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Unzureichende Änderungen und weitere Verschärfungen im „Sicherheitspaket“

Im Änderungsantrag zum sogenannten „Sicherheitspaket“ wurden die Härtefallregelungen beim Leistungsausschluss für Dublin-Fälle teilweise entschärft, den u.a. vom Paritätischen vorgebrachten schwerwiegenden Bedenken jedoch nicht umfassend und effektiv Rechnung getragen. Bei den Regelungen zu Heimatreisen haben die Fraktionen hingegen Verschärfungen beschlossen. Über den Gesetzentwurf entscheidet der Bundestag am morgigen Freitag. Der Paritätische fordert die Abgeordneten auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Bereits in ihrer ursprünglichen Form wurden die migrations- und sozialrechtlichen Änderungen des sogenannten „Sicherheitspakets“ vom Paritätischen Gesamtverband in aller Deutlichkeit abgelehnt, insbesondere der vollständige Leistungsausschluss für Dublin-Fälle. Auch die nun geplanten Änderungen können dieser grundsätzlichen Kritik nicht begegnen, weshalb sich der Verband auch gegen den Änderungsantrag ausspricht und die Abgeordneten auffordert, dem „Sicherheitspaket“ nicht zuzustimmen.

Im Folgenden werden einzelne Aspekte der geplanten Änderungen dargestellt und eingeordnet. Dabei wird nicht erneut auf die bereits in der Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbands dargestellten verfassungs- und europarechtlichen Einwände gegen Leistungsausschlüsse Asylsuchender eingegangen.

Keine eindeutige Prüfungsregelung

Gegenüber dem ersten Entwurf soll laut den Änderungsanträgen beim Leistungsausschluss in Dublin-Fällen in § 1 Abs. 4 AsylbLG eine Ergänzung eingefügt werden, die eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich simuliert, materiell aber keine Änderung darstellt. In § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG-E soll nun eine Passage aufgenommen werden, der zufolge nach dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nur dann ein Leistungsausschluss erfolgen darf, wenn nach Feststellung des Bundesamts für Migration und Flucht (BAMF) auch die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist.  

Dieser Zusatz stellt jedoch keine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf dar, denn bereits nach geltender Rechtslage wäre ein Leistungsausschluss ohne Möglichkeit der selbstinitiierten Ausreise verfassungswidrig. Es wird letztlich bloß geregelt, dass dem BAMF die Prüfung über die Möglichkeit der selbstinitiierten Ausreise obliegt. In der Gesetzesbegründung wird gar festgestellt, dass die neue Regelung bloß klarstellenden Charakter hätte, da das BAMF bereits mit der Unzulässigkeitsentscheidung auf die "im Rahmen dieser Regelung maßgebliche" rechtliche und tatsächliche Möglichkeit geprüft hätte. Offen gehalten wird dabei, ob hiermit die Möglichkeit der Überstellung gem. § 34a Abs. 1 AsylG oder aber die Möglichkeit der selbstinitiierten Ausreise gemeint ist. Da das BAMF derzeit jedoch nicht auf die Möglichkeit einer solchen Ausreise prüft, sondern allein auf die Abschiebung gem. § 34a Abs. 1 AsylG, ist nicht eindeutig geregelt, ob eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 AsylG durch den Gesetzgeber als ausreichend für den Leistungsausschluss angesehen wird oder eine zusätzliche Prüfung erforderlich ist.

Somit droht insbesondere für die Rechtsanwendung der Leistungsbehörden eine beachtliche Unsicherheit und in der Folge fälschlich vorgenommene Leistungsausschlüsse zulasten Schutzsuchender. Denn nach den derzeitigen Verfahren kann trotz ordnungsgemäßer Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 AsylG eine Überstellung oder freiwillige Ausreise tatsächlich nicht oder teilweise erst nach Wochen oder Monaten erfolgen kann. Insofern die Leistungsbehörden allein auf die Abschiebungsanordnung als Maßstab für die Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Ausreise abstellen, droht somit ein wochen- bis monatelanger Leistungsausschluss, selbst wenn die Betroffenen die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet nicht in der Hand haben. Der Leistungsausschluss wäre in diesen Fällen eine verfassungsrechtlich unzulässige, rein repressive Sanktion.

Solche Situationen dürften im Rahmen des Dublin-Systems kein Einzelfall sein. Bei Überstellungen kann eine solche Situation beispielsweise eintreten, wenn EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig Personen trotz Zustimmung zur Übernahme oder fiktivem Zuständigkeitsübergang nicht wieder aufnehmen, wie zurzeit Italien oder zum Teil auch Griechenland. Bei den freiwilligen Ausreisen stellt sich das Problem, dass diese in Dublin-Fällen derzeit regelmäßig nicht vorgesehen sind und entsprechend durch das BAMF bei der Abschiebungsanordnung nicht geprüft werden. Die Möglichkeit der selbstinitiierten Ausreise wird ausdrücklich deshalb eingeschränkt, weil im Zweifel die Zuständigkeit auf das Asylverfahren auf Deutschland übergeht, wenn die Person nicht nachweisbar im zuständigen Mitgliedsstaat ankommt. Entsprechend gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine selbstinitiierte Ausreise und erlaubt das BAMF diese bisher nur in Ausnahmefällen und nach einem aufwändigen Verfahren. So sehen die Dienstanweisungen Dublin des BAMF einen 13 Spiegelstriche umfassenden Katalog an Schritten und Voraussetzungen für die Durchführung einer solchen Ausreise vor. Es ist also auf Basis der derzeitigen Verwaltungspraxis nicht zu erwarten, dass mit der Abschiebungsanordnung unmittelbar eine selbstinitiierte Ausreise möglich ist.

Zwar möchte der Gesetzgeber der dargestellten Problematik bei der selbstinitiierten Ausreise durch die Formulierung in der Gesetzesbegründung begegnen, dass die Möglichkeit der Ausreise unmittelbar nach der Abschiebungsanordnung nur dann als möglich zu betrachten ist, wenn der Transfer gewährleistet ist, was mittels Ausstellung eines Laissez-Passer-Papiers geschehen soll. Der Systematik des Gesetzentwurfs folgend würde die Abschiebungsanordnung die tatsächliche Möglichkeit der selbstinitiierten Ausreise jedoch dann allein in dem Fall abschließend feststellen, in dem Laissez-Passer-Papiere mit der Abschiebungsanordnung ausgestellt würden. Dies ist aus den dargestellten Gründen jedoch in der Praxis derzeit nicht zu erwarten, insbesondere da Laissez-Passer-Papiere nur unter Mitwirkung der zuständigen Mitgliedsstaaten ausgestellt werden können. Bei einer nachgängigen Ausstellung dieser Papiere würde jedoch die Abschiebungsanordnung gerade nicht die erschöpfende Prüfung der tatsächlichen Möglichkeit der Ausreise darstellen, was dem bloß "klarstellenden Charakter" des neu hinzugefügten Passus in § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG widersprechen würde. In diesem Falle bestünde wieder das Problem, dass Abschiebungsanordnungen fälschlicherweise als Grundlage für den Leistungsausschluss herangezogen werden könnten, obwohl eine selbstinitiierte Ausreise nicht möglich ist.

Härtefallleistungen schließen weiterhin das menschenwürdige Existenzminimum aus

Auch nach dem aktuellen Entwurf bleibt es dabei, dass selbst in den Fällen einer Härte, also zum Beispiel bei Reiseunfähigkeit, nur die Leistungen des physischen Existenzminimums gewährt werden dürfen. Geändert wurde nun, dass statt einer „außergewöhnlichen“ wie bisher eine „besondere“ Härte vorliegen muss. Damit wird zwar die Schwelle abgesenkt, ab der ein Härtefall vorliegt. Allerdings bleiben selbst in diesen Fällen die Leistungen nach § 6 AsylbLG sowie diejenigen für den notwenigen persönlichen Bedarf kategorisch ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere alle besonders schutzbedürftigen Personen. Dieser Ausschluss ist erkennbar verfassungswidrig.

Ebenso verfassungswidrig dürften trotz Härtefallregelung die Leistungsstreichungen für Kinder sein. Denn Kinder sind in ihren Entscheidungen nicht eigenständig handlungsfähig und dürfen daher aufgrund eines „Fehlverhaltens“ der Eltern leistungsrechtlich nie in Haftung genommen werden. Dem wird die Formulierung im Gesetzentwurf, wonach Leistungen für die „besonderen Bedürfnisse“ von Kindern nur in Fällen einer besonderen Härte erbracht werden dürfen, nicht annähernd gerecht.

Verschärfungen bei Heimatreisen

Etwas in den Hintergrund getreten sind die Verschärfungen im Falle der Heimatreisen. Im bisherigen Gesetzesentwurf wurde die Vermutung des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Schutztitel aufgrund einer Reise in das Herkunftsland nur für den Fall der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung normiert. Ausgenommen waren nur sittlich zwingende Reisen. Im nun neu geschaffenen § 73 Abs. 7 AsylG wird diese Vermutung nun auch auf den subsidiären Schutz sowie nationale Abschiebungsverbote ausgeweitet.

Allerdings werden in der Begründung nun neben der sittlich gebotenen Reise auch andere Fälle benannt, in denen eine Heimatreise nicht zum Verlust des Schutzstatus führen soll, bspw. „bei heimlichen Heimreisen von Oppositionellen ohne Kenntnis der Behörden des Herkunftsstaats“. Auch soll keine Aberkennung des Schutzes erfolgen, wenn sich die Vermutung bestätigen sollte, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber „aus eigenen Erkenntnissen“ eine weiterhin bestehende Schutzbedürftigkeit feststellt.