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Referentenentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes zum Schutz von "Whistleblowern" liegt vor

Schon Mitte Dezember 2019 war die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in Kraft getreten. Sie wartet in Deutschland bislang noch auf eine Umsetzung in nationales Recht. Inzwischen liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vor.

1. Stand bisher

Ziel der EU-Richtlinie ist eine bessere Durchsetzung des Unionsrechts und der Unionspolitik in bestimmten Bereichen durch die Festlegung gemeinsamer Mindeststandards, die ein hohes Schutzniveau für Personen sicherstellen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Solche Verstöße gegen das Unionsrecht können zum Beispiel die Bereiche öffentliches Auftragswesen, Umweltschutz, öffentliche Gesundheit, Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen betreffen.

Diese Richtlinie gilt für Hinweisgeber, die im privaten oder im öffentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße erlangt haben.

Nach Art. 26 hat die Umsetzung der Richtlinie bis zum 17. Dezember 2021 zu erfolgen, hinsichtlich juristischer Personen mit 50 bis 249 Arbeitnehmenden bis zum 17. Dezember 2023. Die Pflicht, Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen einzurichten, besteht nur für juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmenden.

In Deutschland gibt es bislang noch keinen umfassenden und geschlossenen gesetzlichen Schutz zugunsten von Hinweisgebenden, sondern nur punktuelle Geheimhaltungspflichten und Handlungsverbote. Die vormalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hatte im Dezember 2020 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie vorgelegt, der aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in der damaligen Regierungskoalition jedoch nicht weiter verfolgt worden war.

Über Vorstehendes hatten wir bereits berichtet (siehe unter "Weiterführende Links").

2. Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz

Inzwischen liegt der Referentenentwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vor (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG).

2.1 Schutzbereich

Geschützt werden sollen hinweisgebende Personen, aber auch Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, oder sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen werden. 

Gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien sind verboten. Das gilt auch schon für die Androhung und den Versuch, Repressalien auszuüben. 

Erleidet eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit, so wird gesetzlich vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Das bedeutet, dass Arbeitgeber beweisen müssen, dass eine solche Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte.

Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien drohnen Schadensersatzansprüche und würde auch eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit begangen.

2.2 Voraussetzungen

Der gesetzliche Schutz ist nicht voraussetzungslos, sondern besteht nur unter bestimmten Bedingungen. Hinweisegebende Personen sind geschützt, wenn: 

  • sie eine „interne“ oder „externe Meldung“ erstattet haben, 
  • die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprechen, und 
  • die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen (oder die hinweisgebende Person dies jedenfalls annehmen durfte). 

Ein Schutz für hinweisgebende Personen besteht dagegen nicht, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen weitergeben.

2.3 Umfasste Rechtsgebiete

Hinweisgebende Personen sollen auf den gesetzlichen Schutz vertrauen dürfen, wenn sie Verstöße gegen folgende Vorschriften melden: 

  • Verstöße gegen Strafvorschriften,
  • Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, zum Beispiel aus folgenden Bereichen: 
    • Arbeitsschutz, 
    • Gesundheitsschutz,  
    • Verstöße gegen das Mindestlohngesetz,
    • Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, 
    • Bußgeldvorschriften, die Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung sanktionieren
  • Verstöße gegen Rechtsnormen, die zur Umsetzung europäischer Regelungen getroffen wurden, zum Beispiel: 
    • Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche, 
    • Vorgaben zur Produktsicherheit, 
    • Vorgaben zur Beförderung gefährlicher Güter, 
    • Vorgaben zum Umweltschutz, Strahlenschutz, 
    • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, 
    • Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, 
    • Regelungen des Verbraucherschutzes, 
    • Regelungen des Datenschutzes, 
    • Sicherheit in der Informationstechnik, 
    • Vergaberecht, 
    • Regelungen zur Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften. 

2.4 Interne und externe Meldestellen

Hinweisgebende Personen können frei wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle, die vom Unternehmen geschaffen wurde, oder an eine extern eingerichtete Meldestelle der Behörden wenden wollen.

Beschäftigungsgeber sollen gesetzlich verpflichtet werden, ein Hinweisgeberverfahren, das heißt eine interne Meldestelle, im Unternehmen zu schaffen. Für private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 250 oder mehr Beschäftigten soll das sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten, für Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten erst ab dem 17. Dezember 2023. Einrichtungen in der Sozialwirtschaft mit weniger als in der Regel 50 Beschäftigten sind von dieser Pflicht ausgenommen.

Unternehmen mit in der Regel 50 und 249 Mitarbeitenden können sich auch zusammentun und eine gemeinsame Meldestelle unterhalten, was zum Beispiel für Konzerne besonders von Interesse sein kann.

Beschäftigungsgeber sind insbesondere juristische Personen des Privatrechts, wie zum Beispiel der eingetragene Verein, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Stiftungen des Privatrechts.

Zu den Beschäftigten sollen vor allem Arbeitnehmende, Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Personen und Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind, zählen.

2.5 Konkrete Ausgestaltung interner Meldestellen

Die Meldekanäle für interne Meldestellen sind so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben.

Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen.

Zentrales gesetzliches Anliegen ist hier die Sicherstellung der Vertraulichkeit von Meldungen oder Offenlegungen und damit vor allem auch der Schutz der hinweisgebenden (und der sonstigen davon betroffenen) Personen. Die gesetzlichen Vorgaben stellen hohe Anforderungen an deren praktische (technische) Umsetzung, für die es folgende Möglichkeiten geben könnte:

  • Telefonhotline, die jederzeit und ohne sprachliche Barrieren erreichbar ist, oder
  • auf Verlangen der hinweisgebenden Person ein persönliches Zusammentreffen, oder
  • ständig erreichbares, IT-gestützten Hinweisgebersystem mit vertraulicher Kommunikation.

Insbesondere muss sichergestellt sein, dass wirklich nur die berechtigte Person auf eine intern eingerichtete E-Mail-Adresse oder Telefonnummer für vertrauliche Meldungen zugreifen kann. Auszuschließen ist, dass sich zum Beispiel auch Mitarbeitende der IT-Abteilung Einblick verschaffen könnten. Für eine telefonische interne Meldestelle kommt beispielsweise auch die Einrichtung einer für den Anrufer kostenlosen externen Nummer in Betracht. Der Anruf wird dann auf einer Voicebox aufgenommen oder von einer beauftragten Person entgegengenommen, ohne dass die Rufnummer des Anrufers im Unternehmen erfasst wird. 

Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig. Sie dürfen neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Beschäftigungsgeber tragen dafür Sorge, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.

Bei dieser beauftragten Person muss es sich nicht zwingend um (eigene) Mitarbeitende des Unternehmens handeln, sondern kommt auch in Betracht, Dritte damit zu beauftragen, die interne Meldestelle zu betreiben, wie zum Beispiel externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter, Arbeitnehmervertreter oder Rechtsanwälte.

2.6 Verfahren bei internen Meldungen

Im Gesetzesentwurf wird ausführlich geregelt, wie bei intern eingehenden Meldungen zu verfahren ist.

Die interne Meldestelle

  • bestätigt der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen,
  • prüft, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich fällt,
  • hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt,
  • prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung,
  • ersucht die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Informationen,
  • ergreift angemessene Folgemaßnahmen.

Die interne Meldestelle gibt der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung oder, wenn der Eingang nicht bestätigt wurde, spätestens drei Monate und sieben Tage nach Eingang der Meldung eine Rückmeldung. Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese.

2.7 Externe Meldestellen

Der Bund soll beim Bundesamt für Justiz eine Stelle für externe Meldungen errichten (externe Meldestelle des Bundes). Darüber hinaus soll jedes Land eine eigene externe Meldestelle für Meldungen errichten können, die die
jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen. Außerdem soll es bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Bundeskartellamt solche Stellen geben.

3. Hilfestellungen für paritätische Einrichtungen

Für Paritätische Einrichtungen ist bereits im letzten Jahr ein Rahmenvertrag mit einer Rechtsanwaltskanzlei abgeschlossen worden. LegalTegrity unterstützt zu günstigen Konditionen alle Mitgliedsorganisationen, die Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie einfach und unkompliziert umzusetzen. Paritätisch organisierte Einrichtungen können sich hierüber in unserem online-Einkaufsportal (unter Dienstleistungen/Hinweisgeberschutz/LegalTegrity) informieren.

Bislang gilt nur die Richtlinie, weshalb sich das Angebot auch nur darauf bezieht. Sobald die Richtlinie jedoch in nationales Recht umgesetzt und ein entsprechendes Gesetz verabschiedet sein wird, informieren wir über ein gegebenenfalls angepasstes Angebot.

Darüber hinaus lädt LegalTegrity am Dienstag, 24. Mai 2022, 10:00 bis 11:00 Uhr, zu einem Webinar ein zum Thema:

„Whistleblowing – ein Blick hinter die Kulissen: Hinweisgeber verstehen, Meldekanäle einführen, Rechtssicherheit herstellen“

Die Anmeldung zu dieser Veranstaltung ist ebenalls über unser online-Einkaufsportal möglich.

4. Empfehlung der DSK

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder hat eine Orientierungshilfe zu Whistleblowing-Hotlines herausgegeben, Stand November 2018. Die Orientierungshilfe zeigt den datenschutzrechtlichen Rahmen und Regelungsmöglichkeiten zu Whistleblowing-Hotlines auf. Sie soll es den Arbeitgebern und den Interessenvertretungen der Beschäftigten erleichtern, im Unternehmen klare Regelungen zum Umgang mit Whistleblowing-Hotlines zu erreichen.

Das Dokument ist unter "Download" beigefügt.

5. Fazit

Das Gesetzgebungsverfahren ist noch längst nicht abgeschlossen, so dass derzeit noch nicht klar ist, welche Verpflichtungen die Unternehmen im einzelnen erfüllen müssen. Auch wenn verbreitet eingeschätzt wird, dass es nach Einführung des Gesetzes zu keinem sprunghaftem Anstieg von Meldungen kommen wird und Befürchtungen, hiermit nun massenhaft überzogen zu werden, unbegründet sein dürften, sollten sich betroffene Einrichtungen darauf vorbereiten.

Je nach Zuschnitt und Größe der Einrichtung, vor allem wenn intern ausreichende Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen, dürfte sich anbieten, einen externen Partner einzuschalten, wie dies in der Vergangenheit viele Einrichtungen zum Beispiel in Bezug auf den Datenschutz und den -Beauftragten auch getan haben. In größeren Einrichtungen wird eher in Betracht kommen, die gesetzlichen Pflichten durch (eigene) Mitarbeitende und entsprechende technische Vorkehrungen zu erfüllen. Eine generelle Empfehlung wird es insoweit nicht geben können, sondern werden Einrichtungen selbst einzuschätzen haben, welcher Weg der beste für sie ist.