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Kein Mitleid mit den großen Immobilienkonzernen

Der geplante Mietendeckel sorgt für Aufregung, auch weil er radikal ist. Aber angesichts der Zustände auf dem Wohnungsmarkt ist er notwendig, findet Ulrich Schneider. Dass den börsennotierten Immobilienunternehmen damit ihr Geschäftsmodell entzogen wird, bedauert er nicht.

Ein Kommentar von Ulrich Schneider zum geplanten Mietendeckel in Berlin

Erwartungsgemäß löste diese Nachricht vielfältige Reaktionen aus: Am gestrigen Sonntag vermeldete der „Tagesspiegel“ als auch die „Morgenpost“, dass die Pläne für den sogenannten Mietendeckel in Berlin deutlich weiter gehen könnten, als bisher angenommen – zumindest nach derzeitiger Planung. Demnach sollen in der Hauptstadt nur noch Kaltmieten bis maximal 7,97 Euro pro Quadratmeter möglich sein. Und nicht nur das! Mieten, die höher sind, sollen sogar abgesenkt werden können.

Besonders entsetzt waren selbstverständlich die großen Immobilienkonzerne. Obwohl  es sich lediglich um einen Entwurf handelt, kündigte die Deutsche Wohnen am heutigen Montag umgehend  den Rechtsweg an. Aus ihrer Sicht verständlich, denn hier steht schlichtweg ihr Geschäftsmodell auf dem Spiel. Lange Zeit waren große Immobilienportfolios Lizenzen zum Geld drucken. Großvermieter Vonovia knackte letztes Jahr erstmalig die Milliardengrenze beim Gewinn. Die Deutsche Wohnen, Berlins größte Vermieterin mit über 110.000 Wohnungen in der Hauptstadt, machte 480 Millionen Gewinn. Durch steigende Mieten.

Für einen Großteil der Bewohner*innen in der Stadt dürfte die Meldung hingegen ein Grund zur Freude sein. Berlin ist Mietenstadt. Über 80 Prozent der Berliner*innen leben nicht in ihrer eigenen Immobilie. Und während das Pro-Kopf-Einkommen in der Hauptstadt fast stagniert, stiegen allein zwischen 2013 und 2018 die Mieten im Durchschnitt um 50 Prozent. In vielen besonders angesagten Vierteln im Innenstadtbereich sind es noch deutlich mehr.

Dass der Senat einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen kann und die Mieterhöhungen wirkungsvoll begrenzt werden müssen, daran dürfte kein Zweifel bestehen.  Der Mietendeckel, für den sich der Senat entschieden hat, ist eines von mehreren denkbaren Instrumenten. Dabei wirken die angedachten Maßnahmen angesichts der Mietsteigerungen der letzten Jahre auch gar nicht mehr so radikal, wie es einige Kommentator*innen nun herbeischreiben wollen.  Es sind zumeist die gleichen, die in großer Radikalität erklären, dass nur der Markt das Problem lösen und nur „Bauen, Bauen, Bauen“ helfen könne. Ideologisch wird ein solches „Argument“ angesichts der ausgeblendeten Tatsache, dass dieser freie Markt in Berlin in erster Linie lukrative Eigentumswohnungen im Luxusbereich und kaum erschwingliche Mietwohnungen im unteren bis mittleren Preissegment entstehen läßt.

Über die Details kann man natürlich streiten und das wird bis Oktober, bis das endgültige Gesetz vorliegen muss, auch noch passieren. Nochmal: Es liegt ein Entwurf vor! Was am Ende raus kommt, ist noch nicht klar. An einigen Stellen ist sicher Augenmaß nötig. Jede zweite Wohnung in Deutschland wird privat und nicht durch börsennotierte Immobilienkonzerne vermietet. Oftmals sind es Altersvorsorgen und kleine Zuverdienste von Mittelständlern. Hier muss die Landesregierung ihr Versprechen einhalten und Härtefallregelungen einführen.

Mein Mitleid für die großen Immobilienkonzerne hält sich allerdings in Grenzen. Ihr Geschäftsmodell bestand in den letzten Jahren vornehmlich darin, ganze Stadtteile günstig aufzukaufen, über die Modernisierungsumlage die Wohnungen aufzuwerten und die Mieter*innen zahlen zu lassen und damit immer neue Rekorde einzufahren. Konnten Altmieter nicht zahlen, mussten sie weichen. Das war legal, aber unmoralisch. Hoffentlich ist es damit bald vorbei und Berlin kein „attraktiver Standort“ mehr für solches Gebaren.

Bei uns im Paritätischen Gesamtverband hat das Thema in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Denn es sind oft die Menschen mit wenig Geld, die aus ihren Stadtteilen verdrängt werden, darunter auch viele alte Menschen, Pflegedürftige oder Alleinziehende, für die der Umzug in einen anderen Kiez eine ganz große Härte darstellen kann. Da können wir nicht tatenlos zusehen. Da müssen wir uns einmischen.

Der Mietendeckel selbst war wegen seiner lokalen Begrenzung nicht explizites Thema im Gesamtverband, aber wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und einige Forderungen an die Bundesebene formuliert. Diese beinhaltet neben mindestens 80.000 neuen Sozialwohnungen und der Wiedereinführung einer Wohngemeinnützigkeit auch eine sozial gerechte Bodenvergabe einen besseren Zugang für besondere Bedarfsgruppen. Dazu gehört auch barrierefreies Bauen und angemessene Zahlungen der Kosten der Unterkunft sowie Energiekosten für Bezieher*innen von SGB II. Als letztes Mittel schließen wir die diskutierte Enteignung großer Wohnungskonzerne auch nicht mehr aus, wenn diese verantwortungslos agieren.  Ambitioniert, aber leider notwendig.

Doch zurück zur Tagespolitik. Der Versuch, mit dem Mietendeckel nun Panik in der Bevölkerung zu schüren und den Zusammenbruch des Berliner Wohnungsmarktes an die Wand zu malen, ist in der Sache völlig unangebracht und im Stil mindestens unlauter.  Ein wenig mehr Sachlichkeit würde die maßlos überziehenden Kritiker glaubwürdiger erscheinen lassen.  Klar ist: In den fünf Jahren, in denen das Gesetz gültig sein wird, werden die Berliner*innen wirklich einmal durchatmen können vom Mietenwahnsinn. Ich gönne es ihnen.

Autor:

Ulrich Schneider ist Hauptgeschäftsführer beim Paritätischen Gesamtverband

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de