Altenhilfe und Pflege
Konzertierte Aktion Pflege (KAP)
Eines der wichtigsten Ziele der Bundesregierung ist es, die Arbeit in der Pflege für Frauen und Männer attraktiver zu machen. Es sollen mehr Menschen motiviert werden, Pflegeberufe zu ergreifen. In der im Koalitionsvertrag festgehaltenen und vom BMG, BMFSFJ und BMAS initiierten Konzertierten Aktion Pflege wurden Maßnahmen erarbeitet, um den Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden unmittelbar und spürbar zu verbessern, die Ausbildung in der Pflege zu stärken und um weitere, umfassende Maßnahmen zur Entlastung der Pflegekräfte umzusetzen.
Die Pflegenden sollen größere Wertschätzung erfahren. Der Wert ihrer Arbeit muss – auch in der Bezahlung – besser anerkannt werden. Um dies zu erreichen, wurden in der Konzertierten Aktion Pflege die vielfältigen Potentiale der in der Pflege beteiligten Akteure genutzt, um gemeinsam nachhaltige Lösungen auf den Weg zu bringen. Die relevanten Organisationen in der Pflege haben auf Basis der Ergebnisse aus fünf themenbezogenen Arbeitsgruppen und unter Einbeziehung weiterer Expertinnen und Experten im Sommer 2019 konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der beruflich Pflegenden entwickelt und ihre Umsetzung durch die jeweiligen Akteure verbindlich vereinbart.
Bearbeitet wurden fünf Themenbereiche:
- AG 1: Ausbildung und Qualifizierung
- AG 2: Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung
- AG 3: Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung
- AG 4: Pflegekräfte aus dem Ausland - Maßnahmen zur Gewinnung von Pflegefachpersonen aus dem Ausland.
- AG 5: Entlohnungsbedingungen in der Pflege
Zur Abschlusssitzung der Konzertierten Aktion Pflege erklärte Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes:
"Die Ergebnisse und der Mut, der Politik, sich festzulegen, begrüßen wir sehr - jetzt müssen Taten folgen. Zum ersten Mal wurden im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege alle Facetten, die das Thema Pflege tangieren, wirklich umfassend diskutiert. Nun beginnt die Arbeit und es muss an die Umsetzung gehen. Die Beratungen der vergangenen Monate haben gezeigt: Der Schlüssel für eine gute menschenwürdige Pflege für alle, lässt sich auf eine schlichte Formel bringen: Gute Pflege braucht mehr Zeit. Für mehr Zeit braucht es mehr Personal. Und um mehr Personal zu bekommen, müssen wir bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege schaffen und Pflegekräfte besser bezahlen. Das kostet Milliarden, was aber nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen darf. Wir werden unser Bestes geben, wenn es nun um die Umsetzung der Ergebnisse geht. Aber die Bundesregierung ist auch in der Verantwortung, für eine solide und gerechte Finanzierung Sorge zu tragen."
Der Paritätische setzt sich im Weiteren für einen Umgang mit den Vereinbarungen der KAP ein, der von einem Klima gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist. Zu berücksichtigen ist die derzeitige Situation der Pflegeeinrichtungen und der beschäftigten Mitarbeitenden. Die Einrichtungen und Mitarbeitenden haben in den letzten Jahren viele Reformen mitgemacht und umgesetzt.
In einem abgestimmten weiteren Vorgehen wird nun die schrittweise und rücksichtsvolle Umsetzung erfolgen. Dazu muss die Refinanzierung personeller Ressourcen insbesondere auch für Leitung, Verwaltung und Qualitätsmanagement in den Einrichtungen angemessen berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Einrichtungen Zeit brauchen, um Mitarbeitende so zu qualifizieren, dass die Maßnahmen entsprechend umgesetzt werden können. Bei allen Bemühungen ist ein besonderer Blick auf Entbürokratisierung und Datensparsamkeit zu legen.
Am 13. November 2020 haben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den 1. Bericht zum Stand der Umsetzung der Vereinbarungen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Der Paritätische ist als Spitzenverband Mitglied im Dachgremium der KAP und hat in Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Der Bericht beinhaltet eine Zusammenstellung der in den Arbeitsgruppen erstellten Ergebnisse.
Material:
- Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege (Link zur Homepage des BMG)
- Übersicht der Verhandlungsthemen aus den Arbeitsgruppen 2 und 3 (PDF)
- Übersicht zu Themen der Personalbemessung und des Personalmanagements (PDF)
- Zwischenbilanz zur Konzertierten Aktion Pflege (PDF)
Die Arbeitsgruppe 1 fand unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statt. Ziel war es bereits im Vorbereitungsjahr 2019, aber auch darüber hinaus mit allen erdenklichen Partnern aus Politik, Bund und Ländern, Ministerien, Bundesämtern, Verbänden, Kostenträgern, Gewerkschaften und Wissenschaft flankierende Unterstützungsmaßnahmen zu formulieren, damit die neuen Pflegeausbildungen nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG) erfolgreich starten und sich entwickeln können. Dies ist eingebettet in eine neue „Ausbildungsoffensive Pflege“, mit der es abermals geschafft werden soll, die Zahl der Ausbildungsplätze und der Auszubildenden um 10% bis einschließlich 2023 zu steigern.
Die Mitglieder der AG 1 haben sich auf umfangreiche Zielbeschreibungen und Maßnahmen verständigt, die sich in drei Handlungsfelder gliedern:
- Handlungsfeld I: Die Reform der Pflegeberufe erfolgreich umsetzen
- Ausbildungs- und Schulplätze bereitstellen
- Gemeinsam in Lernortkooperationen und Ausbildungsverbünden ausbilden
- Pflegeschulen bei der Umstellung auf die neuen Ausbildungen unterstützen
- Pflegefachpersonen hochschulisch ausbilden
- In der Ausbildungsoffensive zusammenarbeiten
- Handlungsfeld II: Für eine Ausbildung in der Pflege werben
- Mehr Menschen für eine Ausbildung in der Pflege gewinnen
- Die Öffentlichkeit über die neuen Pflegeausbildungen informieren
- Handlungsfeld III: Ausbildung und Qualifizierung stärken
- Ausbildungsqualität und Ausbildungserfolg sichern
- Bildungskarrieren in der Pflege eröffnen
- Umschulung fördern
- Das Tätigkeitsfeld Pflege in der neuen Ausbildung weiterentwickeln
Ziel der im Herbst 2019 gestarteten Kampagne „Ausbildungsoffensive Pflege“ ist es, mit unterschiedlichen Werbe- und Marketingmaßnahmen insbesondere Jugendliche in der Berufsorientierungsphase und Erwachsene mit dem Wunsch nach einer beruflichen Neuorientierung für eine Ausbildung in der Pflege zu gewinnen. Dies bildet aber nur den öffentlichen und medienwirksamen Rahmen. Die eigentliche und weniger öffentliche Musik spielt sich in den über 100 Einzelpunkten ab, welche als Ergebnisse der AG 1 für die Konzertierte Aktion Pflege vereinbart wurden.
Der Paritätische hat ausgewählte Punkte aus dieser Vereinbarung in einer Broschüre zu den neuen Ausbildungen aufbereitet, die für die Umsetzung der neuen Ausbildungen vor Ort besonders wichtig sind. Dabei wird einerseits unterschieden, was der Paritätische und was auch Pflegeeinrichtungen und Pflegeschulen tun können und andererseits, was von der Politik, von Institutionen, Bundesämtern und aus den Ländern erwartet werden kann.
Die Arbeitsgruppe 2 unter Vorsitz des Bundesministeriums für Gesundheit hat sich den Themen Personalausstattung und betriebliche Gesundheitsförderung gewidmet. Ziel der Vereinbarungen ist dabei die Sicherung einer hinreichenden Anzahl an Pflegefachpersonen und weiteren beruflich Pflegenden für eine gute und professionelle Pflege.
Die Mitglieder der AG 2 haben hierfür Maßnahmen in folgenden Handlungsfeldern vereinbart:
- Handlungsfeld I: Eine hinreichende Personalausstattung von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sicherstellen sowie Datengrundlagen für die Personalbedarfsplanung verbessern
- Handlungsfeld II: Beruflich Pflegende (zurück-) gewinnen und halten
- Handlungsfeld III: Arbeitsschutz, Prävention und Gesundheitsförderung nutzen
- Handlungsfeld IV: Pflege als attraktiver Arbeitsplatz: Transparenz über gute Arbeitsbedingungen schaffen – Stammpersonal im Betrieb halten und Leiharbeit reduzieren
- Handlungsfeld V: Kompetente Führung und Etablierung einer Fehler- und Lernkultur in der Pflege
- Handlungsfeld VI: Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und flexible und verlässliche Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung
- Handlungsfeld VII: Lebensphasengerechte Aufgabenverteilung im Betrieb
- Handlungsfeld VIII: Wertschätzung und Anerkennung
Dabei hat die AG 2 ihren Fokus zwar auf die betriebliche Ebene gelegt, aber auch Vereinbarungen zur Entwicklung von notwendigen und unterstützenden Rahmenbedingungen getroffen. Zu den Rahmenbedingungen gehört unter anderem, dass die Vereinbarungspartner auf Landesebene sowohl in den Landesrahmen-verträgen, aber auch in den Pflegesatz- bzw. Vergütungsverhandlungen, eine quantitativ wie qualitativ am Bedarf ausgerichtete Personalausstattung für die gesetzlich vorgesehenen Aufgaben und deren Finanzierung anerkennen.
Die Arbeitsgruppe 3 unter Vorsitz des Bundesministeriums für Gesundheit hat sich den Themen Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung gewidmet. Die Herausforderungen in der Versorgung erfordern innovative Versorgungsansätze, um die Qualität und Effizienz der Versorgung weiter zu verbessern. Ein besonderes Innovationspotential bietet dabei die Digitalisierung im Gesundheitswesen und in der Pflege. Hier gilt es, die Arbeitsverdichtung in der Pflege unterstützt durch den Einsatz von digitalen und technischen Lösungen sowie Zukunftstechnologien zu verringern und so mehr Zeit für die personenzentrierte Pflege und Betreuung zu schaffen. Ziel der vereinbarten Maßnahmen ist es deshalb, neue Aufgaben- und Verantwortungsbereiche für Pflegefachkräfte zu identifizieren und umzusetzen. Darüber hinaus sollen durch die Gestaltung innovativer Versorgungsansätze und unter Einbeziehung digitaler Lösungen ein passgenauer Einsatz von Pflegefachpersonen sowie eine Entlastung von beruflich Pflegenden bewirkt werden.
Die Mitglieder der AG 3 haben hierfür Maßnahmen in folgenden Handlungsfeldern vereinbart:
- Handlungsfeld I: Gestaltung neuer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche für Pflegefachpersonen
- Handlungsfeld II: Digitalisierung und Zukunftstechnologien in der Pflege
- Handlungsfeld III: Verbesserung der Effizienz der pflegerischen Versorgung und an den Schnittstellen zwischen pflegerischer und gesundheitlicher Versorgung
- Handlungsfeld IV: Weiterentwicklung von Angebotsstrukturen und Flexibilisierung vertraglicher Gestaltungs- und Vergütungsmöglichkeiten
Die Arbeitsgruppe 4 fand unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit statt. Ziel ist es, die Versorgungssicherheit in der Pflege sowie eine gute professionelle Pflege vorranging durch Pflegefachpersonen aus dem Inland und der Europäischen Union zu gewährleisten. Erst darüber hinausgehender Bedarf soll durch Pflegefachpersonen aus Drittstaaten gedeckt werden. Dafür sollen Rahmenbedingungen für die Gewinnung von Pflegefachpersonen und die Gewinnung junger Menschen zur Ausbildung aus dem Ausland so verbessert werden, dass die Angeworbenen, die Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser bestmöglich bei Anerkennungs- und Verwaltungsverfahren sowie Maßnahmen zur Sprachförderung im In- und Ausland, bei der Erteilung von Visa und bei der Etablierung einer nachhaltigen und guten fachlichen, betrieblichen und sozialen Integration unterstützt werden.
Die Mitglieder der AG 4 haben hierfür Maßnahmen in folgenden Handlungsfeldern vereinbart:
- Handlungsfeld I: Gezielte Gewinnung von Fachkräften und verbesserte
- Öffentlichkeitsarbeit im Ausland
- Handlungsfeld II: Anerkennungsverfahren der Länder
- Handlungsfeld III: Verwaltungsverfahren im In- und Ausland inZusammenhang mit der Erteilung von Visa
- Handlungsfeld IV: Sprache
- Handlungsfeld V: Nachhaltige, gute Integration - fachlich, betrieblich und sozial als zentrale Voraussetzung für die Gewinnung ausländischer Pflegefachpersonen und eine gute Willkommenskultur
- Handlungsfeld VI: Ausbildung in Deutschland
- Handlungsfeld VII: Ausbildung in Drittstaaten
Die Arbeitsgruppe 5 fand unter dem Vorsitz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und dem Ko-Vorsitz des Bundesministeriums für Gesundheit statt. Ziel war es Vorschläge für konkrete Maßnahmen zu erarbeiten, wie unter Wahrung der Tarifautonomie und des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts eine angemessene Entlohnung gesichert werden kann. Hierbei war unter anderem zu prüfen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden müssen. Außerdem sollte sich die Arbeitsgruppe mit den Folgewirkungen der Maßnahmen und deren Finanzierung befassen.
In der AG 5 arbeiteten Arbeitgeberverbände aus der Pflegebranche, der Bundesverband der Arbeitgeber, alle Wohlfahrtsverbände, Die Paritätischen Tarifgemeinschaften PATT und PTG, Kommunen, Ländervertreter*innen, Vertreter*innen der kirchlichen Verbände und deren arbeitsrechtlichen Kommissionen sowie Pflegeverbände zusammen.
Im Ergebnis wurden folgende Wege in der KAP 5 mehrheitlich unterstützt:
- Erstreckung eines Tarifvertrages auf der Grundlage von § 7a Arbeitnehmer Entsendegesetz auf alle Pflegebetriebe - Lohnuntergrenze.
- Festlegung von Mindestbedingungen im Pflegekommissionsverfahren.
Beide Verfahren (Nr. 1 und 2.) dienen der Absicherung nach unten. Das BMAS favorisierte den Weg Nr. 1 und hatte entsprechende Gesetzesänderung vorgenommen. Zur Aushandlung eines entsprechenden Tarifvertrages wurde die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP www.arbeitgeber-pflege.de) gegründet. Gründungsmitglieder sind Pflegeanbieter und Wohlfahrtsverbände u.a. Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt (AGV-AWO), Diakonischer Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN), Paritätischer Gesamtverband und die Volkssolidarität (Bundesverband). Diese Bundesvereinigung hatte ihre Arbeit im Sommer 2019 aufgenommen. Die Tarifarbeit der bestehenden (Arbeitgeber-)Verbände bleibt unberührt. Bestehende Tarifverträge oder andere Arbeitsbedingungen werden nicht überflüssig, sondern ergänzt.
Das "Projekt" eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages für die Pflegebranche schritt zuletzt weiter voran. Anfang Februar 2021 war der Tarifvertrag von den -Parteien (BVAP und ver.di) unterzeichnet worden. Demnach soll es in vier Stufen, beginnend mit Wirkung zum 1. August 2021, zu einer schrittweisen Erhöhung der tariflichen Entgelte kommen. Der Tarifvertrag war daraufhin den Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie zur Zustimmung vorgelegt worden. Am 25. Februar 2021 hat die Kommission der Caritas ihre Zustimmung jedoch überraschend versagt. Deshalb konnte der geplante Antrag beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, den Tarifvertrag in Form einer Rechtsverordnung für die gesamte Pflegebranche zur Geltung zu bringen, nicht gestellt werden. Die Kommission der Diakonie hat einen Tag später über den Antrag nicht mehr entschieden. Nun stellen sich Fragen, ob und ggf. auf welchen Wegen es möglicherweise doch noch gelingen kann, verbesserte einheitliche Mindestentgelte in der Pflegebranche zu etablieren. In diesem Zusammenhang rückt nun wieder die Pflegemindestlohnkommission in den Fokus, aber auch die von Bundesgesundheitsminister Spahn angekündigte Pflegereform.