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Neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Hartz-Reformen

Fachinfo
Erstellt von Carolin Linckh

Letzte Woche wurde die Auftragsstudie „Aufstieg durch Einstieg“ der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht. Die Autor*innen analysieren Erwerbschancen von Menschen im Grundsicherungsbezug, die zusätzlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen (sog. Aufstocker) seit den Hartz-Reformen im Zeitraum 2007-2017.

Letzte Woche wurde die Auftragsstudie „Aufstieg durch Einstieg“ der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht und von der Presse aufgegriffen (siehe FAZ vom 10.8.2020 "Billigarbeit fördert den sozialen Aufstieg" und im Tagesspiegel vom 11.8.2020 "Ohne Arbeit kein Aufstieg"). Sie analysiert Erwerbschancen von Menschen im Grundsicherungsbezug, die zusätzlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen (sog. Aufstocker) seit den Hartz-Reformen im Zeitraum 2007-2017.

Die Studie ist unter folgendem Link zu finden: https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/aufstieg-durch-einstieg-in-den-arbeitsmarkt

Deskriptive Analysen von Erwerbsübergängen zeigen, dass sich Aufstocker leichter am Arbeitsmarkt etablieren und ihre Einkommenssituation verbessern konnten und wahrscheinlicher den Leistungsbezug hinter sich lassen konnten, als Leistungsbeziehende im SGB II ohne Erwerbstätigkeit. Über einen 5-Jahreszeitraum schaffen es im Durchschnitt 47 Prozent der Aufstocker den Übergang in eine normale Erwerbstätigkeit. Die Autoren zeigen weiterhin in Kausalanalysen auf, dass es oft sehr individuelle Fakto­ren sind, die bestimmen, ob eine Erwerbstätigkeit ohne Leistungsbezug erreicht werden kann. Kinder, gesundheitliche Einschränkungen und ein befristeter Arbeitsvertrag sind nur einige der einschränkenden Faktoren, die identifiziert werden können. Letztlich ist es insbesondere die frühere Erwerbsbiografie, die auch den aktuellen Erwerbsstatus prägt.

Was die Lebensumstände betrifft, weisen Arbeitslose ohne Erwerbstätigkeit im Vergleich zu Aufstockern eine höhere materielle Deprivation, einen Mangel an sozialer und kultureller Teilhabe und eine geringere Lebenszufriedenheit auf.

Weitere Befunde betreffen die Entwicklungsmöglichkeiten aus einer aufstockenden Tätigkeit heraus. Hier liefert die Studie auch kritische Befunde: So zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit in der Folgeperiode eine Beschäftigung ohne Leistungsbezug aufzunehmen für Aufstocker ohne Minijob deutlich größer ist als für Aufstocker mit Mini­job; der Minijob wird hier zur Sackgasse. Weiterhin weisen die Befunde auf eine Abwärtsmobilitätnach Anforderungsniveau hin, denn knapp 1/5 der Aufstocker mit einem hohen beruflichen Anforderungsniveau üben in der Folgeperiode eine Erwerbstätigkeit mit geringem Anforderungsniveau aus. Außerdem stellen die Autoren Lock-in Effekte fest (für Aufstocker, die unter ihrer Qualifikation arbeiten, ist der Übergang in eine qualifikationsgerechte Tätigkeit gering und 2/3 der Hinzuverdienenden im Niedriglohnsektor können dieses Lohnsegment im analysierten Zeitraum nicht verlassen).


Aufstocker haben im Vergleich zu SGB II Beziehenden ohne Hinzuverdienst durch ihre Arbeitsmarktnähe bessere Beschäftigungsperspektiven und das Mehr an Geld sorgt für eine weniger schlechte Lebenssituation. Bestätigt dieser Befund das Festhalten am Grundsatz des „Förderns und Forderns“ zur Aufnahme jedweder Arbeit, wie es von der Konrad-Adenauer-Stiftung zuvörderst gefordert wird? Für den Paritätischen nicht, sondern für weitreichende Korrekturen dieses Systems.
Die Studie zeigt, dass mehr als der Hälfte der Aufstocker der zumindest längerfristigere Übergang in eine auskömmliche Beschäftigung eben nicht gelingt. Auch sind die Beschäftigungsverhältnisse von Aufstockern häufig durch eine hohe Instabilität gekennzeichnet: Auswertungen des IAB im Kurzbericht 14/2013 von (Bruckmeier et al. 2013) zu diesem Thema zeigen, dass Aufstocker, welche durchgängig beschäftigt sind, das Arbeitsverhältnis häufig wechseln. Des Weiteren ermitteln sie, dass der Verbleib im Leistungsbezug vor allem auf eine geringe Qualifikation, ein niedriger Stundenlohn, schwere gesundheitliche Einschränkungen, ein höheres Lebensalter, die Ausübung eines Minijobs, die Ausübung einer befristeten Tätigkeit oder in der Zeitarbeit, ein zusätzliches Kind im Haushalt und den Status Alleinerziehend zurückzuführen sind. Dies zeigt, dass zum einen eine zielgenaue Arbeitsförderung nötig ist, die an individuellen Vermittlungshemmnissen ansetzt und zum anderen Qualifizierungsangebote unterbreitet, um Lock-in Effekte rascher Arbeitsvermittlung in unterwertiger bzw. niedrig entlohnte Beschädigung zu vermeiden und um die berufliche Aufwärtsmobilität zu befördern.

Aus Sicht des Paritätischen bleibt es zudem wichtig, Maßnahmen zur Eindämmung und Regulierung des Niedriglohnsektors zu ergreifen, wozu eine Stärkung der tariflichen Entlohnung und eine deutliche Anhebung des gesetzlichenMindestlohns zählen. Lock-in Effekte niedriger (Einstiegs-)Löhne, wie sie die vorliegende Studie und auch in einer Studie des DIW im Auftrag der Bertelsmann Stiftung von (Grabka/Göbler 2020) belegt – laut ihnen ist seit der massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland nur rund 1/4 gelungen, diese Lohngrenze zu überschreiten −, sind häufig für ein Leben in Einkommensarmut trotz Erwerbstätigkeit verantwortlich. Das Festhalten an dem großen Anteil niedriger Löhne „wäre das genaue Gegenteil eines inklusiven, dynamischen und zugleich resilienten Arbeitsmarkts“ (Grabka/Göbler 2020).
Mit geringeren Erwerbschancen von Aufstockern im Vergleich zu Hinzuverdienenden ohne Minijob zeigt die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung eine der Gefahren geringfügiger Beschäftigung auf. Minijobs sind zusätzlich dazu überdurchschnittlich häufig im Niedriglohnsektor vertreten und werden häufig dazu genutzt, arbeitsrechtliche Standards zu untergraben. Minijobs sind deshalb durch Veränderungen im Sozialversicherungs- und Steuerrecht weitgehend in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Folgende konkrete Vorschläge erhöhen den Anreiz einer Arbeitszeitausweitung: Die Verdienstschwelle, ab der Sozialbeiträge gezahlt werden, soll statt aktuell bei 450 Euro, bei 100 Euro liegen. Ausgenommen von den Sozialversicherungsbeiträgen soll wie bisher die Krankenversicherung bleiben, so dass Beschäftigte (alleine) über einen Minijob keinen Krankenversicherungsschutz erlangen. Zweitens sollen steuerliche Korrekturen die Attraktivität kleiner Nebenverdienste abbauen. Davon würden insbesondere auch Frauen profitieren, die gerne länger arbeiten möchten, dies jedoch bislang im Minijob nicht tun können.

Gez. Carolin Linckh, 17.8.2020