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Druck auf Politik wächst: Es ist Bewegung in der Debatte um Soforthilfen für arme Menschen

Die Coronakrise trifft die Ärmsten besonders hart. In der Debatte um Soforthilfen und Kriseunterstützung blieben sie jedoch in den vergangenen Monaten außen vor. Das änderte sich mit einem gemeinsamen Appell dutzender bundesweiter Organisationen, unter anderem vom Paritätischen Gesamtverband, für eine grundsätzliche Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung, für die Anerkennung eines pauschalen Mehrbedarf von 100 Euro monatlich während der Pandemie und für eine Kostenübernahme für digitale Endgeräte als einmalige Leistungen der Grundsicherung. Dr. Joachim Rock, Leiter der Abteilung Arbeit, Soziales und Europa beim Paritätischen Gesamtverband, zieht eine Zwischenbilanz zur Offensive für Corona-Soforthilfen für die Ärmsten.

Wollte man die zusätzlichen Hilfen speziell für Menschen in der Grundsicherung zusammenfassen, hätte das Blatt bis Februar 2021 weiß bleiben müssen. Zwar hatte der Bundestag im vergangenen Jahr mit dem 300 Euro betragenden Kinderbonus, mit einer befristeten Mehrwertsteuersenkung und einem erleichterten Zugang zur Grundsicherung einige Maßnahmen getroffen, von denen auch Grundsicherungsberechtigte profitieren. An besonderen Hilfen für diese Menschen, die aufgrund gewachsener Bedarfe und wegfallender Hilfeinfrastruktur in der Pandemie zusätzlich belastet wurden, ohne dafür Rücklagen zu haben, gab es nichts.

Aufruf: Soforthilfen jetzt!

Auch deshalb veröffentlichten 36 Verbandsspitzen am 25. Januar 2021 in einem gemeinsamen Aufruf Forderungen nach einer grundsätzlichen Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung, nach Anerkennung eines pauschalen Mehrbedarf von 100 Euro monatlich während der Pandemie und nach einer Kostenübernahme für digitale Endgeräte als einmalige Leistungen der Grundsicherung. Unterzeichnet wurde der durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband initiierte Aufruf beispielsweise von den Verbandsspitzen von GEW und ver.di, von AWO und Diakonie, den Sozialverbänden VdK, SoVD und Volkssolidarität, dem Kulturrat, dem BUND, dem Mieterbund und dem Kinderschutzbund. Damit kam Bewegung in die Debatte um notwendige Hilfen.

Nur drei Tage später kündigte die Bundesregierung an, dass rund fünf Millionen Grundsicherungsberechtigte, die nicht bereits als Angehörige von Risikogruppen Gutscheine für FFP2-Masken bekommen hatten, über ihre Krankenkassen Berechtigungen zum kostenlosen Bezug von FFP2-Masken in Apotheken bekommen sollten. Diese als einmalige Sachleistung konzipierte Unterstützung ist gegenüber der Auszahlung eines pauschalen Mehrbedarfs mit der Grundsicherung teuer und verwaltungskostenaufwendig, aber immerhin wurde der gewachsene Bedarf erstmal anerkannt. Zum 1. Februar 2021 wies das Bundesarbeitsministerium die Grundsicherungsträger zudem dazu an, notwendige Ausgaben zur digitalen Teilhabe am Unterricht, darunter auch Tablets und Notebooks, mit bis zu 350 Euro als Mehrbedarf anzuerkennen. Bereits am 3. Februar einigte sich der Koalitionsausschuss auf eine inzwischen auch vom Bundestag beschlossene einmalige Sonderzahlung in Höhe von 150 Euro für erwachsene Grundsicherungsberechtigte und eine Neuauflage des Kinderbonus in Höhe von weiteren 150 Euro.

Erste Erfolge, aber noch viel zu tun!

Ausgezahlt werden soll die Sonderzahlung erst im Mai 2021. Angesichts von bis dahin annähernd 15 Monaten der Pandemie kommt diese Einmalzahlung nicht nur zu spät, sie fällt auch weit hinter das zurück, was notwendig gewesen wäre, um die gewachsenen Bedarfe zu decken. Mit den Initiativen des Paritätischen ist ganz praktisch einiges für die Menschen in der Grundsicherung erreicht worden. Es bleibt aber noch viel zu tun! Nach der Veröffentlichung des Aufrufs im Januar haben sich zahlreiche weitere Unterstützer*innen beim Paritätischen gemeldet. Und alle waren gleichermaßen froh, dass wenigstens etwas erreicht wurde und doch unzufrieden, da die Einmalzahlung von 150 Euro lediglich ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ ist.

Daher wurde der Verband erneut aktiv. Am 9. Februar diesen Jahres hat der Paritätische mit dann schon insgesamt 41 Gewerkschaften und Verbänden eine Unterschriftensammlung gestartet, um den Druck auf die Bundesregierung für armutspolitisch wirksame Soforthilfen zu erhöhen. Einige der Aktionspartner*innen kommen in dieser Ausgabe zu Wort.

Bisher wurde der Appell „Corona trifft Arme extra hart - Soforthilfen jetzt!” bereits von 50 bundesweiten sowie über 200 regionalen Organisationen unterstützt. Mehr als 137.000 Menschen haben den Appell bisher mitgezeichnet.

Der Appell „Corona trifft Arme extra hart - Soforthilfen jetzt!” wird getragen von einer breiten Allianz von Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, über Kultur, Wohnen, Umwelt bis zu Selbsthilfe, Gesundheitsund Menschenrechtsorganisationen.

Mit einer Unterschrift unter den Appell kann jede*r mit politisch Druck machen, damit auch die Ärmsten - ob arme Alte und Pflegebedürftige oder Kinder, Arbeitslose, Flüchtlinge oder Erwerbsgeminderte - die Corona-Krise gut überstehen können.
Aufruftext und Möglichkeit der Unterzeichnung hier:
www.der-paritaetische.de/coronahilfe


Der Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Verbandsmagazins "Der Paritätische", Ausgabe 02/2021 mit dem Schwerpunkt #Mindestens600.

Autor:
Joachim Rock

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de