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Stellungnahme vom Vorsitzenden zur Unabhängigen Patientenberatung

Fachinfo
Erstellt von Prof. Dr. Rolf Rosenbrock

Am vergangenen Mittwoch, den 17.6. fand im Bundestag eine öffentliche Anhörung zur Unabhängigen Patientenberatung (UPD) statt. Unser Vorsitzender Prof. Dr. Rolf Rosenbrock war als Sachverständiger geladen. Wir dokumentieren seine Stellungnahme.

Die Geschichte der UPD beginnt mit den Gesundheitsläden. Sie waren, wie vieles andere, heute noch Wichtige ein Teil der Gesundheitsbewegung der 70er. Sie bearbeiteten das Problem, dass sich viele Menschen von der Komplexität von Versorgung und Versicherung überfordert fühlen, wichtige Informationen nicht verstehen, keinen Lösungsweg finden, sich ungerecht behandelt fühlen und ohne Beratung scheitern. Die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer erkannte die ‚Systemrelevanz‘ dieser Funktion im Versorgungswesen sowie die Notwendigkeit, sie zu professionalisieren. So fand die unabhängige Pateientenberatung 1999 zunächst als Modellversuch Eingang in den § 65b des SGB V. Seit der Auswahl und Förderung der ersten Projekte (2001) habe ich den Entwicklungsprozess der UPD in verschiedenen Funktionen (Auswahljury, Beirat, Sachverständigenrat, wiss. Beirat) und über seine verschiedenen Entwicklungsschritte bis zur Vergabe an den gewinnorientierten Sanvartis-Konzern und meinen Rücktritt als Protest dagegen im Jahren 2015 solidarisch kritisch begleitet.

Auf dieser Grundlage kann ich der vielfach geübten Kritik durchweg beipflichten, möchte sie allerdings um einen Aspekt erweitern: Es ist ja nicht nur der würdelose Umgang der Gesundheitspolitik und der GKV mit der UPD, es ist ja nicht nur die Intransparenz und Dubiosität von Geschäftsvorgängen, die nach einer raschen Veränderung der gesetzlichen Grundlagen rufen. Wichtiger noch erscheint mir die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des zentralen Entwicklungsprojektes der ‚alten‘ UPD: es geht um Methoden der Beratung, die eben nicht nur im call-center-Modus Faktenfragen beantwortet, sondern innerhalb der Beschränkungen der Zeit und (meist) des Mediums (Telefon etc.) den Standards professioneller Beratung (inkl. Auftragsklärung) in schwierigen Lebenslagen genügt, auch für Menschen mit geringer formaler Bildung. Ausweislich aller Evaluationen ist die ‚alte‘ UPD mit ihrer Gleichgewichtung von psychosozialer, sozialrechtlicher und medizinischer Kompetenz sowie dem Konzept, akademisch qualifizierte first-line-Beratung zu bieten hierbei in der vergleichweise kurzen Zeit, die ihr beschieden war, fachlich und qualitativ sehr weit gekommen – bis zum Abbruch dieser Entwicklung durch die Sanvartis-UPD. Den Abbruch muss man Sanvartis & Co nicht zum Vorwurf machen: es fehlt an Anreizen, dieses aus meiner Sicht für das Funktionieren des Gesamt-Systems unerlässliche Entwicklungsprojekt voranzutreiben. Dazu braucht es Kontinuität und dauernde verbindliche Rückkopplung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen von PatientInnen. Die zur Weiterentwicklung notwendigen Anreize wären auch kaum in einer formalen Ausschreibung zu definieren. Die Anreize der ‚alten‘ UPD, dieses Entwicklungsprojekt anzugehen, waren auch in keiner Ausschreibung klar definiert. Sie resultierten aus der intrinsischen Orientierung der Menschen in der UPD gGmbH und bei ihren Gesellschaftern, eine gesellschaftlich und gesundheitlich notwendige Aufgabe immer besser zu erfüllen und Menschen gesundheitliche sowie rechtliche Orientierung zu bieten, unter strikter Wahrung von Unabhängigkeit und der dafür notwendigen kritischen Äquidistanz zu Krankenkassen, Leistungserbringern und Staat. Eine solche Orientierung lässt sich im Umkreis kommerzieller Medizindienstleister, Krankenkassen und Behörden nur schwer entwickeln und schon gar nicht zeitstabil aufrechterhalten.

Vier Schlussfolgerungen:

  1. Die UPD braucht dringend, d.h. vor der nächsten fälligen Ausschreibung  einen neuen gesetzlichen Rahmen. Ausschreibung der Leistungen auf Zeit unter Beteiligung gewinnwirtschaftlicher oder abhängiger Bieter und Akteure hat sich nicht bewährt.
  2. Die neue gesetzliche Positionierung darf keine zeitlichen Beschränkungen vorsehen, sondern muss eine Verankerung auf Dauer beinhalten, mit wissenschaftsbasierter Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung.
  3. Als Träger  kommen ausschließlich gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft infrage, unabhängig vom Staat, von der GKV, der PKV und gewinnwirtschaftlichen Orientierungen.
  4. Die institutionelle Lösung sollte kompatibel sein mit einer Perspektive, in der die Organisationen der PatientInnen, der Selbsthilfe und der Patienten-Information unter einem zivilgesellschaftlichen Dach ihre Funktion als ‚echte‘ Patientenbank wahrnehmen können.