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Soziale Wohnungspolitik für alle – Forderungen an die nächste Bundesregierung

Fachinfo
Erstellt von Jennifer Puls

Wohnen in Deutschland wird immer teurer, wie eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt - so teuer, dass die Mieten inzwischen sogar Existenzen bedrohen. Die gewaltige soziale Schieflage auf dem Wohnungsmarkt verlangt nach Lösungen. Unsere Kollegin Jennifer Puls stellt im Beitrag die Vorschläge des Paritätischen vor.

Soziale Wohnungspolitik für alle – Forderungen an die nächste Bundesregierung

Wohnen gehört zwar zu den existenziellen Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Doch nicht alle können sich dieses Bedürfnis in gleichberechtigter Weise erfüllen. 5,6 Millionen Haushalte in Deutschland benötigen derzeit eine Sozialwohnung. Jedoch stehen diesem Bedarf nur ca. 1,3 Millionen Sozialwohnungen für einkommensschwächere Haushalte gegenüber. Zudem werden nach Schätzungen zufolge in 2018 ca. 536.000 Menschen wohnungslos sein.

Schere zwischen Arm und Reich auf Wohnungsmarkt deutlich

Die regionalen Wohnungsmärkte sind von einer sozialen Schieflage geprägt. Das mangelnde Angebot und die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum führen vor allem in Metropolregionen zu erheblichen Mietpreissteigerungen. Die Wohnkosten belasten insbesondere die von Armut bedrohten Bevölkerungsteile erheblich: während die durchschnittliche Bevölkerung in 2015 bereits 27,3 Prozent ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufwenden musste, sind es bei den Menschen die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben 51,2 Prozent. Die Herausbildung sozialräumlicher Ungleichheitsstrukturen wird in den Städten und auf den Mietwohnungsmärkten derzeit deutlich sichtbar. Sie zeigt sich in der Verdrängung von Menschen in besonderen Lebenslagen und Menschen mittlerer Einkommen in weniger attraktive Stadtgebiete, die häufig durch geringere soziale Teilhabechancen geprägt sind. Die Schere zwischen Arm und Reich tritt so auch im Wohnen deutlich hervor und begünstigt die Entstehung homogener Sozialstrukturen sowie eine abnehmende soziale Vielfalt in den Stadtbezirken. Doch während in Ballungsgebieten wie Berlin, München oder Hamburg preiswerter Wohnraum knapper wird, sind ländliche Regionen mit gegensätzlichen Problemlagen konfrontiert. Leerstand, Abwanderung, eine nachlassende öffentliche Daseinsvorsorge und der demografische Wandel prägen hier das Bild der Kommunen. So unterschiedlich die Herausforderungen in der Wohnungspolitik auch sind, so offensichtlich ist der notwendige politische Handlungsbedarf in der nächsten Legislaturperiode. Die neue Bundesregierung muss auf diese unterschiedlichen Bedarfslagen reagieren. Sie muss für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und durch geeignete Maßnahmen für eine sozial ausgeglichene Wohnungspolitik sorgen, die allen Menschen, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort, angemessenen sowie guten Wohnraum gewährleistet. 

Gemeinnützigen Wohnungssektor einführen

Angesichts der erheblichen Versorgungslücken mit bezahlbarem Wohnraum und der Steuerungslogik des Marktes nach Profit, muss die Wiedereinführung eines gemeinnützigen Wohnungssektors auf der Bundesebene angegangen werden. Es ist offensichtlich, dass der Markt nicht in der Lage und Willens ist, einkommensschwächeren Haushalten ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Durch die gezielte Förderung gemeinwohlorientierter Wohnungsbaugesellschaften kann ein dauerhaft und langfristig bezahlbares Wohnsegment für alle geschaffen werden.

Sozialen Wohnungsbau nachhaltig stärken

Zur Sicherung des sozialen Wohnungsbaus muss die Verantwortung des Bundes nach dem Auslaufen der Kompensationsmittel über 2019 hinaus gesichert werden. Die öffentlichen Investitionen des Bundes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus müssen verstärkt werden und sichergestellt werden, dass die Länder die Finanzmittel zweckgerichtet investieren. Um öffentliche Investitionen dauerhaft zu sichern, müssen die Belegungsbindungen unbefristet bzw. zumindest langfristig sein.

Bodenspekulationen sind ein soziales Problem

Die Spekulation mit Boden sind ein soziales Problem und müssen eingedämmt werden. Da sich die Spekulationsgewinne in den Bau- und Mietpreisen niederschlagen, verengen sie den  Marktzugang einkommensschwacher Haushalte zum Wohnungsmarkt zusätzlich. Zu diesem Zweck müssen die Voraussetzungen für bezahlbaren Boden und Bauen geschaffen werden. Bei der Vergabe öffentlicher Grundstücke darf nicht das Höchstgebot entscheiden sein, sondern eine stärkere Orientierung an gemeinwohlorientierten Konzepten muss erfolgen.

Wohnungslosigkeit verhindern, Wohngeld dynamisieren, Energiekosten sozial ausgestalten

Die Ausgestaltung einer sozialen Wohnungspolitik bedeutet weiterhin, dass ausreichend barrierefreier Wohnraum sichergestellt und der Schutz vor Benachteiligung beim Zugang zu Wohnraum verbessert werden muss. Die Prävention des Wohnungsverlustes muss durch die Einrichtung eines Bundesförderprogrammes für kommunale Fachstellen unter Beteiligung freier Träger und die Förderung der Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren verstärkt werden. Zur Wohnraumerhaltung müssen soziale Träger in den Schutzbereich des Wohnraummietrechts aufgenommen werden. Um einkommensschwache Haushalte bei den Wohnkosten ernsthaft zu entlasten, muss das Wohngeld jährlich und dynamisch an die gestiegenen Wohnkosten angepasst und durch eine Energiekostenkomponente zusätzlich unterstützt werden. Die Kosten der Unterkunft müssen an die Mietpreisentwicklungen angeglichen werden, um den Transferleistungsempfängern/-innen Wohnen in Würde zu ermöglichen. Energetische Modernisierungen dürfen kein Grund für die Verdrängung von Mietenden sein. Deshalb müssen Modernisierungen den Mietern/-innen warmmietenneutral zukommen. Um Transferleistungsbeziehende nicht zu benachteiligen, müssen die Grenzen der Angemessenheit die gestiegenen Kaltmieten berücksichtigen und vom Leistungsträger übernommen werden.

Effektive Mietpreisbremse schaffen

Erheblicher Nachbesserungsbedarf besteht bei der Mietpreisbremse, um rasante Mietsteigerungen in insbesondere Großstädten effektiv einzudämmen. Die gegenwärtige Regelung lässt weitreichende Ausnahmeregelungen zu, welches in zahlreichen Fällen eine Überschreitung des Mietanstiegs um mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete legitimiert. Wohnungspolitische Fehlentscheidungen wie die ersatzlose Abschaffung der Mietpreisbremse im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen darf es auf Bundesebene nicht geben.

Um die Mietpreisbremse wirkungsvoll zur Geltung zu bringen, sind Ausnahmen wie der Bestandsschutz überhöhter Vormieten oder die Geltendmachung umfassender Modernisierungen zu beseitigen. Zur Durchsetzung von Ansprüchen unzulässiger Mietüberschreitungen und zum Schutz von Mietern sind kollektive Mietrechte zu schaffen und Mietverträge transparent zu gestalten. Um die Beachtung der Mietpreisbremse durch Vermieter sicherzustellen, ist weiterhin § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zu reformieren.

Die nächste Bundesregierung ist gefordert allen Menschen eine gleichberechtigte Chance auf angemessenen sowie bezahlbaren Wohnraum zu gewähren und auf diese Weise den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken.