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Einblicke in den Paritätischen Gesamtverband: Warum veröffentlichen wir so viele Publikationen und wie entstehen sie?

Neben unseren regelmäßigen Veröffentlichungen wie Pressemitteilungen, dem Verbandsmagazinen, Blog- und Social Media-Beiträgen erscheinen jeden Monat zahlreiche Publikationen, die sich nur an spezielle Fachöffentlichkeiten richten. Warum wir die Tastaturen so oft zum Glühen bringen und wie eine Publikation entsteht, erläutern Natalia Bugaj-Wolfram und Kerstin Becker aus der Abteilung Migration und Internationale Kooperation.

Herr H. ist griechischer Staatsbürger, er wohnt und arbeitet in Deutschland. Sein 10-jähriger Sohn lebt in Griechenland bei der Großmutter. Herr H. möchte wissen, ob er in Deutschland Kindergeld für seinen Sohn bekommen kann.

K. ist eine 18-Jährige aus Afghanistan. Sie lebt mit ihrer Mutter seit vier Jahren in Deutschland, die beide sind noch im Asylverfahren. Die Mutter ist aktuell nicht berufstätig, hat aber bereits acht Monate in Deutschland gearbeitet. K. hat nun Abitur gemacht, würde gern studieren und fragt, ob sie dafür BAföG erhalten kann, obwohl sie eine Aufenthaltsgestattung besitzt.

In den beiden Fallbeispielen handelt es sich um rechtlich äußerst komplexe Angelegenheiten. Die Fachkräfte der Migrations- und Flüchtlingssozialarbeit oder der Jugendsozialarbeit werden in ihrem Arbeitsalltag mit vielen solcher Fragen konfrontiert. Um diese sachgerecht zu beantworten, sind umfassende Kenntnisse der aktuellen Regelungen zum Aufenthalts-, Asyl- und Sozialrecht sowie weiteren Rechtskreisen erforderlich.

Um die Beratungskräfte bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, veröffentlicht der Paritätische Gesamtverband regelmäßig Arbeitshilfen für die Praxis zu relevanten Themen. Im Jahr 2020 sind zum Beispiel folgende Publikationen zum Thema Flucht und Migration erschienen:

Für 2021 sind auch einige Publikationen zu diesem Themenbereich geplant, unter anderem:

  • Handreichung zum Verfahren für syrische Staatsangehörige nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2020, Az.: C-238/19
  • Grundlagen des Asylverfahrens. Eine Arbeitshilfe für Berater*innen. 5. überarbeitete Auflage
  • Ausgeschlossen oder privilegiert? Zur aufenthalts- und sozialrechtlichen Situation von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen. 4. überarbeitete Auflage

Wie sieht der Entstehungsprozess von solchen Arbeitshilfen aus? Wie werden die Themen ausgewählt, woher kommen die Fallbeispiele und wer verfasst die Texte?

Der Paritätische Gesamtverband übernimmt im Bereich Migration und Flucht die sogenannte Zentralstellenfunktion für verschiedene Bundesprogramme, deren Ziel die Beratung und Unterstützung von Migrant*innen und Flüchtlingen ist, wie z.B. die MBE (Migrationsberatung für Erwachsene Zuwanderer) oder die Beratung und Betreuung von ausländischen Flüchtlingen. Zu den Aufgaben einer Zentralstelle gehört, neben der Weiterleitung der Fördermittel an unsere Mitgliedsorganisationen vor Ort und der strukturellen Sicherung der Förderabläufe, insbesondere die fachliche Begleitung und Qualifizierung der Berater*innen. In diesem Rahmen ist der Paritätische Gesamtverband stets bemüht, einen möglichst direkten Kontakt zu den Fachkräften vor Ort zu halten, um die Fragestellungen, Anliegen und Probleme der Beratungsarbeit zu erfahren. Das geschieht im Rahmen von Fachveranstaltungen, Vor-Ort-Besuchen, Abfragen zu bestimmten Sachverhalten, aber auch über spontane fallbezogene Nachfragen oder Fallschilderungen aus der Praxis. So werden die dringendsten, aktuellsten oder besonders komplexen Problematiken sichtbar, und so kristallisieren sich die Bedarfe für die gebündelte fachliche Unterstützung in Form einer schriftlichen Arbeitshilfe heraus. Ein weiterer Indikator sind anstehende oder gerade abgeschlossene Änderungen der Gesetzeslage – oft lässt sich deren Relevanz für die Beratungsarbeit vor Ort erst durch den Austausch mit Praktiker*innen einschätzen.

Die Rolle der Paritätischen Mitgliedsorganisationen bei dem Entstehen von den drei genannten Publikationen geht aber noch weit über die Übermittlung der Themen oder Fallbeispiele hinaus: Auch die Texte der drei Arbeitshilfen wurden von den Kolleg*innen aus einer Paritätischen Mitgliedsorganisation, der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA e.V.) verfasst. Neben vielfältigen Angeboten zur Beratung, Begleitung und Unterstützung von Asylsuchenden und anderen Migrant*innen bietet diese Organisation fachliche Unterstützung und Qualifizierung für Praktiker*innen der Migration- und Flüchtlingsberatung. Claudius Voigt, Kisten Eichler und André Schuster, die an den hier genannten Publikationen als Autor*innen oder Co-Autor*innen mitgewirkt haben, sind als Verfasser*innen von weiteren Arbeitshilfen und Fachartikeln, Dozent*innen und Expert*innen für Themen wie EU-Freizügigkeit, Asylrecht, Aufenthaltsrecht und dessen Schnittstellen zum Sozialrecht bundesweit geschätzt. Dabei werden sie nie müde, die kompliziertesten Fragen der Praktiker*innen zu beantworten.

Diese umfassende Tätigkeiten erfolgen im Rahmen des Projekts „Q – Qualifizierung der Flüchtlingsberatung“, welches in Kooperation mit dem Paritätischen Gesamtverband aufgebaut wurde und welches unter anderem durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert wird.

Die Mitarbeiter*innen des Gesamtverbandes betreuen redaktionell und organisatorisch den Entstehungsprozess der Publikationen bis zur Veröffentlichung auf der Homepage und als Print. Dabei achten wir besonders darauf, dass die Inhalte und die Form den Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechen.

Die Arbeitshilfen dienen also einerseits der Unterstützung der Paritätischen Mitgliedsorganisationen, anderseits sind sie das Ergebnis eines intensiven Austausches mit diesen Organisationen auf verschiedenen Ebenen. Der Austausch mit den Fachkräften der Migrations- und Flüchtlingssozialarbeit ist aber noch mehr als nur Grundlage für die Entstehung einer gelungenen Handreichung. Sie gibt die wichtigen Impulse für die fachliche und fachpolitische Arbeit des Verbandes, untermauert sie mit praktischen Beispielen und ermöglicht, abstrakte Sachverhalte in echte Menschenschicksale zu übersetzen. Wie das von Herrn H., der übrigens nun weiß, dass seine Mutter in Griechenland einen Anspruch auf das deutsche Kindergeld hat. Und wie das der jungen Afghanin F., die tatsächlich einen BAföG- Anspruch hat – und deren Studium somit nichts im Wege steht.

Autorinnen:
Natalia Bugaj-Wolfram und Kerstin Becker

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de