in sicheren Ländern, also auch in Deutschland. Bisher war unklar, wie ankommende Gruppen registriert und in den Bundesländern verteilt werden sollen. Häufig waren es bisher Privatinitiativen, die die Evakuierung und Unterbringung organisiert haben. Darauf hat das BMFSFJ nun auch auf Druck von Verbänden entsprechend reagiert. Im Vorfeld wurden Absprachen zwischen BMFSFJ und den Ländern im Rahmen der JFMK getroffen (siehe Dokument). Ein Ergebnis ist die Einrichtung der Koordinierungsstelle auf Bundesebene.

Die Koordinierungsstelle hat laut Aussage des BMFSFJ folgenden Auftrag:

Die SOS-Meldestelle, betrieben von SOS-Kinderdorf e.V., ist seit heute unter der kostenfreien Telefonnummer 0800-1260612 täglich von 8 bis 19 Uhr erreichbar. Sie informiert Einrichtungen, Organisationen und Privatpersonen, die die Aufnahme evakuierter Heim- und Waisenkinder aus der Ukraine in Deutschland organisieren über das Verteilverfahren und die zuständigen Stellen in den Bundesländern und nennt Ansprechpartnerinnen und -partner. Fragen Gruppen ukrainischer Heim- und Waisenkinder auf dem Weg nach Deutschland von sich aus an, vermittelt die Meldestelle sie auch direkt dorthin, wo es freie Kapazitäten gibt.

Die zweite Säule ist die zentrale Koordinierungsstelle, eingerichtet beim Bundesverwaltungsamt. Sie registriert Aufnahmen und Kapazitäten in den Bundesländern und stellt die gerechte Verteilung der evakuierten Gruppen auf die Bundesländer sowie die gemeinsame Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Gruppen mit ihren Begleitpersonen sicher.

Unterbringungskapazitäten vor Ort durch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder auch andere Institutionen oder Privatpersonen sollten an die zuständigen Jugendämter vor Ort gemeldet werden, damit diese für das Verteilungsprozedere erfasst werden. Privatpersonen (z.B. Inhaber von Hotels oder Ferienanlagen etc.) können dies auch der Hotline von SOS-Kinderdorf e.V. melden und werden dann entsprechend beraten.

In Zusammenhang mit der Unterbringung ganzer Gruppen von Heimkindern stellen sich noch erhebliche Fragen. So kommen auch Gruppen mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Wenn es sich um Kinder mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung handelt, ist eigentlich die Eingliederungshilfe zuständig. Auch wird die Frage sein, wie ganze Gruppen mit ihren Betreuer*innen Teil des Systems der Kinder- und Jugendhilfe (bzw. Eingliederungshilfe) werden können. Hier wird es Übergangslösungen eigener Art brauchen und die sukzessive Eingliederung in das Regelsystem über die Betriebserlaubnis. Akut ist die Frage der zusätzlichen Betreuung durch Fachkräfte vor Ort. Der Fachkräftemangel zeigt sich besonders hier, weil kaum zusätzlich Fachkräfte zur Verfügung stehen. Daher ist zu prüfen, ob die ukrainischen Betreuer*innen als Fachkräfte angestellt werden können. Die schnelle Anerkennung von ukrainischen Qualifikationen ist durch Minister Heil/BMAS nun in Aussicht gestellt worden. Alle anderen Standards der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere der Kinderschutz sind schnellstmöglich auch in den Fällen der Betreuung ganzer ukrainischer Gruppen sicherzustellen. Die Betreuer*innen werden über keine qualifizierten Führungszeugnisse nach deutschem Vorbild verfügen (können). Es muss überlegt werden, hier im Rahmen von Gesprächen über die Anforderungen des Kinderschutzes in Einrichtungen aufzuklären und entsprechende Selbstauskünfte mit Unterschrift einzuführen. Darüber hinaus sind alle subjektiven Hilfen und Zugänge zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der Bildung für die ukrainischen Kinder und Jugendlichen auch aus Heimen sicherzustellen. Dies betrifft den Zugang zur Kita und Schule sowie Spracherwerb, als auch zu Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit oder auch der Jugendsozialarbeit. Die psychosoziale Versorgung auf Grund traumatischer Erlebnisse ist sowohl für die Kinder als auch Betreuer*innen sicherzustellen. Eine umfassende Gesundheitsversorgung ist über den Rechtsstatus der geflüchteten Menschen aus der Ukraine gewährleistet.

Politisch nicht unbedeutend sind allerdings Aussagen der Ukraine zu den geflüchteten Kindern und Jugendlichen selbst. Verständlicher Weise möchte die Ukraine schnellstmöglich die Rückführung der Kinder und Jugendlichen, sobald die Lage in der Ukraine dies zulässt, ermöglichen. Eine vollständige Integration in die aufnehmenden Länder wird daher durch die Ukraine kritisch gesehen. Sie würden die Betreuung und Beschulung der Kinder nach ukrainischem System bevorzugen. Davon wird nach einschlägigen Erfahrungen in Deutschland allerdings abgeraten. Sehr wohl können natürlich Angebote wie ukrainischer Sprachunterricht etc. trotzdem zusätzlich durchgeführt werden. Auch ist überhaupt nicht absehbar, wie lange die Kinder und Jugendlichen bleiben müssen, da in vielen Regionen der Ukraine selbst bei schneller Beendigung der Gewalt zunächst ein Wiederaufbau erfolgen muss. Je länger die Kinder hierbleiben und je besser sie integriert sind, umso dringender wird die Abwägung nach Kindeswohlaspekten, ob die Kinder und Jugendlichen zurückkehren oder nicht, unter Beteiligung und Anhörung der Kinder selbst erfolgen müssen.