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Digital ist besser!? - Mobiles Arbeiten als Chance für gute Zusammenarbeit

Die digitale Kommunikation erlebt durch Corona eine ungeahnte Beschleunigung. Was zuvor als nette Ergänzung, von manchen auch als Erleichterung von etablierten Formen der Zusammenarbeit und kommunikativer Interaktion benannt wurde, ist nun die einzige Möglichkeit arbeitsfähig zu sein. Auch Organisationen im dritten Sektor stellen sich aktuell vielen neuen Herausforderungen. So zum Beispiel einer Neustrukturierung ihrer Arbeitsweisen.

Der soziale Sektor ist geprägt von der Arbeit in Gruppen und Teams, dem Zusammenkommen von Menschen an einem bestimmen Ort, von persönlichen Gesprächen und festgesetzten Routinen. Einrichtungen, die derzeit noch geöffnet sind, halten sich an Pandemiepläne, die eingeschränkte Angebote und reduzierte Betreuung vorsehen. Das andere Extrem beschreibt die aufgrund von Maßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 geschlossenen Organisationen, wie Selbsthilfekontaktstellen, Jugendhilfeeinrichtungen und viele weitere Betreuungs-, Begegnungs- und Beratungsstellen. All jene Orte sehen sich der Herausforderung gegenüber ein Angebot und Beratung für ihre Klient*innen zu ermöglichen, das ohne physische Treffen auskommt. Das alles geschieht unter einem enormen Zeitdruck, begleitet von finanziellen Unsicherheiten, existenziellen Sorgen und privaten Einschränkungen.

Für die Organisationen bedeutet dies, dass ihre Mitarbeiter*innen, die verstreut in ihren Wohnungen von zu Hause aus arbeiten, nun eine nie da gewesene Situation bewerten und mit ihr umgehen müssen. Ohne die Möglichkeit sich abschließend zu besprechen, sind sie zudem gezwungen, sich in kürzester Zeit auf die neuen Bedingungen des Arbeitsalltags einzustellen. Ganz unabhängig von der persönlichen digitalen Affinität sieht sich jede und jeder Einzelne zunächst einmal mit einer Vielzahl technischer Hürden konfrontiert. Viele der Anwendungen erfordern Zeit zum Ausprobieren und Routine, um sie in der geforderten Weite bedienen zu können. Hinzu kommt die Umstellung aller Treffen, Besprechungen und Abstimmungen auf dezentrale Kommunikationsformen, wie Telefon- und Videokonferenzen und Gruppen-Chats. Und das alles mit einer Mitarbeiter*innenschaft, die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen für die Bedienung digitaler Soft- und Hardware, nicht diverser sein könnte.

Zugegeben klingt das zunächst einmal nach einem extrem chaotischen Zustand. Doch was nun, nach einigen Wochen digitaler Zusammenarbeit ersichtlich wird, ist eine wunderbare Entwicklung, von der wir alle langfristig profitieren werden!

Wer sich verändert, bleibt sich treu

Digitale Tools werden die gemeinsame Besprechung bei einem frischen Kaffee und den schmerzlich vermissten Flurfunk natürlich so schnell nicht ersetzen. Doch diesem Verlust kommt etwas Entscheidendes hinzu, das uns zukünftig besser zusammenarbeiten lässt.

Das Zukunftsinstitut beschreibt in vier verschiedenen Szenarien die Welt nach Corona. In einem dieser Szenarien wird eine resiliente, adaptive Gesellschaft skizziert, die gestärkt aus der Krise hervorgeht, da sie sich neuen Gegebenheiten besser anpassen und flexibler mit Veränderungen umgehen kann. Durch die Veränderung unserer Arbeitsformen kommt es zu einer Reflexion der bestehenden Prozesse. Was in realen Treffen als Voraussetzung für Informationsaustausch und erfolgreiche Kommunikation gilt, muss im digitalen Raum noch sensibler verfolgt werden damit Zusammenarbeit funktionieren kann. Der Verständigung auf zu nutzende digitale Werkzeuge folgen die Erarbeitung gemeinsamer Routinen und Regeln und die Selbstorganisation jedes Einzelnen.

Die Erschaffung neuer Routinen, wie tägliche Morgenrunden oder wöchentliche Supervisionen, stärken die Gruppe und geben einzelnen Teammitgliedern Struktur. Da gemeinschaftlich erarbeitet wird mit welchem Medium, in welcher Form und wie oft kommuniziert wird, steigt die Akzeptanz für den jeweilig gewählten Austausch. Der partizipative Gedanke stärkt sich zudem aus einer engen Zusammenarbeit aller Mitarbeiter*innen, fern von möglichen institutionellen Einflüssen wie der Arbeitserfahrung oder bestehenden Hierarchien. Über lange Zeit gelebte, verinnerlichte Verfahren werden hierbei vollkommen hinterfragt und womöglich zukünftig angepasst.

In Aushandlungsprozessen und bei der Arbeit miteinander kommt es zu einem höheren Kommunikationsbedarf, um Entscheidungen und Zielsetzungen zu begründen und für alle Beteiligten verständlich aufzubereiten. Interaktion und Kommunikation werden transparent aufbereitet und so dokumentiert, dass die Prozesse für alle nachvollziehbar sind. Dabei sind viele Regeln zu beachten, die sich an den Besonderheiten des jeweiligen Mediums orientieren. Telefon- und Videokonferenzen benötigen eine spezifische Moderation, in Chats werden schnelle Absprachen gemacht oder Links geteilt, E-Mails enthalten Konzepte und Beschreibungen.

Um die Kolleg*innen und Partner nicht zu überlasten, sollten Nachrichten kurz, informativ und gebündelt verfasst werden und immer einen klaren Betreff sowie gezielte Anweisungen enthalten.

Die Selbstorganisation der*des Einzelnen wird auf eine Probe gestellt. Die physische Präsenz im Büro, der eigene Schreibtisch und die Nähe zu Kolleg*innen bekommt aktuell einen neuen Wert. Was als Rahmenbedingung für den Arbeitsalltag galt und uns konzentriert arbeiten lässt, liegt nun also in der Verantwortung der Person selbst. „Einen festen Arbeitsplatz einrichten“, „Ausreichend Pausen einplanen“, „Essen nicht vergessen“ sind nur einige Regeln, die wir uns neu auferlegen müssen. Hinzu kommt, dass Corona auch in unserem Privatleben so vieles durcheinander bringt, dass wir uns für gutes Arbeiten ganz anders verhalten müssen als sonst.

Für Führungskräfte verändert sich die Sicht auf das Wohlbefinden ihrer Teammitglieder und Kolleg*innen beginnen sorgsamer miteinander zu kommunizieren, um keine Missverständnisse zu produzieren. Mit einem verstärkten Augenmerk auf den Team-Spirit werden Konzepte etabliert, die die Bedürfnisse des Individuums fokussieren. Motivierende Morgen-Ansprachen, gemeinsame Reflexionen der vergangenen Woche, das Teilen aufheiternder Videos oder Selbstporträts am Küchentisch zuhause schaffen in dieser verrückten Zeit ein Gemeinschaftsgefühl, das auch noch in Post-Corona-Zeiten bestehen bleibt.

Autorin:
Lilly Oesterreich arbeitet im Projekt "Digitale Kommunikation" beim Paritätischen Gesamtverband.

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de