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Diskussion um Bürgergeld: Fehlen 10 Mrd. Euro in der Haushaltsplanung?

Am 24. September kommt die Bild-Zeitung mit einer Meldung heraus, dass bei der Haushaltsplanung 2025 10 Mrd. Euro für das Bürgergeld fehlen würden. Die Zeitung spricht von "Täuschung" und "Bürgergeld-Beschiss". Was ist dran an dieser Meldung? Was hat einen wahren Kern? Was ist schlicht Fake News? Eine notwendige Aufklärung.

Die Bild Zeitung spricht von einer "Riesen-Sauerei": der Arbeitsminister Hubertus Heil verschweige die wahre Höhe der Bürgergeld-Kosten. 10 Mrd. Euro würden unterschlagen. Was ist von diesen Vorwürfen zu halten?

In aller Kürze:
1. Bei den Unterkunftskosten entpuppt sich die von der BILD angeprangerte angebliche Lücke von 6,6 Mrd. als Popanz. Diese Differenz lässt sich erklären durch den Anteil der Kommunen an diesen Kosten.
2. Beim Bürgergeld hingegen gibt es tatsächlich eine rechnerische Diskrepanz von 3 Mrd. Euro.

Die Zeitung beruft sich auf die Erläuterungen zum Einzelplan 11 des Bundeshaushaltes in der sogenannten Berichterstatter-Mappe. Der Einzelplan 11 erläutert die geplanten Ausgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In dem Kapitel 1101 finden sich die Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch und gleichartige Leistungen. Das sind vor allem die Ausgaben für das Bürgergeld (SGB II). Hier finden sich nun Angaben über die angenommene Anzahl der Bedarfsgemeinschaften (2,897 Mio.) und die vermuteten monatlichen Ausgaben pro Bedarfsgemeinschaft für die Kosten der Unterkunft und Heizung (507 Euro) und das Bürgergeld, also die finanzielle Unterstützung der Bedarfsgemeinschaften (807 Euro).

Wer nun diese Angaben auf das Jahr hochrechnet, kommt auf Gesamtausgaben für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 17,6 Mrd Euro für 2025. In dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 finden sich aber lediglich 11 Mrd. Euro vermerkt. Die Bild Zeitung hält dies für eine Riesen-Sauerei. Anscheinend hat die Bild diese Information von Vertretern der CDU zugespielt bekommen und ungeprüft veröffentlicht. Die Kritik stimmt hier aber nicht. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang - unabhängig davon, wie solide die Prognose für das Jahr 2025 ist -, dass die Unterkunftskosten zwischen Bund und Kommunen aufgeteilt werden. Der Bund zahlt keineswegs die kompletten Ausgaben für die Unterkunft. Wie sich die Kosten zwischen Bund und Kommunen aufteilen, wird explizit geregelt in der sogenannten Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2024 (BBFestV2024). Diese Verordnung ist öffentlich zugänglich. In dem Entwurf der Verordnung für die Beratung im Bundesrat findet sich auch eine ausführliche Erläuterung der Aufteilung der Kosten (Bundesrat Drucksache 214/24).

In dieser Verordnung sind für jedes Bundesland die Anteile, die der Bund 2025 übernimmt, explizit ausgewiesen. Im Bundesdurchschnitt sind es 71 Prozent. Zu beachten ist, dass über diesen Haushaltsposten auch die Refinanzierung des Bildungs- und Teilhabepakets organisiert wird (und auch explizit ausgewiesen sind). Daraus ergibt sich dann im Bundesdurchschnitt:

Beteiligung / Refinanzierung der Ausgaben BuT: 2023: 1,23 Mrd Euro; Anteil an Gesamtausgaben bei der KdU (16,47 Mrd Euro): 7,4 Prozent.

Unter Berücksichtigung dieses Wertes wird der Bundesanteil für 2024 (rückwirkend) und prospektiv für 2025 auf 71 Prozent festgelegt. Die 7,4 Prozent Refinanzierung der Ausgaben für das Bildungs- und Teilhabepakte sind gesondert zu betrachten. Sie dienen faktisch nicht der Finanzierung der Unterkunftskosten. Die Kommunen müssten danach von den KdU 2025 bundesdurchschnittlich 36,4 Prozent der Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung übernehmen. Beziehen wir schließlich den Anteil des Bundes (63,6 Prozent) auf die Gesamtkosten der prognostizierten 17,6 Mrd. Euro, so ergibt sich ein Wert von 11,19 Mrd. Euro. Dies entspricht ziemlich genau dem Entwurf des Haushaltsentwurfs und den Erläuterungen in der Berichterstatter-Mappe. Allerdings sind zusätzlich noch die Ausgaben für die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket zu refinanzieren. Insofern gibt es hier ein Defizit von etwas über 1 Mrd. Euro.

Die "Riesen-Sauerei" entpuppt sich damit bei genauerer Betrachung mit Blick auf die Unterkunftskosten als ein übertriebener Popanz, der einer kritischen Betrachtung nicht stand hält. Eine skandalträchtige Unterschreitung der Bundesausgaben um angeblich über 6 Mrd. Euro für die Unterkunftskosten gibt es nicht.

Anders stellt sich der Sachverhalt mit Blick auf die Leistungen für das Bürgergeld im engeren Sinne, also die finanzielle Unterstützung für die Leistungsberechtigten, dar. Hierzu hat auch der Paritätische schon im Juli deutlich gemacht, dass die geplante Absenkung der Ausgaben von fast 30 Mrd. Euro (aktuelle Planung für 2024 nach dem Nachtragshaushalt) auf 25 Mrd. Euro im Jahr 2025 völlig unrealistisch ist. Notwendig wären gegenüber dem Status quo sogar höhere Ausgaben, um die angekündigte Nullrunde 2025 - das heißt: reale Kaufkraftverluste bei den Ärmsten -  noch zu vermeiden. Nach den Erläuterungen aus der Berichterstatter-Mappe erwartet das BMAS rechnerisch nach den genannten Parametern Ausgaben in Höhe von etwa 28 Mrd. Euro. Das wäre gegenüber den Erwartungen für das laufende Jahr immer noch eine Reduktion von fast zwei Mrd. Euro, bei denen unklar ist, wie sie angesichts der konjunkturellen Lage realisiert werden sollen. In dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 sind aber lediglich 25 Mrd. Euro veranschlagt. Hier wäre es ein Gebot der Ehrlichkeit den entsprechenden Haushaltsansatz im Laufe der Beratungen im Bundestag anzupassen. Der Deutsche Bundestag kann und sollte hier noch eingreifen: die Nullrunde verhindern und realistische Haushaltsansätze in den Etat schreiben.   

Aus Gründen der allgemeinen Transparenz werden die entsprechenden Auszüge aus den Haushalts-Unterlagen angehangen und auf die BBFestV 2024 verlinkt.